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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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Etwas <strong>en</strong>tging mir jedoch: Dass ich mich trotz <strong>de</strong>s Erfolges und meiner Eig<strong>en</strong>schaft<br />

als eingebürgerter Arg<strong>en</strong>tinier und ständiger Analytiker <strong>de</strong>r arg<strong>en</strong>tinisch<strong>en</strong><br />

Wirtschaftspolitik als Auslän<strong>de</strong>r fühl<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>, solange ich lebe. Und das Schlimme<br />

daran ist, dass ich mich je<strong>de</strong>s Mal noch mehr als Auslän<strong>de</strong>r fühle, w<strong>en</strong>n ich aus meiner<br />

alt<strong>en</strong> Heimat zurückkehre. Ob<strong>en</strong>drein halt<strong>en</strong> mich viele, die mich nicht k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>, für<br />

ein<strong>en</strong> Ju<strong>de</strong>n.<br />

Wir wur<strong>de</strong>n in einem groß<strong>en</strong> Saal <strong>de</strong>s <strong>de</strong>nkwürdig<strong>en</strong> Einwan<strong>de</strong>rerhotels auf <strong>de</strong>m<br />

Haf<strong>en</strong>gelän<strong>de</strong> untergebracht, in <strong>de</strong>m viel<strong>en</strong> Bett<strong>en</strong> für eb<strong>en</strong>so Unglückselige wie uns<br />

stan<strong>de</strong>n. Off<strong>en</strong>bar war<strong>en</strong> die meist<strong>en</strong> von ihn<strong>en</strong> Tage zuvor mit <strong>de</strong>m Jamaique<br />

angekomm<strong>en</strong>, da sie nicht wie die Leute aussah<strong>en</strong>, die wir auf <strong>de</strong>r Ugolino Vivaldi<br />

geseh<strong>en</strong> hatt<strong>en</strong>. Was sie »Hotel« nannt<strong>en</strong>, gefiel uns nicht, aber nach so viel Leid wäre<br />

es auch gleich gewes<strong>en</strong>, hätte es sich um ein Gefängnis gehan<strong>de</strong>lt. Die Strapaz<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r<br />

vielleicht auch das Festland ließ<strong>en</strong> mich in tief<strong>en</strong> Schlaf versink<strong>en</strong> und die Welt um<br />

mich herum vergess<strong>en</strong>.<br />

Der gell<strong>en</strong><strong>de</strong> Schrei: »Arriba, giovanotti!« weckte uns Einwan<strong>de</strong>rer auf; es war noch<br />

früh. Sofort lief<strong>en</strong> alle mit feucht<strong>en</strong> Schuh<strong>en</strong> von <strong>de</strong>n Urinpfütz<strong>en</strong> in Richtung<br />

Toilett<strong>en</strong> los. Ich wollte glaub<strong>en</strong>, dass dies das letzte <strong>El</strong><strong>en</strong>d sei, das ich in meinem<br />

verschlung<strong>en</strong><strong>en</strong> Leb<strong>en</strong> erlei<strong>de</strong>n müsste. Das Ess<strong>en</strong> bestand hauptsächlich aus Getrei<strong>de</strong><br />

mit Fleischstück<strong>en</strong>, was für uns, die wir <strong>de</strong>n Hunger gekannt hatt<strong>en</strong>, mehr als<br />

ausreich<strong>en</strong>d war.<br />

»JETZT GEHÖREN SIE UNS«<br />

Wir zog<strong>en</strong> los, um Bu<strong>en</strong>os Aires k<strong>en</strong>n<strong>en</strong> zu lern<strong>en</strong>. Das erste, was wir sah<strong>en</strong>, war die<br />

alte Uhr <strong>de</strong>s Torre <strong>de</strong> los Ingleses und im Hintergrund ein auffälliges Schild an einem<br />

dunkl<strong>en</strong> Gebäu<strong>de</strong>. Es war <strong>de</strong>r Retiro-Bahnhof. Eine übergroße Aufschrift, die<br />

verkün<strong>de</strong>te: »Jetzt gehör<strong>en</strong> sie uns«, weckte unsere Neugier; wir verstan<strong>de</strong>n überhaupt<br />

nicht, was sie be<strong>de</strong>utete. Das Wörterbuch half uns auch nicht weiter. Irg<strong>en</strong>dwann<br />

wür<strong>de</strong>n wir es wohl erfahr<strong>en</strong>.<br />

Außer <strong>de</strong>m, was wir in <strong>de</strong>r Oberschule gelernt hatt<strong>en</strong>, wusst<strong>en</strong> wir w<strong>en</strong>ig über<br />

Arg<strong>en</strong>tini<strong>en</strong>. In all dies<strong>en</strong> Jahr<strong>en</strong> in Europa gab es we<strong>de</strong>r Zeitschrift<strong>en</strong>, noch<br />

Information<strong>en</strong> über Lateinamerika. Bald erfuhr<strong>en</strong> wir, was die Republik Arg<strong>en</strong>tini<strong>en</strong><br />

zu j<strong>en</strong>er Zeit war: Ein von einer betrügerisch<strong>en</strong> Volkspolitik gefang<strong>en</strong>es Land; obwohl<br />

es sich glücklicherweise in militärischer Hand unter <strong>de</strong>r Leitung von G<strong>en</strong>eral Juan<br />

Perón befand und nicht unter marxistischer o<strong>de</strong>r nationalsozialistischer Kontrolle.<br />

Perón war bis 1941 Militärattaché in <strong>de</strong>r Botschaft seines Lan<strong>de</strong>s im faschistisch<strong>en</strong><br />

Itali<strong>en</strong> gewes<strong>en</strong>, und die Art <strong>de</strong>r Handhabung <strong>de</strong>r Volksklass<strong>en</strong> hatte ihm gefall<strong>en</strong>.<br />

Natürlich war Arg<strong>en</strong>tini<strong>en</strong> nicht das Land, das wir auf <strong>de</strong>r Landkarte betrachtet hatt<strong>en</strong><br />

und auch nicht das <strong>de</strong>r fabelhaft<strong>en</strong> Reichtümer, von <strong>de</strong>n<strong>en</strong> wir träumt<strong>en</strong>. Wir befan<strong>de</strong>n<br />

uns in einem Land, das keine Arbeitsmöglichkeit<strong>en</strong> bot, neue Gesetze behin<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> die<br />

Privatinitiative und vertrieb<strong>en</strong> – wie in solch<strong>en</strong> Fäll<strong>en</strong> üblich – die Investition<strong>en</strong>. Bei<br />

diesem Panorama war es nicht schwierig abzuleit<strong>en</strong>, welche Zukunft die<br />

nachkomm<strong>en</strong><strong>de</strong>n G<strong>en</strong>eration<strong>en</strong> erwartete. Wir wan<strong>de</strong>rt<strong>en</strong> umher, in <strong>de</strong>r Hoffnung,<br />

irg<strong>en</strong><strong>de</strong>ine Arbeit zu fin<strong>de</strong>n. Eine <strong>de</strong>utsche Baufirma wur<strong>de</strong> uns g<strong>en</strong>annt. Aber es bot<br />

sich keine Möglichkeit, da sie in Anbetracht <strong>de</strong>r Lage, die mit <strong>de</strong>m Peronismus<br />

<strong>en</strong>tstand, das Firm<strong>en</strong>personal reduziert<strong>en</strong>.<br />

Dort lernt<strong>en</strong> wir ein<strong>en</strong> alt<strong>en</strong>, freundlich<strong>en</strong> Landsmann k<strong>en</strong>n<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r so erfreut war, dass<br />

er uns sogleich zum Ab<strong>en</strong><strong>de</strong>ss<strong>en</strong> in sein Haus einlud. Alexan<strong>de</strong>r Vasiliev wohnte in<br />

San Andres. Auf <strong>de</strong>m Weg zum Hauptbahnhof Retiro erfuhr<strong>en</strong> wir, dass ein

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