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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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9. b) Der erste große Krieg<br />

„Es lag im Laufe der letzten Jahre eine gewisse Kriegsstimmung<br />

auf den Völkern Europas. In der Gemeinde<br />

glaubte man nicht daran“, schrieb Pfarrer Vogel, jener<br />

Mann,<br />

- der 4 Jahre zuvor bei der Einweihung des Kriegerdenkmals<br />

dieses Bauwerk „den zukünftigen Geschlechtern<br />

als... heilige Mahnung unserem Vaterlande<br />

die Treue zu halten, Treue bis zum Tode und<br />

Liebe bis zum letzten Hauche“ vorstellte;<br />

- der bei gleicher Gelegenheit „an die deutschen Frauen<br />

und Jungfrauen“ die Bitte gerichtet hatte, „daß<br />

der echt deutsche Geist immer mehr die Leute erfasse<br />

und durchdringe“;<br />

- der dabei die Jugend an die Leistungen der Veteranen<br />

erinnerte, diese ihnen zum „leuchtenden Vorbild“<br />

empfahl, und sie aufforderte, im entscheidenden<br />

Moment wie jene 1870/71 nach der Parole „Sieg<br />

oder Todl“ dem Feind entgegenzustürmen (s. Kirchenbuch,<br />

S. 394/5).<br />

Um die Stimmung im damaligen <strong>Reichelsheim</strong> zu<br />

verdeutlichen, soll Pfarrer Vogel als wesentlicher Meinungsführer<br />

der Bürgerschaft zitiert werden<br />

(s.S.43lff.): „Als am 28. Juli (Dienstag) von Osterreich-Ungarn<br />

an Serbien der Krieg erklärt wurde, wurde<br />

die Spannung, die auf den Gemütern lag, entsetzlich. Da<br />

kam plötzlich die Entladung. Freitag, den 31. Juli, um<br />

6'/2 Uhr, traf uns dahier die Nachricht, daß der<br />

Kriegszustand über Deutschland<br />

verhängt worden sei. Es solle sofort öffentlich in der Gemeinde<br />

verkündet werden durch Trompetensignale oder<br />

Glockengeläute. Junge Männer eilten auf den Turm und<br />

läuteten alle Glocken. Die ganze Bewohnerschaft, auch<br />

die im Felde draußen, kamen, und am Rathaus wurde<br />

von Bürgermeister Karl Schmid die ernste Nachricht verlesen.<br />

Solch eine erschütternde Kunde konnten viele<br />

nicht glauben. Da erfolgte am Samstag, dem 1. August,<br />

auch um 6'/2 Uhr, die Verkündung der Mobilmachung.<br />

Die Leute, besonders die Wehrfähigen, sammelten sich<br />

wieder am Rathaus. Das Lachen war vielen vergangen.<br />

Manches blasse Gesicht kündete innere Kämpfe an. Eine<br />

Anzahl sagte: ,Bis Kirmeß sind wir wieder daheim“ (dem<br />

10. Oktober). Dr. Bun und ich sagten, daß dieser Krieg,<br />

wo wir so viele Feinde hätten, 1'/2 bis 2 Jahre dauern<br />

könnte, was niemand glauben wollte.<br />

Durch Anschlag am Rathaus setzte ich sofort auf<br />

Sonntag, den 2. August, einen Kriegsgottesdienst mit<br />

heiligem Abendmahl fest. ...Zum heiligen Mahl gingen<br />

65 Männer (Krieger) und 39 Frauen. Diesem ersten Todesmahl<br />

folgten am Mittwochabend um 9 Uhr wiederum<br />

71 Gäste in der Kriegsbetstunde, die von mir vom 5. August<br />

an regelmäßig gehalten wurde. Diese Kriegsbetstunden<br />

waren anfangs stets gut besetzt. . .<br />

Die seelische Not und Angst trieb in die Kirche. Am<br />

1. Kriegssonntag fanden 2 Kriegstrauungen statt. Die<br />

Ernte mußte heimgebracht werden. Die meiste Frucht<br />

stand noch auf dem Halm. Da mußte auch Sonntags<br />

gearbeitet werden, wie die Regierung befahl und viele<br />

taten.<br />

Unsere Bahnen (Eisenbahnen) liefen nur noch fürs<br />

Militär. Nur 1 Zug ging vormittags 9 Uhr und kam<br />

abends 9 Uhr zurück. Täglich fuhren unsere Krieger<br />

nach ihrem Gestellungsbefehl fort von uns. Ich begleitete<br />

die meisten bis Friedberg und ging zu Fuß heim. Man<br />

konnte aus Liebe zu seinem Vaterland alles.<br />

Es gab auch sehr herzpackende Szenen. Besonders<br />

war Mittwoch, der 5. August, für die meisten unserer<br />

Krieger der Abschiedstag. Sie alle versammelten sich an<br />

unserem Kriegerdenkmal um 1/2 9 Uhr. Der Musikverein<br />

spielte: ›Jesus, meine Zuversicht< und ›Mein Heiland ist<br />

im Leben

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