Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas
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Als ich hinaus auf die Straße ging, erblickte ich ein<strong>en</strong> alt<strong>en</strong> Mann, <strong>de</strong>r sich langsam<br />
näherte. Ich konnte mir nicht im Traum vorstell<strong>en</strong>, dass es mein Freund Dimiter sein<br />
könnte. Er war ein Jahr jünger als ich, aber mit 48 Jahr<strong>en</strong> war ein alter, schlotteriger<br />
und physisch angeschlag<strong>en</strong>er Mann mit komplett schneeweiß<strong>en</strong> Haar<strong>en</strong>, faltigem<br />
Gesicht und zittern<strong>de</strong>r Stimme: »Willkomm<strong>en</strong>, <strong>Vatiu</strong>«, sagte er, währ<strong>en</strong>d er mir die<br />
Hän<strong>de</strong> reichte. »Dimiter, bist du es?« Unter Trän<strong>en</strong> und tief gerührt, stammelte er:<br />
»Ja, ich bin es.« Wir umarmt<strong>en</strong> uns. Ich bemerkte, dass er nicht loslass<strong>en</strong> wollte, und<br />
wartete, bis er sich erleichtert hatte. Ich lud ihn in die Lobby ein, damit wir uns<br />
unterhalt<strong>en</strong> konnt<strong>en</strong>.<br />
Mein alter Freund fasste nicht <strong>de</strong>n Mut, hineinzugeh<strong>en</strong>. Seine Kleidung war auch für<br />
<strong>de</strong>n Glanz <strong>de</strong>r weiträumig<strong>en</strong> Lobby nicht angemess<strong>en</strong>. Er war Literaturprofessor<br />
gewor<strong>de</strong>n und fühlte sich trotz<strong>de</strong>m als Bürger vierter Klasse. Die erste Klasse war die<br />
<strong>El</strong>ite, die zweite die Wohlhab<strong>en</strong><strong>de</strong>n, die dritte das arbeit<strong>en</strong><strong>de</strong> Volk und schließlich die<br />
vierte, diej<strong>en</strong>ig<strong>en</strong>, die für Oppositionelle gehalt<strong>en</strong> wur<strong>de</strong>n, jedoch nicht aktiv war<strong>en</strong><br />
und schlecht behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n, schlechtere Arbeit und erbärmliche Bezahlung<br />
erhielt<strong>en</strong>. Dimiter Valev hatte als junger und gebil<strong>de</strong>ter Mann über ausreich<strong>en</strong>d Tal<strong>en</strong>t<br />
verfügt, um mit eig<strong>en</strong><strong>en</strong> Mitteln im Leb<strong>en</strong> erfolgreich zu sein. Er schrieb gerne und<br />
veröff<strong>en</strong>tlichte in <strong>de</strong>r lokal<strong>en</strong> Tageszeitung Artikel über die bulgarische Geschichte<br />
und Kultur im Mittelalter und in <strong>de</strong>r Antike. »Du kommst mir sehr nie<strong>de</strong>rgeschlag<strong>en</strong><br />
vor«, sagte ich. »Ich habe sehr viel gelitt<strong>en</strong>«, erwi<strong>de</strong>rte er trän<strong>en</strong>erstickt. »Als die<br />
Russ<strong>en</strong> und die Kommunist<strong>en</strong> an die Macht kam<strong>en</strong>, verlor<strong>en</strong> wir unser Haus, es wur<strong>de</strong><br />
von Frem<strong>de</strong>n vereinnahmt; wir wur<strong>de</strong>n in einem Zimmer zusamm<strong>en</strong>gedrängt. Meine<br />
<strong>El</strong>tern litt<strong>en</strong> an Nahrungsmangel, an Krankheit<strong>en</strong> und fehl<strong>en</strong><strong>de</strong>n Medikam<strong>en</strong>t<strong>en</strong> und<br />
starb<strong>en</strong> im <strong>El</strong><strong>en</strong>d. Mich verhaftet<strong>en</strong> sie unzählige Male. Sie sperrt<strong>en</strong> mich ein, ließ<strong>en</strong><br />
mich frei und verhaftet<strong>en</strong> mich wie<strong>de</strong>r, bis zur Erschöpfung. Ich heiratete, und die Ehe<br />
lief nicht besser für mich. Wir hab<strong>en</strong> uns <strong>de</strong> facto und von Rechts weg<strong>en</strong> her getr<strong>en</strong>nt,<br />
aber da ich keine Unterbringung fand, musste ich mit ihr das einzige Zimmer teil<strong>en</strong>,<br />
das ich besaß, und das gleiche Bett. <strong>Vatiu</strong>, es ist eine unerträgliche Hölle, mit einer<br />
Person zu leb<strong>en</strong>, mit <strong>de</strong>r man kein Wort wechselt. Du hast keine Ahnung, was für ein<br />
Ausmaß an Leid das be<strong>de</strong>utet. Mein Unglück beruht auf <strong>de</strong>r Tatsache, ein<strong>en</strong> bekannt<strong>en</strong><br />
und gut situiert<strong>en</strong> Vater gehabt zu hab<strong>en</strong>. Da sie wusst<strong>en</strong>, dass ich kein Kommunist<br />
war, und auch w<strong>en</strong>n ich nie <strong>de</strong>n Mund aufgemacht habe, k<strong>en</strong>nst du ihr<strong>en</strong> Wahlspruch:<br />
‚Wer nicht für uns ist, ist geg<strong>en</strong> uns’.«<br />
Ich fand keine Worte, die ihn hätt<strong>en</strong> tröst<strong>en</strong> o<strong>de</strong>r aufmuntern könn<strong>en</strong>. Ich hatte keine<br />
Antwort<strong>en</strong> für ein<strong>en</strong> geliebt<strong>en</strong> M<strong>en</strong>sch<strong>en</strong>, <strong>de</strong>r, im Unglück versunk<strong>en</strong>, in mein<strong>en</strong><br />
Arm<strong>en</strong> lag. Es war mir absolut unmöglich, irg<strong>en</strong><strong>de</strong>twas für ihn zu tun und dazu<br />
beizutrag<strong>en</strong>, seine verzweifelte Situation zu lin<strong>de</strong>rn. Ich bereute sogar, ihn aus seiner<br />
exist<strong>en</strong>ziell<strong>en</strong> Lethargie herausgeriss<strong>en</strong> zu hab<strong>en</strong>. Ich wusste nicht, wie ich mich von<br />
ihm tr<strong>en</strong>n<strong>en</strong> sollte. Es tat mir in <strong>de</strong>r Seele weh. Ich kehrte noch mehrmals nach<br />
Bulgari<strong>en</strong> zurück und trotz meiner Zuneigung versuchte ich nie, ihn wie<strong>de</strong>rzutreff<strong>en</strong>.<br />
Ich wollte glaub<strong>en</strong>, dass er nur in einem an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> Leb<strong>en</strong> <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n fän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n er so<br />
nötig brauchte.<br />
BULGARIEN, EIN SCHÖNES LAND, DAS EINE REISE WERT IST<br />
Nach<strong>de</strong>m wir die schön<strong>en</strong> Küst<strong>en</strong> und Strän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schwarz<strong>en</strong> Meeres bereist hatt<strong>en</strong>,<br />
von <strong>de</strong>n<strong>en</strong> die eine »Sonn<strong>en</strong>küste« und die an<strong>de</strong>r<strong>en</strong> »Goldsträn<strong>de</strong>« heiß<strong>en</strong>, musst<strong>en</strong><br />
wir in <strong>de</strong>n Sü<strong>de</strong>n Bulgari<strong>en</strong>s zurückkehr<strong>en</strong>.