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Die wissenschaftliche Begleitung des Stuttgarter Kinderhauses ...

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Anbieter und Nutzer: Ein Funktions- und Organisationssystem im Spannungsverhältnis<br />

war auch schockiert, als ich gesagt habe nach sechs Monaten, dass ich weiterhin<br />

arbeiten will und ... so erlebe ich auch meine Umgebung, dass die das Gefühl haben,<br />

eine Mutter hat daheim zu bleiben, wenn sie ein Kind in die Welt gesetzt<br />

hat. So erlebe ich es.“ (Frau Esser, ZN 381-388)<br />

Entscheidend ist an dieser Stelle nicht, dass es diese Einstellungen gibt,<br />

denn Eltern sollen heute selbst entscheiden können, welches Familienmodell<br />

sie leben möchten. Aber dass Frau Esser es als diskriminierend erlebt,<br />

wenn eine Mutter sich bei einem Kind unter drei Jahren für eine Erwerbstätigkeit<br />

und damit außerfamiliale Betreuung entscheidet, konterkariert die öffentlich<br />

propagierte Wahlfreiheit für Eltern. Verbunden mit dem kritischen<br />

Blick auf die Mütter ist die Entstehung von Vorurteilen und vorschnellen<br />

Bewertungen, die insbesondere Frau Bauer als Belastung erfährt.<br />

„Für uns ist es auch schwierig, wenn ich jetzt einen Zettel kriege: ‚Nächste Woche<br />

am Mittwoch ist ein Elternkaffee.’ Thema würde mich vielleicht interessieren, aber<br />

nächste Woche Mittwoch habe ich halt einen <strong>Die</strong>nst. Und es ist halt für mich sehr<br />

schwer das wegzutauschen und man kommt dann eben auch ganz schnell so in diese<br />

Rolle der <strong>des</strong>interessierten Mutter. Aber ich glaube, das ist einfach, weil sich<br />

niemand dafür interessiert: ‚Was steckt dahinter?’ Ja, das versteht keiner.“ (Frau<br />

Bauer, ZN 164-171)<br />

Trotz der bewussten Entscheidung für Familie und Beruf, den damit<br />

verbundenen positiven Effekten in ihrem Alltag – die Bestätigung bei der<br />

Arbeit und Freude am Beruf – taucht bei den Müttern immer wieder das<br />

„schlechte Gewissen“ auf. Fällt das Kind in irgendeiner Form negativ auf,<br />

so werden vom sozialen Umfeld der Befragten auch gleich Bezüge zur mütterlichen<br />

Erwerbstätigkeit hergestellt. Interessanterweise spielen die Väter,<br />

deren Präsenz und Verantwortung für ihre Kinder, keine Rolle.<br />

„Auch weil wir viele Bekannte haben oder eigentlich alle Bekannte, die wir haben<br />

mit Kind, sind zu Hause. <strong>Die</strong> sind einfach zu Hause. Und selbst da merkt man,<br />

wenn man halt sagt: ‚Och Gott, der Oliver, jetzt ist es halt mal wieder ein ganz<br />

schlechter Tag gewesen heute.’ ‚Ha, meinst nicht, dass du zu viel schaffst?’ Also es<br />

kommt halt doch immer mal wieder.“ (Frau Bauer, ZN 220-225)<br />

<strong>Die</strong> Gleichberechtigung von Frau und Mann, die damit verbundenen<br />

Rollen in Familie und Beruf sowie Verantwortungsbereiche beider Elternteile<br />

für ihre Kinder – das Thema bleibt gesellschaftspolitisch relevant. Nicht<br />

alle Verweise in den Interviews können an dieser Stelle benannt werden, aber<br />

es lässt sich ganz klar herausarbeiten, dass im Wesentlichen die Mütter<br />

die Verantwortung für ihre Kinder, die Organisation von deren Alltag zwischen<br />

Kinderhaus, Schule, Freizeitaktivitäten und Freunden übernehmen.<br />

Neben den Effekten, die dies für eigenes Erleben der Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf bzw. Freiräumen außerhalb dieses Spannungsfel<strong>des</strong> hat,<br />

beeinflussen negative Haltungen im Umfeld der Familien die Inanspruchnahme<br />

bzw. eher die Nicht-Inanspruchnahme der Angebote im Kinderhaus.<br />

„Also wir haben das im Kinderhaus jetzt auch schon mitbekommen, dass viele<br />

Eltern dann sagen: ‚Oh, da habe ich ein schlechtes Gewissen, das kann ich nicht<br />

machen, auch noch abends noch mal zwei Stunden’ oder so. Das machen auch vie-<br />

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