Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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In jenen Jahren der inneren Zerrissenheit der Menschen,<br />
der tiefen Verunsicherung, der Antwortlosigkeit<br />
auf all das, was den Menschen zustieß bzw. seit Beginn<br />
des Jahrhunderts zugestoßen war, begann neben den<br />
Versuchen, Unglück und Krankheit im Wirken des Teufels<br />
und seiner menschlichen Helfer, der Hexen und Hexenmeister,<br />
zu sehen, auch das Bemühen, die ersten Erkenntnisse<br />
der neuen Naturwissenschaften in herrschaftliche<br />
Verordnungen umzusetzen. Sie zeigen uns in besonderem<br />
Maße das Hin- und Hergerissensein zwischen<br />
Verstand und Aberglauben.<br />
Im <strong>Reichelsheim</strong>er Kirehenbuch hielt Pfarrer Frankenfeld<br />
eine dieser Verordnungen fest. Zusammen mit<br />
einer Einleitung können wir lesen (s. S. 107/108):<br />
„Merkwürdig ist noch eine Verordnung von diesem<br />
Jahr (1666) wegen einreißender Krankheit, nachdem in<br />
Erfahrung gebracht werden war, daß in der Nachbarschaft<br />
hitzige Krankheiten und auch die Pest ausgebrochen<br />
sei. Die wesentlichen Punkte sind:<br />
›l. Soll, um den Zorn Gottes zu besänftigen, der Gottesdienst<br />
regelmäßig gehalten werden an Sonn- und<br />
Werktagen. Dabei soll auf die Zeitereignisse in der<br />
Predigt Rücksicht genommen und die gegen die unfleißigen<br />
Kirchgänger auf der Kirchen-Censur verfahren<br />
werden;<br />
2. sollen alle Tänze, Kirchweihen, Märkte usw. eine<br />
Zeit lang gänzlich aufhören;<br />
3. sollen alle Bürger für Reinliehkeit in den Häusern<br />
wie auf den Straßen sorgen, Kloaken und Winkel<br />
fegen, für Abfluß des Wassers sorgen und totes<br />
Vieh bei Seite schaffen:<br />
sollen alle mäßig sein im Essen und Trinken, alles<br />
Steinobst meiden - zu Markt gebracht soll es aufgeschnitten<br />
werden (wahrscheinlich der Würmer wegen):<br />
feinen Wein trinken und Fleisch von gesundem<br />
Vieh essen:<br />
soll jeder zu Hause bleiben; wo er aber auf andere<br />
Orte und Dörfer gehe, sich vorher Erlaubniß holen,<br />
solche Orte jedoch, wo die Krankheit herrschet,<br />
ganz vermeiden bei Strafe einer 2-ınonatigen Landesverweisung;<br />
gleiche Strafe soll die treffen, welche Fremde oder<br />
Verwandte von solchen Orten bei sich aufnehmen;<br />
sollen die Beamten Ärzte und Balbären (= Rasierer,<br />
Friseure, Heilkundige) bestellen, die zu den<br />
Kranken gehen und diese sollen, wann sie unverrnögende<br />
Kranke behandeln, aus der Gemeindekasse<br />
bezahlt werden;<br />
sollen die Kranken sich einhalten, ihre Häuser bezeichnet<br />
werden und besondere Leute als Wärter<br />
bestellt werden, die nur allein zu denselben gehen<br />
dürfen;<br />
sollen die Todten bei Nacht und im Stillen hinaus<br />
gefahren, auch recht tief begraben werden, wenn<br />
sie von der Krankheit befallen waren:<br />
sollen Bettung nicht im Orte aufgelüftet, Weißzeug<br />
der Kranken nicht in den gemeinen Bächen ausgewaschen<br />
werden;<br />
sollen die Leute aus benachbarten Orten gegen billige<br />
Belohnung den Leuten an den inficierten Orten<br />
die Frucht schneiden und aufhäufen;<br />
soll man sich die Heilmittel bei Zeiten und zur Vorsorge<br />
anschaffen _