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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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gleichgültig. Ich gestehe, dass es mich ernüchterte; ich hoffte, etwas zu seh<strong>en</strong>, was<br />

sich zu erzähl<strong>en</strong> lohnt.<br />

Ich weitete die Aug<strong>en</strong>, um in j<strong>en</strong>er Persönlichkeit irg<strong>en</strong><strong>de</strong>in<strong>en</strong> Ausdruck, irg<strong>en</strong><strong>de</strong>ine<br />

Einzelheit zu <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ck<strong>en</strong>, die das G<strong>en</strong>ie, <strong>de</strong>n Kriminell<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wahnsinnig<strong>en</strong><br />

off<strong>en</strong>barte... Der Eindruck, <strong>de</strong>n er auf mich machte, war <strong>de</strong>r eines Entrückt<strong>en</strong> mit<br />

verlor<strong>en</strong>em Blick. Der einst große, g<strong>en</strong>iale, stolze und brutale Führer hatte wohl<br />

<strong>en</strong>dgültig sein<strong>en</strong> Glanz, sein Image und seine Kraft verlor<strong>en</strong>. Er saß unbeweglich und<br />

still da, wirkte mit sein<strong>en</strong> tief<strong>en</strong> Aug<strong>en</strong> und <strong>de</strong>m ins Unbestimmte gerichtet<strong>en</strong> Blick<br />

eher wie eine abgelegte Puppe, als ein m<strong>en</strong>schliches Wes<strong>en</strong>. Er nahm nicht einmal<br />

wahr, dass etwa zehn junge Leute nahe am Bordstein ungeheuer neugierig auf ihn<br />

blickt<strong>en</strong>. Ich möchte bei dieser historisch<strong>en</strong> Erfahrung mit <strong>de</strong>m Diktator verharr<strong>en</strong>. In<br />

seinem Gesicht lag ein Anflug von Müdigkeit, von Nie<strong>de</strong>rgeschlag<strong>en</strong>heit o<strong>de</strong>r<br />

vielleicht <strong>de</strong>r eines abnorm<strong>en</strong> Wes<strong>en</strong>s. Es erschi<strong>en</strong> uns unglaubwürdig, dass dieses<br />

kleine und mürrische Individuum mit Schnauzer á la Charlie Chaplin eine große<br />

Nation in die Hölle hinabreiß<strong>en</strong> konnte.<br />

Merkte er <strong>de</strong>nn nicht, dass er kein wirklicher Stratege war, son<strong>de</strong>rn nur ein<br />

jähzorniger Träumer und dass sein Kampf und seine Sache unweigerlich ein<br />

tragisches En<strong>de</strong> nehm<strong>en</strong> musst<strong>en</strong>? Nur sein Egoismus und sein Starrsinn hielt<strong>en</strong> ihn<br />

aufrecht. Seine Eskorte war für ein<strong>en</strong> Diktator wie ihn in einem total<strong>en</strong> Krieg<br />

minimal, währ<strong>en</strong>d Stalin selt<strong>en</strong> seine Festung im Kreml verließ, und w<strong>en</strong>n er es tat,<br />

von einem groß<strong>en</strong> Einsatzkommando eskortiert wur<strong>de</strong>. Es war off<strong>en</strong>sichtlich, dass<br />

Hitler sich ein Jahr vor Kriegs<strong>en</strong><strong>de</strong> nicht einmal mehr für sein eig<strong>en</strong>es Leb<strong>en</strong><br />

interessierte. Man muss be<strong>de</strong>nk<strong>en</strong>, dass es im Schatt<strong>en</strong> <strong>de</strong>r groß<strong>en</strong> Persönlichkeit<strong>en</strong> in<br />

einem diktatorisch<strong>en</strong> Regime immer viele Mächtige auf verschie<strong>de</strong>n<strong>en</strong> Eb<strong>en</strong><strong>en</strong> gibt,<br />

welche die wahre Macht innehab<strong>en</strong> und unter kein<strong>en</strong> Umstän<strong>de</strong>n kapitulier<strong>en</strong> woll<strong>en</strong>,<br />

aus Angst, ihr<strong>en</strong> Status und ihre Privilegi<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r sogar ihr Leb<strong>en</strong> zu verlier<strong>en</strong>. Die<br />

Worte <strong>de</strong>s russisch<strong>en</strong> Zar<strong>en</strong> sind aufschlussreich: »Ich herrsche nicht über Russland.<br />

Taus<strong>en</strong><strong>de</strong> von Beamt<strong>en</strong> tun es.« Sie sind es, die <strong>de</strong>n Diktator mit all<strong>en</strong> Mitteln<br />

anschieb<strong>en</strong>, damit er weitermacht und nicht aufgibt. Ich kann mich also glücklich<br />

schätz<strong>en</strong>. Nicht viele M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> hab<strong>en</strong> die Geleg<strong>en</strong>heit gehabt, so nah und in aller<br />

Ruhe eine so historische Persönlichkeit zu seh<strong>en</strong>, wie es Hitler unzweifelhaft war.<br />

Ich kehrte nach Gräfelfing zurück. Der Nazi-Hauptmann, <strong>de</strong>r Mythos einer<br />

überleg<strong>en</strong><strong>en</strong> Rasse und <strong>de</strong>r Führer ging<strong>en</strong> mir nicht mehr aus <strong>de</strong>m Sinn. Er, <strong>de</strong>n ich so<br />

viele Male auf einem Balkon geseh<strong>en</strong> hatte, mit brauner Uniform, Armbin<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m<br />

Hak<strong>en</strong>kreuz und <strong>de</strong>m recht<strong>en</strong> Arm aufs äußerste gestreckt, währ<strong>en</strong>d er die linke auf<br />

seinem breit<strong>en</strong>, von einem Schultergurt gehalt<strong>en</strong><strong>en</strong> Gürtel stützte. Er trug Stiefelhos<strong>en</strong><br />

und auf Hochglanz gebrachte Schaftstiefel. Sein Auftret<strong>en</strong> war strahl<strong>en</strong>d und<br />

glanzvoll. Er besaß die Gabe, die Mass<strong>en</strong> zu begeistern. Zweifellos brachte ihn die<br />

Arbeiterklasse <strong>de</strong>shalb mit ihr<strong>en</strong> Stimm<strong>en</strong> an die Macht.<br />

Hitler war we<strong>de</strong>r groß, noch blond, noch hatte er blaue Aug<strong>en</strong>. Er war nicht einmal in<br />

Deutschland gebor<strong>en</strong> und hatte sogar schwarze Haare. Er war eher klein. Daher stellte<br />

er sich stets auf ein Po<strong>de</strong>st. Ich dachte an j<strong>en</strong><strong>en</strong> verwirrt<strong>en</strong> Visionär, <strong>de</strong>r von einem<br />

»taus<strong>en</strong>djährig<strong>en</strong> Reich« träumte, wie er es <strong>de</strong>klamierte. Auch kam mir die Freundin<br />

eines bulgarisch<strong>en</strong> Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong> (ein Freund von mir) in <strong>de</strong>n Sinn, die Monate zuvor <strong>de</strong>n<br />

Befehl erhalt<strong>en</strong> hatte, mit einem ausgewählt<strong>en</strong> SS-Offizier zu schlaf<strong>en</strong>, damit er mit<br />

ihr ein<strong>en</strong> perfekt<strong>en</strong> Sohn für die angeblich überleg<strong>en</strong>e Rasse zeuge. Solche<br />

Ungeheuerlichkeit<strong>en</strong> hatte ich schon zuvor gehört, aber sie kam<strong>en</strong> mir wie<br />

Phantasiegeschicht<strong>en</strong> vor. Es war jedoch wahr, <strong>de</strong>nn ich sah <strong>de</strong>n Befehl mit mein<strong>en</strong><br />

eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Aug<strong>en</strong>.

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