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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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<strong>en</strong>tfloh<strong>en</strong>er Sträfling. Ich blieb steh<strong>en</strong>, um nachzu<strong>de</strong>nk<strong>en</strong>. Zum Glück hörte ich<br />

Schritte in <strong>de</strong>r Nähe und ging verzweifelt darauf zu. Die Vorstellung, sie wür<strong>de</strong>n<br />

wie<strong>de</strong>r verschwin<strong>de</strong>n, erschreckte mich. Als ich <strong>en</strong>dlich eine Gestalt ausmachte,<br />

ordnete ich meine Frag<strong>en</strong>, näherte mich <strong>de</strong>r Person und fragte: »Wohin Z<strong>en</strong>trum?« Der<br />

nächtliche Fußgänger schi<strong>en</strong> ein Arbeiter zu sein. Er hörte sich geduldig meine Frage<br />

an, und ohne ein Wort zu sag<strong>en</strong>, erhob er seine Hand, in die ungefähre Richtung<br />

zeig<strong>en</strong>d, und ging weiter seines Weges.<br />

Ich schöpfte erst einmal Atem. Es war zwei Uhr morg<strong>en</strong>s. Ich stolperte in <strong>de</strong>r<br />

Dunkelheit, hielt an, ruhte mich aus und ging weiter. Meine Füße konnt<strong>en</strong> nicht mehr.<br />

Endlich stieß ich auf eine Allee, die mich ins Z<strong>en</strong>trum führte. Auf einem klein<strong>en</strong> Platz<br />

setzte ich mich auf eine Bank, um auszuruh<strong>en</strong>. Ich begann zu zittern, weil ich nicht<br />

warm g<strong>en</strong>ug angezog<strong>en</strong> war. Aber das Glück verließ mich nicht. Ich traf ein<strong>en</strong><br />

freundlich<strong>en</strong> Deutsch<strong>en</strong>, eine absolute Selt<strong>en</strong>heit in j<strong>en</strong>er Ecke Deutschlands, in <strong>de</strong>m<br />

vorwieg<strong>en</strong>d Preuß<strong>en</strong>, kalte und mürrische Leute, lebt<strong>en</strong>. Ich gab ihm zu versteh<strong>en</strong>, wo<br />

ich wohnte. »Gut, gut«, sagte <strong>de</strong>r lieb<strong>en</strong>swürdige Deutsche und begleitete mich einige<br />

Häuserblocks, zeigte auf die Schi<strong>en</strong><strong>en</strong> <strong>de</strong>r Straß<strong>en</strong>bahn, die ich nehm<strong>en</strong> müsste. Ich<br />

drückte ihm meine Dankbarkeit aus, und als er sich <strong>en</strong>tfernte, lief ich ihm hinterher.<br />

»Entschuldig<strong>en</strong> Sie, mein Herr, möcht<strong>en</strong> Sie eine bulgarische Zigarette?« Natürlich.<br />

Er dankte mir die Geste höchst zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Am nächst<strong>en</strong> Tag besuchte ich ein<strong>en</strong> Kolleg<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r in Braunschweig studierte, damit<br />

er mich über das Studium und das Leb<strong>en</strong> in Deutschland im Krieg ins Bild setzte. Ich<br />

nutzte die Geleg<strong>en</strong>heit, um weg<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Abwes<strong>en</strong>heit <strong>de</strong>r Polizei in <strong>de</strong>n Straß<strong>en</strong> zu<br />

frag<strong>en</strong>. In <strong>de</strong>r Comsomol hatt<strong>en</strong> sie mich belehrt, dass Deutschland voll war mit <strong>de</strong>r<br />

verdammt<strong>en</strong> Gestapo, und es stellte sich heraus, dass ich sie nie sah, selbst dann nicht,<br />

als ich sie am meist<strong>en</strong> brauchte.<br />

»Eine Sache ist die Propaganda«, sagte er, »und die an<strong>de</strong>re die Realität. Deutschland<br />

war nie voller Polizei. Allerdings: Die einzig<strong>en</strong>, die hier einem Polizist<strong>en</strong> begegn<strong>en</strong>,<br />

sind die, die vor ihr flücht<strong>en</strong>. Man darf keinerlei Angst hab<strong>en</strong>. Die ausländisch<strong>en</strong><br />

Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong> erk<strong>en</strong>n<strong>en</strong> sie von weitem. Sie lass<strong>en</strong> uns in Ruhe. Auch w<strong>en</strong>n sie wiss<strong>en</strong>,<br />

dass unter uns einige marxistische Sympathisant<strong>en</strong> sind, geb<strong>en</strong> wir ihn<strong>en</strong> niemals<br />

Anlass zur Sorge. Außer<strong>de</strong>m wiss<strong>en</strong> die Nazis, dass viele <strong>de</strong>utsche Ing<strong>en</strong>ieure im Krieg<br />

fall<strong>en</strong> wer<strong>de</strong>n, wesweg<strong>en</strong> wir eine Möglichkeit darstell<strong>en</strong>, diese Leute zu ersetz<strong>en</strong>.<br />

Zu<strong>de</strong>m müsst<strong>en</strong> die Universität<strong>en</strong> dann ihre Pfort<strong>en</strong> nicht schließ<strong>en</strong>.« Vor <strong>de</strong>m Geh<strong>en</strong><br />

fragte ich ihn: »Und was ist mit <strong>de</strong>m offiziell<strong>en</strong> Heil-Hitler-Gruß?« – »In diesem<br />

Land«, antwortete er, »kann man ohne dies<strong>en</strong> Gruß nicht leb<strong>en</strong>, <strong>de</strong>shalb muss man ihn<br />

automatisch, ohne nachzu<strong>de</strong>nk<strong>en</strong>, mach<strong>en</strong>.« Als ich mich verabschie<strong>de</strong>t hatte und auf<br />

die Straße ging, dachte ich nach. Alle diktatorisch<strong>en</strong> Regimes wiss<strong>en</strong>, was di<strong>en</strong>lich für<br />

sie ist. Diese Unterhaltung war für mich von großem Nutz<strong>en</strong>, weil ich von diesem<br />

Zeitpunkt an nie mehr Angst vor <strong>de</strong>n Nazis hatte. Es erfüllte mich stets mit Stolz zu<br />

sag<strong>en</strong>, dass ich ein bulgarischer Stu<strong>de</strong>nt war. Tatsächlich hat mich in drei Jahr<strong>en</strong> in<br />

Deutschland mitt<strong>en</strong> im Krieg nie jemand angehalt<strong>en</strong>, um nach mein<strong>en</strong> Papier<strong>en</strong> zu<br />

frag<strong>en</strong>.<br />

In j<strong>en</strong><strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> studiert<strong>en</strong> dort in verschie<strong>de</strong>n<strong>en</strong> Studi<strong>en</strong>gäng<strong>en</strong> mehr als zehntaus<strong>en</strong>d<br />

bulgarische Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong>, die größt<strong>en</strong>teils aus beschei<strong>de</strong>n<strong>en</strong> Verhältniss<strong>en</strong> stammt<strong>en</strong>, wie<br />

das bei mir <strong>de</strong>r Fall war. Diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong>, die wohlhab<strong>en</strong><strong>de</strong> Famili<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, studiert<strong>en</strong>,<br />

w<strong>en</strong>n sie nicht auf die Universität von Sofia geh<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong> (weil es <strong>de</strong>n Numerus<br />

Clausus, also eine limitierte Quote gab), an sicherer<strong>en</strong> Ort<strong>en</strong> wie Itali<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Frankreich, auch w<strong>en</strong>n sie sehr teuer war<strong>en</strong>.<br />

In Deutschland mangelte es an viel<strong>en</strong> Produkt<strong>en</strong>, für die die Deutsch<strong>en</strong> selbst eine<br />

gewisse Schwäche hatt<strong>en</strong>: Eine Zigarette kostete 50mal mehr als in meiner Heimat.

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