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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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Mit ein o<strong>de</strong>r zwei Schachteln monatlich konnte man ein Zimmer zahl<strong>en</strong>. Keiner <strong>de</strong>r<br />

Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong> ging auf die Bank, um sein Geld in Deutsche Mark zu wechseln, trotz <strong>de</strong>s<br />

herrsch<strong>en</strong><strong>de</strong>n Tauschzwangs und <strong>de</strong>s 30-Proz<strong>en</strong>t-Nachlasses, <strong>de</strong>n sie uns gewährt<strong>en</strong>.<br />

Zweifellos wusst<strong>en</strong> die Nazis das, aber sie toleriert<strong>en</strong> es. Die <strong>de</strong>utsch<strong>en</strong> Behör<strong>de</strong>n<br />

wusst<strong>en</strong>, wovon wir lebt<strong>en</strong>, und auch, dass ihre Universität<strong>en</strong> dank <strong>de</strong>r ausländisch<strong>en</strong><br />

Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong>, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r bulgarisch<strong>en</strong>, jugoslawisch<strong>en</strong> und itali<strong>en</strong>isch<strong>en</strong>,<br />

funktioniert<strong>en</strong>. Auch dank unserer gut im Kurs steh<strong>en</strong><strong>de</strong>n Zigarett<strong>en</strong> leistet<strong>en</strong> sich die<br />

Deutsch<strong>en</strong> das Vergnüg<strong>en</strong>, ab und an gut<strong>en</strong> Tabak zu rauch<strong>en</strong>. Von <strong>de</strong>n Itali<strong>en</strong>ern<br />

bekam<strong>en</strong> sie <strong>de</strong>n begehrt<strong>en</strong> Kaffee und die Schokola<strong>de</strong>. Sie nahm<strong>en</strong> in Kauf, dass sie<br />

viel dafür bezahl<strong>en</strong> musst<strong>en</strong>, weil sie gute und melancholische M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong> sind.<br />

Fahr<strong>en</strong> wir fort mit Margot. Wie vereinbart, traf<strong>en</strong> wir uns am Eingang zum Kino. Sie<br />

wirkte ungeduldig. Jetzt konnte ich sie aufmerksamer betracht<strong>en</strong>. Sie war schlank,<br />

aber wohl proportioniert, und hatte ein sehr hübsches Gesicht. Als sie mich sah, freute<br />

sie sich. Ich küsste ihre Hand mit <strong>de</strong>m obligatorisch<strong>en</strong> Gut<strong>en</strong> Tag, wie es sich für<br />

ein<strong>en</strong> Kavalier j<strong>en</strong>er Zeit gebührte. Wir schaut<strong>en</strong> uns bewegt an, ohne ein<strong>en</strong> einzig<strong>en</strong><br />

Satz zu sag<strong>en</strong>. Auf einmal brach sie die Verzückung und schlug vor: »Mein lieber<br />

<strong>Vatiu</strong>, jetzt geht es ans Deutsch lern<strong>en</strong>!« Sogleich setzt<strong>en</strong> wir uns in eine Bar.<br />

ALLEIN IM UNTERRICHT – WIE PEINLICH<br />

Nach fünfzehn Tag<strong>en</strong> Sprachübung<strong>en</strong> mit meiner bezaubern<strong>de</strong>n Freundin beschloss<br />

ich, auf die technische Universität zu geh<strong>en</strong>. Aus Neugier besuchte ich eine Lesung in<br />

Hydraulik. Ich wusste um die <strong>de</strong>utsche Pünktlichkeit. Zum Glück war ich auf die<br />

Minute g<strong>en</strong>au in j<strong>en</strong>em völlig leer<strong>en</strong> Hörsaal. Ich verstand nicht, warum niemand<br />

gekomm<strong>en</strong> war, und bevor ich darüber nach<strong>de</strong>nk<strong>en</strong> konnte, kam <strong>de</strong>r Lehrer herein,<br />

und ich fühlte mich plötzlich gefang<strong>en</strong>. Er führte <strong>de</strong>n klassisch<strong>en</strong> Hitler-Gruß aus, <strong>de</strong>n<br />

ich erwi<strong>de</strong>rte. Er breitete seine Notiz<strong>en</strong> auf <strong>de</strong>m Pult aus und begann, an <strong>de</strong>r Tafel<br />

Formeln und Diagramme auszuarbeit<strong>en</strong>. Dabei sprach er ohne Unterlass. Mit nur<br />

einem Schüler erfüllte <strong>de</strong>r Lehrer seine Pflicht.<br />

Für aka<strong>de</strong>mische Ausführung<strong>en</strong> erschi<strong>en</strong> mir die <strong>de</strong>utsche Sprache immer noch so<br />

unverständlich wie chinesisch. Ich konnte <strong>de</strong>n Vortrag<strong>en</strong><strong>de</strong>n nicht vor <strong>de</strong>n Kopf<br />

stoß<strong>en</strong> und wartete das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Unterrichts ab. Aber zu meinem Erstaun<strong>en</strong> drehte er<br />

sich um und befragte mich. Er wie<strong>de</strong>rholte die Frage. Ich antwortete ihm in<br />

gebroch<strong>en</strong>em Deutsch: »Ich spreche nicht Deutsch.« Der arme Mann blickte mich<br />

verblüfft an, raffte seine Papiere zusamm<strong>en</strong> und ging, jedoch nicht ohne so etwas zu<br />

murmeln wie: »Keiner kommt zum Unterricht, und <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r da ist, ist noch<br />

dazu taub und stumm.«<br />

Bald bemerkte ich, dass viele Stu<strong>de</strong>nt<strong>en</strong> im Aufbruch war<strong>en</strong>, da Braunschweig eine für<br />

die <strong>en</strong>glisch<strong>en</strong> Flieger leicht zu erreich<strong>en</strong><strong>de</strong> Stadt war. Mein Deutsch machte<br />

Fortschritte. Mit meiner heiß geliebt<strong>en</strong> Margot besuchte ich bei verschie<strong>de</strong>n<strong>en</strong><br />

Geleg<strong>en</strong>heit<strong>en</strong> die Stadt Hannover, die nicht weit <strong>en</strong>tfernt im West<strong>en</strong> lag. Es war <strong>de</strong>r<br />

einzige Ort, an <strong>de</strong>m wir uns stürmisch lieb<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>; ich war ihr erster Mann.<br />

Ich erklärte Margot, dass das bulgarische Volk nicht min<strong>de</strong>r große Bewun<strong>de</strong>rung für<br />

seine Geschichte und sein<strong>en</strong> Fleiß verdi<strong>en</strong>te. Ich legte ihr dar, dass Hitlers berühmte<br />

»Organisation Todt«, über die er Deutschland mit Baustell<strong>en</strong> und Straß<strong>en</strong> ein<strong>de</strong>ckte,<br />

von einem bulgarisch<strong>en</strong> Mo<strong>de</strong>ll inspiriert war. Sowohl Deutschland als auch uns hatte<br />

man nach <strong>de</strong>m Erst<strong>en</strong> Weltkrieg – bis auf ein geringes Konting<strong>en</strong>t für die innere<br />

Sicherheit – verbot<strong>en</strong>, bewaffnete Streitkräfte zu unterhalt<strong>en</strong>. Aus diesem Grund

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