Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas
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DIE GEFÄHRLICHE GROSSE ODYSSEE<br />
Die Bomb<strong>en</strong>angriffe war<strong>en</strong> todbring<strong>en</strong>d, grausam und unerträglich. Aus Angst um ihr<br />
Leb<strong>en</strong> war<strong>en</strong> viele Kolleg<strong>en</strong> in ihre Heimat aufgebroch<strong>en</strong>. Obwohl Ursula mich<br />
immer noch zurückhielt, schwächt<strong>en</strong> eine Reihe von Umstän<strong>de</strong>n mein<strong>en</strong> Will<strong>en</strong>, dort<br />
zu bleib<strong>en</strong>: <strong>de</strong>r klägliche Zustand <strong>de</strong>r Hochschule, die zerstört<strong>en</strong> Eis<strong>en</strong>bahnlini<strong>en</strong> (das<br />
einzige Transportmittel, um nach Münch<strong>en</strong> zu komm<strong>en</strong>, weil es auch weg<strong>en</strong> <strong>de</strong>s<br />
fehl<strong>en</strong><strong>de</strong>n Br<strong>en</strong>nstoffs keine Omnibuslini<strong>en</strong> mehr gab) und zusätzlich die Gefahr <strong>de</strong>r<br />
überrasch<strong>en</strong><strong>de</strong>n Luftangriffe. Überdrüssig, mich um mein Leb<strong>en</strong> zu sorg<strong>en</strong>, packte ich<br />
eines Tages meine Koffer und beschloss, mit <strong>de</strong>m erst<strong>en</strong> international<strong>en</strong> Zug zu<br />
reis<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r aus Paris käme. Mit meinem schwer<strong>en</strong> Gepäck (Taxis gab es nicht) und<br />
unter großer Anstr<strong>en</strong>gung kam ich spät am Bahnhof an. Da ich aus <strong>de</strong>m Verkauf von<br />
Zigarett<strong>en</strong> über g<strong>en</strong>üg<strong>en</strong>d Geld verfügte, hatte ich zum erst<strong>en</strong> und letzt<strong>en</strong> Mal eine<br />
Fahrkarte für die luxuriöse Zweite Klasse gekauft, die es noch aus <strong>de</strong>r Vorkriegszeit<br />
gab.<br />
Der Zug war voller Leute, die ihr Leb<strong>en</strong> rett<strong>en</strong> wollt<strong>en</strong>, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Ori<strong>en</strong>t-Express<br />
Richtung Ost<strong>en</strong> nahm<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r über Münch<strong>en</strong>, Wi<strong>en</strong>, Budapest, Belgrad und Sofia nach<br />
Istanbul fuhr. Da ich spät kam, war <strong>de</strong>r Zug völlig überfüllt mit Leut<strong>en</strong>, die keine<br />
Rücksicht auf die Klasse nahm<strong>en</strong>. Er war kurz davor, abzufahr<strong>en</strong>. Einige Kolleg<strong>en</strong><br />
half<strong>en</strong> mir, und nach<strong>de</strong>m sie das Gepäck über die F<strong>en</strong>ster hineingehob<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, zog<strong>en</strong><br />
sie mich an <strong>de</strong>n Arm<strong>en</strong> und ich lan<strong>de</strong>te auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Im Zug befan<strong>de</strong>n sich etwa 30<br />
bulgarische Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong>. Auf <strong>de</strong>r Strecke durch Österreich, Ungarn und <strong>de</strong>m<br />
unabhängig<strong>en</strong> Kroati<strong>en</strong> reist<strong>en</strong> wir ruhig, ohne Unannehmlichkeit<strong>en</strong>. Als wir jedoch<br />
nach Belgrad kam<strong>en</strong>, hielt <strong>de</strong>r Zug an. Wir wur<strong>de</strong>n unterrichtet, dass <strong>de</strong>r Express nicht<br />
nach Sofia weiterfahr<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>; dass die Eis<strong>en</strong>bahnlini<strong>en</strong> nicht sicher war<strong>en</strong>, weil sie<br />
nachts in Hän<strong>de</strong>n von Partisan<strong>en</strong> war<strong>en</strong> und tagsüber von <strong>de</strong>r <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Luftwaffe<br />
bombardiert wur<strong>de</strong>n. Wir richtet<strong>en</strong> uns ein, um die Nacht in <strong>de</strong>n Waggons <strong>de</strong>s<br />
verlass<strong>en</strong><strong>en</strong> Zuges zu verbring<strong>en</strong>. Am nächst<strong>en</strong> Morg<strong>en</strong> beschloss<strong>en</strong> etwa 20<br />
Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong>, auch die Mädch<strong>en</strong>, über Ungarn nach Deutschland zurückzukehr<strong>en</strong>.<br />
Wir restlich<strong>en</strong> Männer <strong>en</strong>tschie<strong>de</strong>n, die Reise in Richtung Heimat um je<strong>de</strong>n Preis<br />
fortzusetz<strong>en</strong>. In einer gefährlich<strong>en</strong> und romanhaft<strong>en</strong> Odyssee fuhr<strong>en</strong> wir in einem<br />
improvisiert<strong>en</strong> Zug mit w<strong>en</strong>ig<strong>en</strong> Wag<strong>en</strong>, hauptsächlich mit serbisch<strong>en</strong> Passagier<strong>en</strong><br />
und ein paar <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Soldat<strong>en</strong>, über Jugoslawi<strong>en</strong> weiter nach Sofia. Nach etwa 100<br />
Kilometer hielt <strong>de</strong>r Zug an einem Bahnhof auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> an. Plötzlich sah<strong>en</strong> wir,<br />
dass die erfahr<strong>en</strong><strong>en</strong> Soldat<strong>en</strong> aus <strong>de</strong>n Tür<strong>en</strong> und F<strong>en</strong>stern sprang<strong>en</strong> und sich in vollem<br />
Lauf vom Zug <strong>en</strong>tfernt<strong>en</strong>.<br />
Erst da vernahm<strong>en</strong> wir das Dröhn<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Flugzeuge, und bald darauf eröffnet<strong>en</strong> ihre<br />
Maschin<strong>en</strong>gewehre das Feuer auf uns. Entsetzt sprang<strong>en</strong> wir aus <strong>de</strong>m Zug. Ich lief mit<br />
all meiner Kraft, um mich zu versteck<strong>en</strong>. Als ich hörte, dass sich die Flugzeuge<br />
<strong>en</strong>tfernt<strong>en</strong>, merkte ich erst, dass ich mich in einem klein<strong>en</strong> Kohl<strong>en</strong>lager befand. Ich<br />
erinnerte mich, dass ich im Mom<strong>en</strong>t <strong>de</strong>r größt<strong>en</strong> Angst mein<strong>en</strong> Kopf in etwas<br />
verborg<strong>en</strong> hatte, das sich als Kohle herausstellte. Als ich aus <strong>de</strong>m Raum kam und<br />
mein Gesicht säuberte, sah ich ein<strong>en</strong> <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Soldat<strong>en</strong> mit einem Sack an einem<br />
Finger häng<strong>en</strong>d, <strong>de</strong>r in aller Ruhe fragte: »Wem gehört das?«. Es war meiner. Ich<br />
fragte ihn, wo er ihn gefun<strong>de</strong>n hätte. »Dort«, sagte er, auf <strong>de</strong>n Stacheldrahtzaun und<br />
die Pfost<strong>en</strong> mit scharf<strong>en</strong> Spitz<strong>en</strong> zeig<strong>en</strong>d. Ich begriff nicht, wie ich über solch ein<strong>en</strong><br />
gefährlich<strong>en</strong> Zaun gesprung<strong>en</strong> war. Ich erinnerte mich, dass ich das Gepäck im Wag<strong>en</strong><br />
gelass<strong>en</strong> und <strong>de</strong>n Sack über die Schultern gehängt hatte, aber <strong>de</strong>r Soldat bewies eine<br />
solidarische m<strong>en</strong>schliche Geste. Es war off<strong>en</strong>sichtlich, dass dieser Soldat kein<strong>en</strong>