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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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8. c) Das Ende der „Insellage von <strong>Reichelsheim</strong>“<br />

Die 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts begann mit<br />

Blitz und Donner oder besser gesagt mit fürchterlichem<br />

Hagelschag, der große Teile der Ernte vernichtete. Anschaulich<br />

beschrieb der neu nach <strong>Reichelsheim</strong> versetzte<br />

Pfarrer Tecklenburg seine Eindrücke (s. Kirehenbuch<br />

S.172):<br />

„Als ich am 19. Juli zum ersten Male hierherkam, um<br />

Eintritt zu nehmen von meiner neuen Pfarrstelle, fand<br />

ich das ganze Erntefeld in eine Wüstenei verwandelt.<br />

Tags zuvor, den l8ten Juli, nachmittags zwischen 2 und 3<br />

Uhr, wurde die Gemeinde <strong>Reichelsheim</strong> von einem<br />

furchtbaren Hagelschlag heimgesucht, der in der Zeit<br />

von 5 - 10 Minuten ihre außerordentlich schöne Erntehoffnungen<br />

fast ganz zerstörte. .<br />

Der hierdurch entstandene Schaden wurde am 23.Juli<br />

von den verpflichteten Taxatoren Rentmeister Filius von<br />

Beienheim, Bürgermeister Gatzert von Heuchelheim<br />

und Bürgermeister Schmid von <strong>Reichelsheim</strong> im Beisein<br />

des herzoglichen Kreisamtmannes Freiherr von Preuschen<br />

abgeschätzt, und es ergab sich hierbei, daß die<br />

Ernte . _ _ durchschnittlich zu 3/4 zerstört war. . _<br />

Eine spezielle Berechnung des Hagelschadens ergab,<br />

daß derselbe 41765 Gulden 44 Kreuzer betrugl“<br />

Der Herzog spendete sogleich 200 Gulden, aus den anderen<br />

Ämtern des nassauischen Herzogtums wurde 217<br />

Gulden, 37 3/4 Kreuzer gespendet, was zusammen ca.<br />

1 % des Unwetterschadens ausmachte. _ .<br />

Die Spenden wurden zum Ankauf von Gerste und<br />

Kartoffeln aus anderen Ämtern verwendet. Damit die<br />

<strong>Reichelsheim</strong>er den Schaden überstehen konnten, wurden<br />

ihnen auch Preisnachlaß, Zinsverbilligung und -verschonung<br />

für ein Jahr gewährt. Nichtsdestotrotz: Über<br />

das Juli-Unwetter des Jahres 1852 wurde noch viele Jahre<br />

erzählt.<br />

Aber die <strong>Reichelsheim</strong>er, seit der sogenannten Bauernbefreiung<br />

Herr über Boden und Erträge, suchten in<br />

jenen Jahren die Anbaumöglichkeiten in ihren engen<br />

Gemarkungsgrenzen zu erweitern. 1857 intensivierten<br />

sie ihre Bemühungen, durch Anlegen von „Abzugsgräben“<br />

die Nutzung und die Qualität der Wiesen zu verbessern;<br />

sie sollten „bei den häufig vorkommenden Überschwemmungen<br />

die Flut ableiten“, wie Pfarrer Tecklenburg<br />

jene Maßnahme im Kirehenbuch beschrieb<br />

(s. S. 183). In jene Zeit (1858) fiel auch die Drainierung<br />

des östlich von der Horloff gelegenen Wiesenbereiches,<br />

der heute z. B. den Kindergarten, die Sportplätze und<br />

den Festplatz umfaßt. Ziel war hier die Schaffung eines<br />

neuen Bleichplatzes für die Wäsche.<br />

Der Aufschwund der Landwirtschaft wurde vor ca.<br />

130 - 140 Jahren auch noch durch anderes beeinflußt:<br />

z. B. durch die wegweisenden Erkenntnisse von Justus<br />

Liebig über die Zufügung von mineralischem Dünger an<br />

die Pflanzen, um die Ernteerträge bedeutend zu steigern.<br />

Damit wurde es den Bauern auch hier in <strong>Reichelsheim</strong><br />

leichter, ihre Schulden und die Schuldzinsen abzubezahlen<br />

- zugleich wuchs damit der Optimismus der<br />

Menschen.<br />

Diese neue Entwicklung in der Förderung des Pflanzenwuchses<br />

verlief parallel mit jener der Landmaschinentechnik:<br />

1864 kam in <strong>Reichelsheim</strong> auf dem damaligen<br />

Anwesen Sprengel die erste durch eine Dampfmaschine<br />

angetriebene Dreschmaschine zum Einsatz.<br />

Nicht nur, daß dieses „technische Ungetüm“ den<br />

Landwirten die Arbeit erleichterte: diese Maschine<br />

machte sie auch von Arbeitskräften unabhängiger, die<br />

ansonsten jeden Spätsommer und Herbst meist aus dem<br />

Vogelsberg hierher kamen, um durch das Dreschen des<br />

Getreides ein dürftiges Zubrot zu verdienen. Die Maschine<br />

machte die Höfe immer mehr zu „Familienbetrie-<br />

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