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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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Koffer. Die Zöllner schaut<strong>en</strong> einan<strong>de</strong>r ratlos an. Die Atmosphäre war gespannt, und<br />

ich war außer Kontrolle; ich nehme an, dass sie irg<strong>en</strong><strong>de</strong>in Zeich<strong>en</strong> erhielt<strong>en</strong>, weil sie<br />

plötzlich ohne Überprüfung wegging<strong>en</strong>. Mit <strong>de</strong>n Koffern in <strong>de</strong>r Hand ging ich auf<br />

meine Cousins zu und umarmte sie schweig<strong>en</strong>d. Beim Verlass<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Halle hielt ich es<br />

nicht mehr aus: »Das ist nicht meine alte Heimat, son<strong>de</strong>rn ein Gefängnis.« Meine<br />

arm<strong>en</strong> Cousins hatt<strong>en</strong> zwei Stun<strong>de</strong>n zuvor ein Taxi reserviert. Die Strecke in die Stadt<br />

verbrachte ich in Schweig<strong>en</strong>. Außer<strong>de</strong>m war da <strong>de</strong>r Taxifahrer, <strong>de</strong>r – wer weiß –<br />

vielleicht ein Spion <strong>de</strong>r Miliz war.<br />

Es war ein gespannter Empfang, eine unglückliche Situation, als hätt<strong>en</strong> wir uns<br />

paradoxerweise nach <strong>de</strong>n 22 Jahr<strong>en</strong>, die wir uns nicht geseh<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>, nichts zu sag<strong>en</strong>.<br />

Meine erste Sorge war, danach zu frag<strong>en</strong>, ob die Republik Arg<strong>en</strong>tini<strong>en</strong> eine Botschaft<br />

dort hatte, um mich über die schlechte Behandlung zu beschwer<strong>en</strong>. »Es gibt keine<br />

Beziehung<strong>en</strong> zu Arg<strong>en</strong>tini<strong>en</strong>», bekam ich zur Antwort. Ich fühlte mich einsam und<br />

verlass<strong>en</strong>. Als ich mit Theodor in mein Zimmer kam, betrachtete ich mich im Spiegel<br />

und kam mir gealtert vor. Zum erst<strong>en</strong> Mal <strong>en</strong>t<strong>de</strong>ckte ich graue Haare. Ich verspürte<br />

eine <strong>en</strong>tmutig<strong>en</strong><strong>de</strong> Beklemmung. Es war spät. Ich wollte we<strong>de</strong>r ess<strong>en</strong>, noch re<strong>de</strong>n.<br />

Von Ohnmacht und Resignation erfasst, war es mein größter Wunsch, mich<br />

auszuruh<strong>en</strong>. Unter<strong>de</strong>ss<strong>en</strong> sah mein Cousin unter <strong>de</strong>m Bett sowie an <strong>de</strong>n Möbeln nach<br />

und flüsterte mir leise ins Ohr, dass ich aufpass<strong>en</strong> sollte, weil es von <strong>de</strong>r<br />

Geheimpolizei installierte Mikrophone geb<strong>en</strong> könnte. Als ich zu Bett ging, ließ mich<br />

<strong>de</strong>r Gedanke an eine mögliche Falle nicht los, bis mich schließlich die Müdigkeit in<br />

ein<strong>en</strong> tief<strong>en</strong> Schlaf sink<strong>en</strong> ließ.<br />

Theodor, <strong>de</strong>rselbe, <strong>de</strong>r mir 1946 geholf<strong>en</strong> hatte, das Land zu verlass<strong>en</strong>, war – wie<br />

bereits erwähnt – ein beson<strong>de</strong>rer Kommunist, Internationalist, Esperantok<strong>en</strong>ner und<br />

Briefmark<strong>en</strong>sammler. Er verständigte sich in mehrer<strong>en</strong> Sprach<strong>en</strong>. Er war mit seinem<br />

Fiat 600 gekomm<strong>en</strong>, bei <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Kauf ich ihm geholf<strong>en</strong> hatte. Wir fuhr<strong>en</strong> durch das<br />

Flusstal <strong>de</strong>s Mariza, kam<strong>en</strong> zum Tal <strong>de</strong>r Ros<strong>en</strong> und schließlich in <strong>de</strong>ss<strong>en</strong> Hauptstadt<br />

Kazanlak, wo er lebte.<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg erklärte mir Theodor die Eig<strong>en</strong>tümlichkeit <strong>de</strong>r Kommunist<strong>en</strong>, die an <strong>de</strong>r<br />

Macht war<strong>en</strong>: eine eiserne Parteistruktur. In die Partei einzutret<strong>en</strong>, war schwierig, da<br />

man bedingungslose Treue zur Partei beweis<strong>en</strong> musste, was soweit ging, dass Freun<strong>de</strong><br />

und Famili<strong>en</strong>angehörige verrat<strong>en</strong> und ausgeliefert wur<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r Austritt war eine<br />

Tragödie, da man als Verräter verfolgt und in einem Konz<strong>en</strong>trationslager <strong>en</strong><strong>de</strong>n<br />

konnte. Theodor gehörte <strong>de</strong>r Partei nicht mehr an, da sie ihn weg<strong>en</strong> seiner häufig<strong>en</strong><br />

Reis<strong>en</strong> durch Europa mit Hilfe von Sprachwiss<strong>en</strong>schaftlern und Briefmark<strong>en</strong>sammlern<br />

für verwestlicht und daher für nicht vertrau<strong>en</strong>swürdig erachtet<strong>en</strong>. Man beschränkte<br />

sich darauf, ihm <strong>de</strong>n Mitgliedsausweis zu <strong>en</strong>tzieh<strong>en</strong> und ihn aus unmittelbarer Nähe zu<br />

beobacht<strong>en</strong>.<br />

Ab <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rn<strong>en</strong> Stadt Stara Sagora begleitete uns ein Neffe, Doncho, <strong>de</strong>r Sohn<br />

meiner einzig<strong>en</strong> Schwester, die in Karnobat wohnte. Wir fuhr<strong>en</strong> zu meinem Geburtsort<br />

Cherkowo. Wir setzt<strong>en</strong> die Unterhaltung angeregt fort, obwohl mich mein Cousin<br />

gewarnt hatte, dass Doncho ein Armeehauptmann war und sie ihn an die Gr<strong>en</strong>ze<br />

beor<strong>de</strong>rt hatt<strong>en</strong>, aber nicht, um die Auslän<strong>de</strong>r zu überwach<strong>en</strong>, son<strong>de</strong>rn, um die Flucht<br />

von Bulgar<strong>en</strong> aus <strong>de</strong>m bulgarisch<strong>en</strong> »sowjetisch<strong>en</strong> Paradies« zu verhin<strong>de</strong>rn. Die<br />

Gr<strong>en</strong>z<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>n mit elektrisch<strong>en</strong> Stacheldrahtzäun<strong>en</strong>, abgerichtet<strong>en</strong> Hun<strong>de</strong>n sowie mit<br />

Soldat<strong>en</strong>, die mit Maschin<strong>en</strong>gewehr<strong>en</strong> bewaffnet patrouilliert<strong>en</strong>, str<strong>en</strong>g bewacht, da<br />

die sowjetisch<strong>en</strong> Län<strong>de</strong>r – wie schon an an<strong>de</strong>rer Stelle erwähnt – ein gewaltiges<br />

Konz<strong>en</strong>trationslager war<strong>en</strong>. Auf diese Weise konnte niemand geh<strong>en</strong>, ohne sich zuvor<br />

für <strong>de</strong>n »Aufbau <strong>de</strong>s Sozialismus« bis zum To<strong>de</strong> aufgerieb<strong>en</strong> zu hab<strong>en</strong>, und so konnte<br />

auch niemand die Wahrheit über das sowjetische Paradies erfahr<strong>en</strong>. Obwohl er ein

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