Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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en“, die die Arbeit ohne Fremdkräfte, ohne Knechte<br />
und Mägde, erledigen konnten.<br />
1865 wurden auf den ca. 80 Bauernstellen unseres Ortes<br />
noch 37 Knechte und 55 Mädge gezählt - eine Zahl,<br />
die nie wieder erreicht werden sollte.<br />
Foto der alten Dreschr*na_s'chine<br />
des Hermann Sprengel<br />
(Aufnahme aus dem Jahre I 9/2)<br />
Aber nicht nur die beginnende Modernisierung veränderte<br />
damals unseren Ort: Auch der Einzug von „Fabriken“<br />
führte zu Änderungen in der Sozial- und Wirtschaftsstruktur.<br />
Dureh eine „Zigarrenfabrik“ in der Untergasse<br />
(heute Florstädter Straße) gab es lohnabhängige<br />
Arbeiter, die aufgrund ihrer Arbeitsverhältnisse, ihrer<br />
geringen Entlohnung auch offen waren für sozialpolitische<br />
Gedanken, die den Landwirten und den Gewerbetreibenden<br />
fremd waren.<br />
Doch in <strong>Reichelsheim</strong> gab es keine Unruhen sozialer<br />
Art. Die Wahlen, ob Bürgermeister- oder Landtagswahlen,<br />
waren zwar hin und wieder „aufregend“, doch dabei<br />
standen stets lokale Gegebenheiten, Wünsche und Forderungen<br />
im Vordergrund des Interesses.<br />
Wie sehrzujener Zeit, als überall in deutschen Landen<br />
der soziale und wirtschaftliche Umbruch enorme Formen<br />
annahm, die <strong>Reichelsheim</strong>er zu der alten Ordnung,<br />
zu ilırem Fürstenhaus bejahend standen, das zeigt ein<br />
Schriftstück aus dem Archiv der Stadt, das sie „ihrem“<br />
Herzog Adolf 1864 zu dessen 25jährigem Regierungsjubiläum<br />
sandten. Dieses Schreiben ist nur verständlich,<br />
wenn man weiß, daß im Nassauischen Landtag große<br />
Unzufriedenheit mit der Politik des Herzogs und seiner<br />
Regierung herrschte, nachdem der Landtag mit seiner liberalen<br />
Mehrheit gefordert hatte, die Verfassung von<br />
1849 wieder in Kraft zu setzen (eine Verfassung, die wesentlich<br />
demokratischer war als jene, die der Herzog im<br />
Zuge der Restauration eingesetzt hatte), de_r Herzog diese<br />
Forderung allerdings mit der Auflösung des Parlaments<br />
beantwortet hatte.<br />
Herzog Adolf hoffte, durch große Jubiläumsfeste in allen<br />
Ämtern seines Reiches eine „Solidarisierung“ der<br />
Menschen mit seiner Person zu erreichen und damit den<br />
politisch Andersdenkenden den Boden zu entziehen.<br />
In <strong>Reichelsheim</strong> ging die Rechnung des Herzogs auf:<br />
Pfarrer Snell, dessen Großonkel 1814 brennende Reden<br />
zu den Themen „Deutschland“ und „Freiheit und<br />
Gleichheit“ gehalten hatte und der selbst von 1849 bis<br />
1851 im nachrevolutionären nassauischen Landtag in<br />
Wiesbaden Sitz und Stimme gehabt hatte, berichtete ausführlich<br />
über den Festablauf, der mit einem Fackelzug<br />
durch den ganzen Ort am Vorabend begann, am eigentlichen<br />
Festtag mit Gottesdienst, Festansprachen fortgesetzt<br />
und am Abend mit Musik und Tanz beendet wurde.<br />
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