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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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zeit; die Bäume gaben dem Ort auch Schutz vor den<br />

manchmal scharfen West- und vor allem Süd-West-<br />

Winden.<br />

Für Vögel aller Art, aber auch für Klein- und Niederwild<br />

war eine derart strukturierte Landschaft ein Paradies.<br />

Störche waren, wie die älteren Mitbürger unserer<br />

Stadt noch heute wissen, in und um <strong>Reichelsheim</strong> so<br />

selbstverständlich wie der wiederkehrende Frühling.<br />

Die <strong>Reichelsheim</strong>er Kinder lernten nicht nur sehr<br />

schnell die heimischen Vögel und Tiere kennen. Sie lernten<br />

von jungen Beinen an die Bedeutung ihres Lebensumfeldes<br />

kennen. Sie wußten durch die Gespräche der<br />

Eltern und Nachbarn, wie wichtig die Weiden, Wiesen<br />

und Felder waren; sie hörten von den geschilderten<br />

Streitereien zwischen den Orten um die Wiesen und Weiden,<br />

bzw. um die Grenzziehung. Sie nahmen „Partei“ für<br />

ihre Väter, wenn diese wieder einmal eine „unberechtigt“<br />

weidende Kuh eines Heuchelheimer, Weckesheimer<br />

oder Leidhecker Bauern in ihren eigenen Stall getrieben<br />

hatten und diese erst gegen Zahlung eines „anständigen“<br />

Entgeltes wieder ihrem ursprünglichen Besitzer<br />

freigaben! Die Kinder hörten aber auch von dem sich<br />

wiederholenden Ärger des <strong>Reichelsheim</strong>er Müllers mit<br />

Bingenheim, das - vor allem in regenarmen Jahren - das<br />

Wasser staute, damit ihr eigener Müller dann Wasser<br />

hatte, wenn er es zum Betreiben seiner Mühle benötigte,<br />

oder wenn ihre eigenen im Bingenheimer Ried weidenden<br />

Herden mehr Wasser brauchten... Bingenheim lag flußaufwärts<br />

und konnte deswegen leicht den Wasserstand regulieren!<br />

Sie hörten allerdings auch von Beschwerden der<br />

Bingenheimer, Gettenauer und Heuchelheimer gegenüber<br />

dem <strong>Reichelsheim</strong>er Müller, der in nassen Jahreszeiten<br />

bzw. Jahren das Wasser gestaut haben soll, wodurch die<br />

Horloff die Wiesen im Bingenheimer Ried noch stärker<br />

überschwemmten bzw. dem Bingenheimer Müller das<br />

Mahlen des Kornes wesentlich erschwert wurde. Auch<br />

wurde ihm vorgeworfen, unerlaubte Veränderungen<br />

(Erhöhung des Wehres) durchgeführt zu haben!<br />

Die Kinder hörten aus den Gesprächen der Erwachsenen<br />

in diesem Zusammenhang auch, wie schlecht Ortschaften<br />

wie Dorn-Asscnheiın dran waren. Dieser Nachbarort<br />

hatte durch Brunnen zwar genügend Wasser zur<br />

Versorgung von Menschen und Vieh. Aber Dorn-Assenheim<br />

hatte keinen großen Bach oder kleinen Fluß! Und<br />

deswegen hatten sie nicht genügend Wiesen zur Versorgung<br />

des Vichs mit Heu, vor allem aber hatten sie keine<br />

Mühle. Da auch dieser Ort ein recht isolierter Herrschaftsbereich<br />

war, zudem durch den katholischen Glauben von<br />

dem protestantischen Umfeld abgeschlossen, hatten die<br />

Bewohner Schwierigkeiten, Mehl aus ihrem Ernteertrag zu<br />

gewinnen. Erst durch Beschluß der Adelsherrschaftcn von<br />

<strong>Reichelsheim</strong> und Dorn-Assenheim wurde der <strong>Reichelsheim</strong>er<br />

Müller verpflichtet, auch das Getreide des Nachbarortes<br />

zu mahlen. Wenn die Horloff genügend Wasser<br />

führte, hatten auch er und die <strong>Reichelsheim</strong>er Bauern<br />

nichts dagegen einzuwenden. Aber wenn nicht?<br />

Die Kinder hörten auch davon, wie abhängig die<br />

Handwerker von der _jewciligcıı Wirtsehaftssituation in<br />

der Stadt waren: Gab es eine Mißernte, ließen die Bauern<br />

ihre Scheune nicht durch die Zimmerleute ausbessern;<br />

hatte der Zimmermann keine Arbeit und damit<br />

Verdienst, so konnte er für sich und seine Familie keine<br />

Schuhe beim Schuhmacher bestellen; hatte der Schuhmacher<br />

keine Aufträge, konnte er sich keinen neuen Kittel<br />

beim Schneider machen lassen.. _<br />

Die Kinder lernten durch all dies von klein aufdie Bedeutung<br />

von Wind, Regen, Schnee, Sonne, Trockenheit<br />

kennen. Sie lernten die Abhängigkeit der Menschen von<br />

den Einflüssen der Natur kennen -lernten aber auch für<br />

ihren Vorteil zu kämpfen. .!<br />

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