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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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gen, um etwas Trost zu sagen. Gerade kam sie von ihrem<br />

Besuche die Straße herauf, als 2 Schutzpolizisten in<br />

schnellem Tempo auf einem Motorrad anfuhren. Der<br />

Soziusfahrer, der mir persönlich bekannt war, schwang<br />

seinen Gummiknüppel. Ich lief hinaus und ging mit ihnen<br />

in den Hof des Bürgermeisters. Der eine Schupo<br />

sprang in das Auto des O. P. und stellte den Motor an.<br />

Das Auto sollte abtransportiert werden. Inzwischen hatte<br />

sich draußen in der Kirchgasse vor der Bürgermeisterei<br />

eine Menge erregter Menschen eingefunden, die den<br />

Abtransport des Autos nicht zugeben wollte. Als der<br />

Bürgermeister das Tor öffnete und einen Wagen herausschob,<br />

schrie die Menge auf ihn ein. Die 2 Schupobeamten<br />

und der Bürgermeister zogen sich bald darauf in das<br />

Haus zurück, denn sie sahen ein, daß gegen diese Hunderte<br />

von Menschen sich nichts ausrichten ließ. Um nun<br />

den Abtransport des Autos gänzlich unmöglich zu machen,<br />

wurden aus den umliegenden Bauernhöfen Wagen,<br />

Pflüge, dicke Holzbalken, Steine u. a. m. herbeigeschafft<br />

und die Kirchgasse beiderseitig gesperrt.<br />

Inzwischen hatten die Schupobeamten von dem Bürgermeisteramt<br />

aus telefonisch ein Überfallkommando<br />

herbeigerufen. Ehe es ankam, hatten mutige junge Leute<br />

eine Hakenkreuzfahne herbeigeschafft und zuerst auf<br />

einer Linde auf dem Kirchplatz dann aber droben am<br />

höchsten Fenster des Kirchturms gehißt.<br />

Da ertönten auch schon laute Rufe: „Das Überfallkommando<br />

kommtl“ Es wurde mit dem Horst-Wessel-<br />

Lied und „Heil-Hitlerl“-Rufen empfangen. Ängstliche<br />

waren schon in die Seitenstraßen geflüchtet. Ich stand<br />

auf dem Kirchplatz. Das große, grüne Schupo-Auto<br />

hielt! Über 20 Uniformierte sprangen ab. Kommandorufe<br />

der beiden Schupooffiziere! Ein schnelles Ausrichten!<br />

Die Gewehrkammern wurden rasselnd aufgerissen,<br />

scharf geladen, die Gewehre geschultert, die Gummiknüppel<br />

gepackt! Und nun wird die Meute auf die begeisterte<br />

Menge losgelassen. Laute Pfui-Rufe ertönen! Nur<br />

langsam weichen die Reihen zurück. Dabei zeigt es sich,<br />

daß junge <strong>Reichelsheim</strong>er Mädchen furchtloser und mutiger<br />

sind als mancher starke Jüngling!<br />

Ein Ziel des Überfallkommandos hat indessen die<br />

Barrikaden beiseite geschafft und eine Gasse für das abzutransportierende<br />

Auto geschaffen. Dieses fuhr alsbald<br />

ab und wurde einigeWochen in Bad Nauheim sichergestellt.<br />

Bald darauf fuhr auch das Überfallkommando davon<br />

und bekam einige Abschiedsgrüße in Form von harten<br />

Chausseesteinen nachgesandt.<br />

Es war Abend geworden. Da schmettert ein Trompetensignal<br />

durch die Straßen. Die ganze Gemeinde wird<br />

zu einer öffentlichen Bürgerversammlung im Saale des<br />

Gasthofs ,Zur Post“ eingeladen. Man will nochmals Stellung<br />

nehmen zu dem aufregenden Ereignis des Nachmittags.<br />

Mehrere Sprecher verhehlen nicht ihre Erschütterung<br />

über das provozierende Verhalten der Schupo. Alle<br />

mahnen aber zu Ruhe, Einigkeit und Besonnenheit. Da<br />

dringt die Nachricht in den Saal, daß das Überfallkommando<br />

zum 2ten Male in der Kirchgasse erschienen sei.<br />

Da sprechen auch schon 2 Schupo-Offiziere beim Gastwirt<br />

vor. Nachdem die sich davon überzeugt haben, daß<br />

alles in Ruhe abläuft und keine Unruhen mehr zu befürchten<br />

sind, rückt das Überfallkommando ab in seine<br />

Kaserne nach Butzbach.<br />

Hatte die marxistische Regierung geglaubt, durch die<br />

harten Maßnahmen dem Nationalsozialismus einen tödlichen<br />

Schlag zu versetzen, so hatte sie sich gewaltig<br />

getäuscht. Gerade die Vorkommnisse in <strong>Reichelsheim</strong><br />

führten der NSDAP am hiesigen Platze neue Freunde<br />

zu. Dies zeigt sich vortrefflich bei den Wahlen, bei<br />

denen die nationalsozialistische Stimmenzahl dauernd<br />

wächst.<br />

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