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Buch - Vatiu Koralsky - El Sobreviviente de Alemania en Llamas

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such<strong>en</strong>, um zusamm<strong>en</strong>gekauert die Nacht zu verbring<strong>en</strong>, w<strong>en</strong>n ich auch kein<strong>en</strong> Schlaf<br />

fin<strong>de</strong>n könnte.<br />

Ich erinnerte mich an die unglückselige Empfangsdame Frau Guerber. Bei meiner<br />

Rückkehr aus Bulgari<strong>en</strong> hatte ich ein paar Traub<strong>en</strong> mitgebracht. Als ich die gut<strong>en</strong><br />

Beer<strong>en</strong> <strong>de</strong>r letzt<strong>en</strong> Traube aß, legte ich <strong>de</strong>n Rest auf ein<strong>en</strong> Teller, damit sie ihn<br />

wegwerf<strong>en</strong> wür<strong>de</strong>. Die ausgehungerte Frau jedoch begann, <strong>de</strong>n Traub<strong>en</strong>bund zu<br />

zerpflück<strong>en</strong> und die halb verfault<strong>en</strong> Beer<strong>en</strong> g<strong>en</strong>üsslich zu ess<strong>en</strong>. Ich fühlte mich<br />

<strong>de</strong>sweg<strong>en</strong> sehr schlecht, weil ich ihr nicht die ganze letzte Traube angebot<strong>en</strong> hatte. Ich<br />

erinnerte mich auch an meine arme Mutter, die mir schrieb und mich anflehte, nach<br />

Bulgari<strong>en</strong> zurückzukomm<strong>en</strong>.<br />

Weg<strong>en</strong> <strong>de</strong>r morg<strong>en</strong>dlich<strong>en</strong> Kälte am Frühlingsanfang 1944 erwachte ich zitternd und<br />

war ratlos. Ein guter alter <strong>de</strong>utscher Mann, <strong>de</strong>n ich ansprach, empfahl mir, zu einem<br />

<strong>en</strong>tleg<strong>en</strong><strong>en</strong> städtisch<strong>en</strong> Büro für Unterkunftsvermittlung zu geh<strong>en</strong>. »Vielleicht hab<strong>en</strong><br />

die etwas«, riet er mir. Da ich mein altes, aber sehr nützliches Fahrrad nicht mehr<br />

hatte und es nur w<strong>en</strong>ige Straß<strong>en</strong>bahnlini<strong>en</strong> gab, musste ich sehr weit zu Fuß geh<strong>en</strong>,<br />

um dorthin zu komm<strong>en</strong>. Ich wartete ziemlich lange auf <strong>de</strong>r Straße, bis ich <strong>en</strong>dlich an<br />

<strong>de</strong>n Schalter gelangte. Ich erklärte <strong>de</strong>r Angestellt<strong>en</strong>, die mich bedi<strong>en</strong>te, dass ich<br />

bulgarischer Stu<strong>de</strong>nt sei und mit <strong>de</strong>m Chef sprech<strong>en</strong> wolle. Sie ließ mich passier<strong>en</strong>.<br />

Ich wur<strong>de</strong> sehr freundlich von einer blon<strong>de</strong>n, groß<strong>en</strong>, schlank<strong>en</strong> und sehr gut<br />

ausseh<strong>en</strong><strong>de</strong>n Frau empfang<strong>en</strong>, die mir anbot, mich zu setz<strong>en</strong>. Als ich ihr meine<br />

Situation darlegte, erklärte mir die Frau Direktor, dass es keine<br />

Übernachtungsmöglichkeit<strong>en</strong> mehr gäbe, we<strong>de</strong>r in Münch<strong>en</strong>, noch in <strong>de</strong>r Umgebung,<br />

»nicht einmal unter <strong>de</strong>n Trümmern«. Das einzige, was sie an <strong>de</strong>r Hand habe, sei eine<br />

20 Kilometer <strong>en</strong>tfernte Privatwohnung. Aus Dankbarkeit bot ich ihr eine Zigarette an,<br />

die sie sehr erfreut annahm, und sie begleitete mich sogar bis zur Türe ihres Büros.<br />

Ich begab mich zur angegeb<strong>en</strong><strong>en</strong> Adresse mit <strong>de</strong>r amtlich<strong>en</strong> Anordnung, die besagte:<br />

Familie Färber, Gräfelfing, Spitzlbergerstraße 3. Es war ein schönes Dorf auf <strong>de</strong>r<br />

Strecke zum Starnberger See. Als ich dort mit Müh und Not ankam, sah ich ein altes<br />

und herrschaftliches Haus. Ich betrachtete es lange und dachte dabei: »Ich, <strong>de</strong>r ich aus<br />

einem abgeleg<strong>en</strong><strong>en</strong> und beschei<strong>de</strong>n<strong>en</strong> Dorf komme, könnte hier wohn<strong>en</strong> und das noch<br />

dazu im komplett zerstört<strong>en</strong> Deutschland im Krieg.« Auf mein Klingeln erschi<strong>en</strong> eine<br />

vornehme, von meiner Geg<strong>en</strong>wart überraschte Frau, und als ich ihr <strong>de</strong>n Grund meines<br />

Erschein<strong>en</strong>s nannte, war sie erstaunt. Nach<strong>de</strong>m sie die Notiz geles<strong>en</strong> hatte, sagte sie:<br />

»Das muss ein Irrtum sein, ich habe nie angegeb<strong>en</strong>, dass ich Unterkünfte anzubiet<strong>en</strong><br />

habe.« Dann runzelte sie die Stirn: »Ah, Frau Brunner wohnt ganz in <strong>de</strong>r Nähe, jetzt<br />

verstehe ich.«<br />

Sie ließ mich in eine behagliche Eingangshalle durchgeh<strong>en</strong>, wo ich die Möbel, Bil<strong>de</strong>r<br />

und Dekoration betrachtete. Sie brachte mich in einem Zimmer im erst<strong>en</strong> Stock unter<br />

und sagte: »Das ist Ihr Zimmer, Herr <strong>Koralsky</strong>. Tret<strong>en</strong> Sie ein. Mein Name ist Ketty.<br />

Sag<strong>en</strong> Sie Bescheid, w<strong>en</strong>n Sie etwas brauch<strong>en</strong>. Wann ge<strong>de</strong>nk<strong>en</strong> Sie, Ihr Gepäck zu<br />

bring<strong>en</strong>?« – »Das Köfferch<strong>en</strong>, das ich bei mir trage, ist alles, was ich habe«,<br />

antwortete ich ihr. Als ich alleine war, erblickte ich durch das F<strong>en</strong>ster ein<strong>en</strong><br />

weitläufig<strong>en</strong> Park mit viel<strong>en</strong> Bäum<strong>en</strong>.<br />

Im Laufe <strong>de</strong>r Zeit versuchte ich, das Vertrau<strong>en</strong> von Frau Ketty zu gewinn<strong>en</strong> und auch<br />

das ihrer bei<strong>de</strong>n Töchter, Hell<strong>en</strong> und Angelika, die sich königlich über mein<strong>en</strong> Akz<strong>en</strong>t<br />

amüsiert<strong>en</strong>. Dank <strong>de</strong>r lieb<strong>en</strong>swürdig<strong>en</strong> Frau Ketty bekam Woch<strong>en</strong> später auch mein<br />

Freund und Kollege Dimo dort ein Zimmer.<br />

Gräfelfing war eine nette Wohngeg<strong>en</strong>d mit gut situiert<strong>en</strong> Hausbesitzern und noch<br />

w<strong>en</strong>ig Zeich<strong>en</strong> <strong>de</strong>r Zerstörung. Hinter <strong>de</strong>m Dorf war ein weitläufiger Kiefernwald mit<br />

so dicht<strong>en</strong> Bäum<strong>en</strong>, dass die Sonne niemals durch ihre üppig<strong>en</strong> Äste drang. Als ich auf

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