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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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21<br />

VOM EIFRIGEN CHRISTEN<br />

ZUM FANATISCHEN MARXISTEN UND<br />

ATHEISTEN<br />

Trotz <strong>de</strong>r viel<strong>en</strong> Arbeit, die ich erledig<strong>en</strong> musste, war ich ein guter Schüler und<br />

außer<strong>de</strong>m ein eifriger Christ, <strong>de</strong>r davon träumte, Priester zu wer<strong>de</strong>n. Als Junge nahm<br />

mich meine arme Mutter mit in die Kirche, um inbrünstig kni<strong>en</strong>d zu bet<strong>en</strong>. Eb<strong>en</strong>so<br />

hielt sie sich str<strong>en</strong>g an das Fast<strong>en</strong> wie es die christlich-orthodoxe Kirche vorschrieb.<br />

Ich erinnere mich, wie ich meiner Mutter oft erzählte, dass ich mit Jesus Christus<br />

gesproch<strong>en</strong> hätte. Obwohl sie mir sagte, dass das eine Träumerei wäre, versicherte ich<br />

ihr, dass es die Wahrheit gewes<strong>en</strong> sei. Daher lernte ich eifrig, nachts im Schein eines<br />

Feuerzeugs, und be<strong>en</strong><strong>de</strong>te die Grundschule als bester Schüler; beim Verlass<strong>en</strong> <strong>de</strong>r<br />

Schule strahlte die Sonne glänz<strong>en</strong>d und hoffnungsvoll in mein<strong>en</strong> Trän<strong>en</strong>.<br />

Als ich jedoch in das orthodoxe Seminar eintret<strong>en</strong> wollte, wur<strong>de</strong> mir die Aufnahme<br />

verweigert, weil ich die Gr<strong>en</strong>ze von 14 Jahr<strong>en</strong> überschritt<strong>en</strong> hatte. Ich fühlte mich<br />

<strong>de</strong>sweg<strong>en</strong> so schlecht, als ob mich Gott, <strong>de</strong>n ich so verehrte, hintergang<strong>en</strong> hätte. Ich<br />

weinte bitterlich und wusste nicht weiter. Es blieb mir keine an<strong>de</strong>re Wahl, als mich in<br />

das erste Jahr <strong>de</strong>r Oberstufe in Karnobat (Kreisstadt) einzuschreib<strong>en</strong>.<br />

Von allem <strong>en</strong>ttäuscht, setzte ich mich in die letzte Bank neb<strong>en</strong> ein<strong>en</strong> arm<strong>en</strong>isch<strong>en</strong><br />

Knab<strong>en</strong>, Agop, <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Gesicht voller Pock<strong>en</strong>narb<strong>en</strong> war. Er war hässlich wie die<br />

Nacht, aber ein sehr intellig<strong>en</strong>ter Junge. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Seite saß ein jüdischer Junge,<br />

anschein<strong>en</strong>d aus einer arm<strong>en</strong> Familie vom Ghetto <strong>de</strong>r Stadt. Ich schloss mit bei<strong>de</strong>n<br />

gute Freundschaft. Der zweite von ihn<strong>en</strong> lud mich zu einer Versammlung ein, bei <strong>de</strong>r<br />

ich zunächst nicht wusste, worum es ging.<br />

Sie sprach<strong>en</strong> über die Ungerechtigkeit zwisch<strong>en</strong> Arm<strong>en</strong> und Reich<strong>en</strong>. Obwohl man in<br />

Bulgari<strong>en</strong> zu j<strong>en</strong>er Zeit dies<strong>en</strong> Unterschied nicht so spürte, gefiel mir das Thema. Sehr<br />

geschickt sprach <strong>de</strong>r Lehrer davon, dass die Religion eine Erfindung <strong>de</strong>s M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong><br />

und das Opium <strong>de</strong>s Volkes sei. Ich wur<strong>de</strong> mit marxistischer und antichristlicher<br />

Literatur überhäuft. Da ich arm war und ein Waise, hatte ich mich innerhalb kürzester<br />

Zeit unbemerkt in ein<strong>en</strong> fanatisch<strong>en</strong> Kommunist<strong>en</strong>, Stalinist<strong>en</strong> und absolut<strong>en</strong><br />

Atheist<strong>en</strong> verwan<strong>de</strong>lt.<br />

Vor lauter Les<strong>en</strong> dieser Art von Büchern kam ich in <strong>de</strong>r Schule nicht mehr mit und fiel<br />

durch. Ich musste das Jahr wie<strong>de</strong>rhol<strong>en</strong>. Zwei Jahre später bekam<strong>en</strong> wir<br />

Schießunterricht, zweifellos, um später einmal Subversive o<strong>de</strong>r Partisan<strong>en</strong> zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Da Russland nicht weit war, etwa 600 Kilometer <strong>en</strong>tfernt, w<strong>en</strong>n man das Schwarze<br />

Meer überquerte, versorgt<strong>en</strong> die Sowjets die Umstürzler mit Kriegsmaterial und<br />

Sabotageanweisung<strong>en</strong>.<br />

Das Lei<strong>de</strong>n meiner Mutter besorgte mich: Sie war bereits im hoh<strong>en</strong> Alter, verfügte<br />

über w<strong>en</strong>ig Mittel und litt an Bluthochdruck. Viele Nächte bat mich meine arme<br />

Mutter zu Hause beim Schlaf<strong>en</strong>geh<strong>en</strong> trän<strong>en</strong>überströmt, diese gefährliche Utopie<br />

aufzugeb<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r<strong>en</strong> subversive Anhänger weg<strong>en</strong> irg<strong>en</strong><strong>de</strong>ines begang<strong>en</strong><strong>en</strong> Verbrech<strong>en</strong>s<br />

im Gefängnis o<strong>de</strong>r am Galg<strong>en</strong> <strong>en</strong><strong>de</strong>t<strong>en</strong>.<br />

In <strong>de</strong>n folg<strong>en</strong><strong>de</strong>n Jahr<strong>en</strong> musste ich meine Schulausbildung in <strong>de</strong>r Stadt Burgas, <strong>de</strong>m<br />

zweitgrößt<strong>en</strong> bulgarisch<strong>en</strong> Haf<strong>en</strong> am Schwarz<strong>en</strong> Meer, fortsetz<strong>en</strong>. Die marxistisch<strong>en</strong><br />

Lehrer hatt<strong>en</strong> uns gesagt, dass im »sowjetisch<strong>en</strong> Paradies« kein Geld existiere, weil es<br />

nicht erfor<strong>de</strong>rlich sei, alles sei vom Staat. Die Leute wür<strong>de</strong>n arbeit<strong>en</strong> und hätt<strong>en</strong> alles,<br />

was sie braucht<strong>en</strong>. Das schi<strong>en</strong> mir gerecht und erstreb<strong>en</strong>swert. Bloß gut, dass mir in<br />

Burgas ein Studi<strong>en</strong>kollege von wohlhab<strong>en</strong><strong>de</strong>n <strong>El</strong>tern, die mich in ihr Haus einlu<strong>de</strong>n,<br />

ein<strong>en</strong> sowjetisch<strong>en</strong> Geldschein mit <strong>de</strong>m Konterfei von L<strong>en</strong>in zeigte. G<strong>en</strong>au wie<br />

damals, als sie mich beim Seminar ablehnt<strong>en</strong>, stürzte <strong>de</strong>r Marxismus zu Bo<strong>de</strong>n und<br />

zerfiel wie ein Glaskrug in taus<strong>en</strong>d Stücke.

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