Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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Für die Bewohner des nassauischen Amtes <strong>Reichelsheim</strong><br />
hatten die Kriege bald spürbare Folgen: Die<br />
Kriegskosten des Fürstentums mußten auch die hiesigen<br />
Bürger mittragcn, wie Rechnungen aus dem Jahre 1793<br />
belegen. Außerdem mußten auch die <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
verstärkt Heeresdienst leisten, und das sollte für die<br />
kommenden zwanzig Jahre „zur Gewohnheit“ werden.<br />
Junge Burschen aus unserem Ort wurden eingezogen,<br />
gedrillt und dann entweder unter nassauischem Kommando<br />
oder unter dem eines gut zahlenden Verbündeten<br />
in den verschiedensten Winkeln Deutschlands und Europas<br />
in den Kampf geschickt.<br />
Weil sich die Staaten Deutschlands im Kampf gegen<br />
Frankreich nicht verbündcten - zu sehr waren Preußen<br />
und Österreich noch durch die Politik um die Vorherrschaft<br />
in Deutschland verfeindet -, konnte sich das revolutionäre<br />
Frankreich ohne große Gefahr nach Osten ausdehnen.<br />
Doch der mittlerweile herrschende Napoleon<br />
versuchte, aus seinen Feinden abhängige Freunde zu machen:<br />
Unter seinem Einfluß wurden die geistlichen Fürstentümer<br />
sowie die Bcsitztümer der Klöster aufgelöst<br />
und den weltlichen Fürstentümern, die an Frankreich<br />
Gebiete abtreten mußten, zur Entschädigung übereignet.<br />
1801 wurden sich auch die Fürsten von Nassau-Usingen<br />
und Nassau-Weilburg mit Napoleon in Paris einig:<br />
Bedeutende Teile des Erzbistums Mainz wurden gewonnen,<br />
so z. B. Höchst, Kronberg, Trier und Limburg/L.<br />
Um diese geographische Neuordnung „reibungslos“<br />
für die neugewonnenen katholischen Untertanen im<br />
evangelischen Nassau abzuwickeln, wurde der noch immer<br />
bestehende „Religionsbann“ aufgehoben: Die alte<br />
Idee der Einheit von weltlichem Staat und religiösem Bekenntnis<br />
wurde damit Teil der Geschichte. Die Freiheit<br />
der Religionsausübung, die Glaubensfreiheit, wurde<br />
offiziell weitestgehend Wirklichkeit.<br />
Die Aufhebung des Religionsbannes in Nassau machte<br />
es dann auch möglich, daß im Rahmen des „Reichsdeputationshauptschlusses“<br />
das dem Grafen Schönborn gehörende<br />
Dorn-Assenheim zum nassauischen Amt <strong>Reichelsheim</strong><br />
geschlagen wurde, so daß nunmehr dem Amt<br />
<strong>Reichelsheim</strong> zwei Dörfer unterstellt waren: eben <strong>Reichelsheim</strong><br />
und Dorn-Assenheim. Die Nassauer verfügtcn<br />
damit über eine ausgedehntere Kornkammer in der<br />
goldenen Wetterau!<br />
In diesen Maßnahmen zur Neuordnung Deutschlands<br />
wurde der Wille Napoleons deutlich, nicht nur die geistlichen<br />
Fürstentümer zu „säkularisieren“, sondern auch die<br />
kleinen und kleinsten Grafschaften zu „mediatisieren“.<br />
Somit entstanden kompaktere Mittelstaaten im Westen<br />
Deutschlands, die handlungsfähig und wirtschaftlich<br />
stärker sein sollten, die aber Frankreich als einzelne<br />
nicht gefährlich werden konnten.<br />
Die Nassauer erhielten noch eine weitere Erhöhung:<br />
Unter der Voraussetzung, daß sich die zwei nassauischen<br />
Fürstentümer Nassau-Weilburg und Nassau-Idstein „für<br />
alle Zeiten“ vereinigten, wurde ihnen die Herzogswürde<br />
verliehen. Der jeweilige Herzog von Nassau führte nun<br />
gar die „Fürstenbank“ der adligen Reichststände an -<br />
eine Auszeichnung, die schmeichelte.<br />
Napoleon hatte aber mit diesem sogenannten Reichsdeputationshauptschluß<br />
von 1803 und mit seinen anderen<br />
Entscheidungen nicht nur Gefälligkeiten verteilt.<br />
Vielmehr verlangte er Wohlwollen Frankreich gegenüber<br />
- und zwar mehr Wohlwollen ihm gegenüber als „jenem<br />
deutschen Kaiser“ im fernen Wien!<br />
Und drei Jahre später leitete er den nächsten Schritt<br />
ein, der Deutschland verändern sollte: Nach einem erneuten<br />
Krieg Österreich-Ungarns gegen Frankreich, wobei<br />
die süddeutschen Staaten sich nicht mehr zu einem<br />
Bündnis gegen Frankreich entscheiden konnten, wurde<br />
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