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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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Es kostete mich viele Liebkosung<strong>en</strong>, bis ich sie überzeugte, vor Einbruch <strong>de</strong>r Nacht<br />

nach Münch<strong>en</strong> zurückzukehr<strong>en</strong>. Nach einer lei<strong>de</strong>nschaftlich<strong>en</strong> Verabschiedung, die<br />

ich nie vergess<strong>en</strong> wer<strong>de</strong>, nahm meine letzte, gute, <strong>de</strong>utsche Freundin mit Trän<strong>en</strong> in<br />

<strong>de</strong>n Aug<strong>en</strong> <strong>de</strong>n Zug zurück.<br />

An j<strong>en</strong>em Nachmittag traf<strong>en</strong> wir die Vorbereitung<strong>en</strong> für die riskante Reise. Wir zog<strong>en</strong><br />

die alt<strong>en</strong> Uniform<strong>en</strong> und die Stiefel an, setzt<strong>en</strong> die Mütz<strong>en</strong> auf und war<strong>en</strong> bereit, die<br />

Rolle disziplinierter Soldat<strong>en</strong> einzunehm<strong>en</strong> und <strong>de</strong>n <strong>en</strong>tsprech<strong>en</strong><strong>de</strong>n Gruß<br />

auszuführ<strong>en</strong>, falls ein Offizier auftauchte.<br />

Zum Glück sah<strong>en</strong> wir kein<strong>en</strong>. Der Zug war fast leer. Wir setzt<strong>en</strong> uns in ein Abteil und<br />

fingiert<strong>en</strong> völlige Gelass<strong>en</strong>heit. Obwohl wir nicht sehr gläubig war<strong>en</strong>, betet<strong>en</strong> wir<br />

inbrünstig für das Geling<strong>en</strong>. Der Zug fuhr langsam an, aber nach und nach begann er,<br />

auf <strong>de</strong>n Schi<strong>en</strong><strong>en</strong> zu flieg<strong>en</strong>. Schließlich hört<strong>en</strong> wir das gefürchtete, aber erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Wort »Reisepass!« aus <strong>de</strong>m Mund <strong>de</strong>s Inspektors, <strong>de</strong>r dann unsere Militärausweise<br />

eingeh<strong>en</strong>d betrachtete; das Schweig<strong>en</strong> wur<strong>de</strong> zur Ewigkeit. Als er »bon« sagte,<br />

begann<strong>en</strong> wir wie<strong>de</strong>r zu atm<strong>en</strong>.<br />

Von da an beschränkte sich <strong>de</strong>r nächste Schritt gemäß <strong>de</strong>r erhalt<strong>en</strong><strong>en</strong> Instruktion<strong>en</strong><br />

darauf, die Uniform<strong>en</strong> zusamm<strong>en</strong> mit <strong>de</strong>n falsch<strong>en</strong> Papier<strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m F<strong>en</strong>ster zu<br />

werf<strong>en</strong>. Der Plan funktionierte perfekt. In Straßburg besorgte ich eilig die Fahrkart<strong>en</strong><br />

nach Paris, währ<strong>en</strong>d Boris sich um die Sitzplätze und das Gepäck kümmerte. Nach<br />

dieser <strong>en</strong>orm<strong>en</strong> Leistung hatt<strong>en</strong> wir uns eine Pause verdi<strong>en</strong>t.<br />

Die eig<strong>en</strong>tliche Unbekannte war Paris, und wir war<strong>en</strong> ziemlich begierig darauf, sie zu<br />

<strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>. Dort angekomm<strong>en</strong>, flüchtet<strong>en</strong> wir uns in ein kleines lausiges Hotel, in <strong>de</strong>r<br />

Rue <strong>de</strong> Belleville 315, das ich nie vergess<strong>en</strong> wer<strong>de</strong>. Wir berücksichtigt<strong>en</strong> zu<strong>de</strong>m eine<br />

Warnung, nämlich es zu vermei<strong>de</strong>n, auf <strong>de</strong>r Straße von <strong>de</strong>r Polizei i<strong>de</strong>ntifiziert zu<br />

wer<strong>de</strong>n, bevor wir freiwillig als Flüchtlinge bei <strong>de</strong>n Einwan<strong>de</strong>rungsbehör<strong>de</strong>n<br />

vorgesproch<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>. Ich hatte g<strong>en</strong>üg<strong>en</strong>d Zeit, um die Version zu wie<strong>de</strong>rhol<strong>en</strong>, die<br />

ich vorbereitet hatte. Ich erzählte <strong>de</strong>m zuständig<strong>en</strong> Wachtmeister, dass wir uns in <strong>de</strong>r<br />

Dunkelheit über die Gr<strong>en</strong>ze geschleppt hatt<strong>en</strong>, um nicht <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckt zu wer<strong>de</strong>n, und dass<br />

wir von Straßburg aus im Zug nach Paris gekomm<strong>en</strong> war<strong>en</strong>. Zum Beweis meiner<br />

Aussage zeigte ich die Fahrkart<strong>en</strong> vor. Es bereitete mir Unbehag<strong>en</strong> zu erzähl<strong>en</strong>, dass<br />

wir am Gr<strong>en</strong>zübergang die Papiere verlor<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, wie man uns angewies<strong>en</strong> hatte. Es<br />

war off<strong>en</strong>sichtlich, dass die Schlitzohr<strong>en</strong> alles bis ins letzte Detail überprüft<strong>en</strong>. Zum<br />

Glück war<strong>en</strong> uns die Ing<strong>en</strong>ieursdiplome geblieb<strong>en</strong>. »Sie hab<strong>en</strong> also keine Reisepässe<br />

und Ausweise?«, fragte er. »So ist es, Herr Wachtmeister.« Er führte uns zu seinem<br />

Vorgesetzt<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r g<strong>en</strong>au dieselbe Geschichte aus meinem Mund hörte. Dann schloss<strong>en</strong><br />

sie uns bis zum Nachmittag in ein Zimmer ein. Wir war<strong>en</strong> es mü<strong>de</strong>, zu wart<strong>en</strong> und<br />

Boris fragte ungeduldig, ob wir verhaftet sei<strong>en</strong>. »Kann sein, kann aber auch nicht<br />

sein«, erwi<strong>de</strong>rte ich ihm zwei<strong>de</strong>utig. »Aber w<strong>en</strong>n es so wäre, hätt<strong>en</strong> wir das Ess<strong>en</strong><br />

gesichert, was für uns im Mom<strong>en</strong>t <strong>en</strong>tschei<strong>de</strong>nd ist.« Boris konnte die schlechte Laune<br />

nicht verhehl<strong>en</strong>, die meine Ruhe bei ihm hervorrief.<br />

Fünf Stun<strong>de</strong>n musst<strong>en</strong> wir in j<strong>en</strong>em Büro verharr<strong>en</strong>, bis die Polizei die Formalität<strong>en</strong><br />

abgeschloss<strong>en</strong> hatte, um uns freizulass<strong>en</strong>. In Paris wur<strong>de</strong>n die Leb<strong>en</strong>smittel nicht<br />

rationiert, aber die Preise war<strong>en</strong> unerreichbar für uns. Wir aß<strong>en</strong> Baguette<br />

(»Flöt<strong>en</strong>brot«), das wir neb<strong>en</strong> seinem köstlich<strong>en</strong> Geschmack weg<strong>en</strong> seines Nam<strong>en</strong>s<br />

und seiner Form ulkig fan<strong>de</strong>n. Dieses »M<strong>en</strong>ü« run<strong>de</strong>t<strong>en</strong> wir manchmal mit einer<br />

Flasche Wein auf, <strong>de</strong>r erschwinglich war. Zu je<strong>de</strong>m Biss<strong>en</strong> trank<strong>en</strong> wir ein<strong>en</strong> Schluck.<br />

Eine Flasche reichte uns für zwei Tage.<br />

Einige Monate lang musst<strong>en</strong> wir mit provisorisch<strong>en</strong> Papier<strong>en</strong> auskomm<strong>en</strong>, bis sie uns<br />

schließlich die begehrt<strong>en</strong> Titre D’I<strong>de</strong>ntité et <strong>de</strong> Voyage Nr. H.K. 95.386 vom<br />

14.11.1947 aushändigt<strong>en</strong>. Der Ausweis sah komisch aus: Eine doppelseitige, zehnmal

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