Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2. Lehrer Keller berichtet iıı seiner „Heimatchronik“ aus dem Jahre 1935<br />
a) Von den <strong>Reichelsheim</strong>er Vereinen -<br />
Den „Organisatoren“ des geselligen und kulturellen<br />
Lebens im früheren <strong>Reichelsheim</strong><br />
Vereine führen Menschen zusammen, sie organisieren<br />
das gesellige und kulturelle Leben in einer Gemeinde.<br />
Neben den bestehenden Familien- und Freundschaftskontakten<br />
zwischen den Häusern einer Gemeinde knüpfen<br />
sie die „Bande“ zwischen den Menschen in einer<br />
Stadt oder einem Dorf. Hier lernt man sich, auf der Basis<br />
einer gleichartigen Anschauung oder einer gleichen Vorliebe<br />
(also Hobbys), kennen und achten, unabhängig von<br />
Beruf und sozialer Stellung.<br />
In <strong>Reichelsheim</strong> gab es in früherer Zeit keine Vereine<br />
in unserem Sinne. Die Familienbande waren allerdings<br />
über den ganzen Ort so eng, daß zusätzliche An- und<br />
Verknüpfungspunkte nicht notwendig erschienen. Außerdem<br />
war die Kirche noch derart ein Monopol in ihrer<br />
Stellung, daß wohl auch keiner in einem Städtchen wie<br />
<strong>Reichelsheim</strong> auf die Idee kam, „Vereine“ zu bilden.<br />
Doch nach den „Befreiungskriegen“ gegen das napoleonische<br />
Frankreich, nach dem allgemeinen Versuch der<br />
Menschen in Stadt und Land, Mitsprache in allen gesellschaftlichen<br />
Fragen zu erlangen, da entstanden überall erste<br />
Vereine. Nachdem I832 in allen Ländern des Deutschen<br />
Bundes die politischen Vereine verboten worden waren<br />
und die adligen Herrscher sich stets bemühten, die<br />
nach dem Sieg über Napoleon gewährten Freiheiten wieder<br />
aufzuheben, schlossen sich die Menschen in Vereinen<br />
zusammen. „Nach dem Bundesverbot aller politischen<br />
Vereine vom Juli 1832 nutzen national und demokratisch<br />
Gesinnte die allerorten entstehenden Gesangvereine, um<br />
politische Kontakte in unverdächtigem Rahmen fortzuführen“<br />
(s. „Chronik Hessens“, S. 230).<br />
In dieser Zeit, nämlich 1844, entstand auch der erste<br />
<strong>Reichelsheim</strong>er Verein, der Gesangverein „Liederkranz“.<br />
Es war der national gesinnte Pfarrer Frankenfeld, der ihn<br />
begründete, ein Mann, der sich - geprägt von nationalem<br />
Denken und Fühlen seiner Zeit - auch als erster um die<br />
Aufarbeitung der Geschichte von <strong>Reichelsheim</strong> bemühte.<br />
Er war zwar kein Demokrat im heutigen Sinne, aber doch<br />
ein Mann, der Änderungen im politisch-gesellschaftlichen<br />
System der Länder des Deutschen Bundes (wie der Staatenbund<br />
Deutschland damals offiziell hieß) herbeisehnte.<br />
lm Ort ergriff er, der Pfarrer, die Initiative - und behielt somit<br />
den Überblick über „seine Schäfchen“.<br />
Lehrer Heinrich Keller hat in seiner 1935 fertiggestellten<br />
Heimatchronik über die Vereine von <strong>Reichelsheim</strong> berichtet.<br />
Sie ist zwar nicht vollständig, denn er geht zum Beispiel<br />
nicht auf den „Reit- und Fahrverein <strong>Reichelsheim</strong> und<br />
Umgebung“ ein. Dennoch sei seine „Vereins-Chronik“<br />
hier auch abgedruckt:<br />
„ 1. Der Gesangverein , Liederkranz '.<br />
Der älteste der <strong>Reichelsheim</strong>er Vereine ist der Gesangverein<br />
,Liederkranz`. Er ist 1935 90 Jahre alt geworden.<br />
Am 21. Februar 1844 gründete Pfarrer Frankenfeld den<br />
Verein. Der erste Dirigent war Lehrer Huth, der 1844 mit<br />
seiner eigentlichen Tätigkeit begann. Im Jahr 1846 erhielt<br />
der Verein seine erste Fahne, die in Wiesbaden für 160<br />
Gulden hergestellt wurde. Der Vereinsdiener Joh. Klotz<br />
holte sie zu Fuß in Frankfurt a. M. ab, wohin sie mit der Eisenbahn<br />
befördert worden war.<br />
Der ,Liederkranz° kann auf eine erfolgreiche Tätigkeit<br />
zurückblicken, sei es, daß er bei festlichen Anlässen den<br />
Gottesdienst durch Liedvorträge verschönern half oder<br />
daß er bei sonstigen Veranstaltungen mitwirkte. Bei Gesangswettstreiten<br />
und Wettsingen, die er besuchte, war<br />
ihm manch schöner Erfolg beschieden. Im kulturellen Leben<br />
der Gemeinde hat er zu allen Zeiten eine bedeutsame<br />
Rolle gespielt. Ein Markstein in seiner Geschichte bedeu-<br />
183