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Band 7 - WordPress – www.wordpress.com

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tief ist er in das Chaos der Unnatur versunken. Er wirft<br />

höhnisch all den bunten Schmuck von sich, welcher ihm kurz<br />

vorher gerade sein Menschlichstes schien, seine Künste und<br />

Wissenschaften, die Vorzüge seines verfeinerten Lebens; er<br />

schlägt mit der Faust wider die Mauern, in deren Dämmerung<br />

er so entartet ist, und schreit nach Licht, Sonne, Wald<br />

und Fels. Und wenn er ruft: „nur die Natur ist gut, nur<br />

der natürliche Mensch ist menschlich", so verachtet er sich<br />

und sehnt sich über sich selbst hinaus: eine Stimmung, in<br />

welcher die Seele zu furchtbaren Entschlüssen bereit ist, aber<br />

auch das Edelste und Seltenste aus ihren Tiefen herauf ruft.<br />

Der Mensch Goethe's ist keine so bedrohliche Macht, ja<br />

in einem gewissen Verstände sogar das Correctiv und Quietiv<br />

gerade jener gefährlichen Aufregungen, denen der Mensch<br />

Rousseau's preisgegeben ist. Goethe selbst hat in seiner Jugend<br />

mit seinem ganzen liebereichen Herzen an dem Evangelium<br />

von der guten Natur gehangen; sein Faust war das höchste<br />

und kühnste Abbild vom Menschen Rousseau's, wenigstens<br />

soweit dessen Heisshunger nach Leben, dessen Unzuftiedenheit<br />

und Sehnsucht, dessen Umgang mit den Dämonen des Herzens<br />

darzustellen war. Nun sehe man aber darauf hin, was aus<br />

alle diesem angesammelten Gewölk entsteht — gewiss kein<br />

Blitz! Und hier offenbart sich eben das neue Bild des Menschen,<br />

des Goethe'schen Menschen. Man sollte denken, dass Faust<br />

durch das überall bedrängte Leben als unersättlicher Empörer<br />

und Befreier geführt werde, als die verneinende Kraft aus Güte,<br />

als der eigentliche, gleichsam religiöse und dämonische Genius<br />

des Umsturzes, zum Gegensatze seines durchaus undämonischen<br />

Begleiters, ob er schon diesen Begleiter nicht los werden<br />

und seine skeptische Bosheit und Verneinung zugleich benutzen<br />

und verachten müsste — wie es das tragische Loos jedes<br />

Empörers und Befreiers ist. Aber man irrt sich, wenn man<br />

etwas Derartiges erwartet; der Mensch Goethe's weicht hier<br />

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