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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />

(A)<br />

(B)<br />

Vizepräsidentin Claudia Roth:<br />

Vielen Dank, Dagmar Wöhrl. – Nächster Redner:<br />

Christoph Strässer für die SPD-Fraktion.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der CDU/CSU)<br />

Christoph Strässer (SPD):<br />

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Meine Damen und Herren! Vor ungefähr zweieinhalb<br />

Jahren habe ich auf Vermittlung einer großen internationalen<br />

Kinderrechtsorganisation – ich kann den Namen<br />

nennen und ein bisschen Werbung machen; es war<br />

Plan International – eine Patenschaft für einen Jungen<br />

aus dem Südsudan übernommen. Das ist ganz einfach;<br />

das kann jeder machen. Das kostet nicht viel Geld, aber<br />

mit dem wenigen Geld konnte vieles finanziert werden:<br />

der Zugang zur Schule, Kleidung und alles, was man so<br />

braucht. Vor ungefähr vier Monaten habe ich von Plan<br />

International die Nachricht erhalten, dass sie die Patenschaft<br />

leider nicht mehr aufrechterhalten können, weil<br />

sie nicht mehr gewährleisten können, dass erstens dieser<br />

Junge noch lebt und dass zweitens irgendetwas, was sie<br />

tun können, bei diesem Kind auch ankommt.<br />

Dieser Junge – ich habe ihn selber nie live gesehen,<br />

aber einige Mitteilungen von ihm bekommen – kommt<br />

aus der Nähe von Rumbek, einer Stadt im Bundesstaat<br />

Lakes im Südsudan. Das liegt noch nicht im Zentrum der<br />

Auseinandersetzung, aber auch dort ist die Situation natürlich<br />

dramatisch schlecht. Das Schicksal dieses Jungen<br />

teilen Millionen von Menschen im Südsudan.<br />

Ich spreche darüber aber auch noch aus einem anderen<br />

Grund: Der Menschenrechtsausschuss des <strong>Bundestag</strong>es<br />

hatte im Jahre 2004, also ein Jahr, bevor der umfassende<br />

– ich sage das jetzt einmal in Anführungsstrichen –<br />

„Friedensvertrag“ zwischen dem Sudan und der damaligen<br />

Provinz Südsudan abgeschlossen wurde, Zugang<br />

zum Südsudan. Wir sind dort mit einem sogenannten<br />

Buschflieger, einer privaten Maschine, eingeflogen und<br />

auf einer Piste mitten im Busch gelandet. Anders war der<br />

Südsudan damals nicht erreichbar. Nachdem wir ausgestiegen<br />

waren, sahen wir neben dieser Piste zwei große<br />

Lagerstätten – Holzlager ohne Dach. Wir haben unsere<br />

Begleiter gefragt, was das ist und was darin ist, und sie<br />

sagten: Geht mal hin und guckt euch das an. – Wir haben<br />

in diese Lager mitten im Südsudan geschaut und gesehen,<br />

dass sie vollgepackt waren mit funktionsfähigen<br />

Kleinwaffen und allem, was man sich vorstellen kann –<br />

und das für jedermann zugänglich.<br />

Das sage ich auch deshalb, weil wir hier über ein Waffenembargo<br />

reden. Natürlich muss es dieses Waffenembargo<br />

geben. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.<br />

Aber selbst wenn es das geben würde, wären die Probleme<br />

im Südsudan dadurch nicht gelöst, weil das Land<br />

vor Kleinwaffen überläuft, und das sind die gefährlichen<br />

Waffen, die gerade gegen Kinder, Frauen und Zivilisten<br />

allgemein eingesetzt werden.<br />

Nach der Vereinigung der beiden Staaten ist unter anderem<br />

falsch gelaufen, dass keine wirkliche Entwaffnung<br />

stattgefunden hat. An der einen oder anderen Stelle sind<br />

den Kämpfern zwar die Waffen weggenommen worden,<br />

aber sie sind im Land geblieben und in solchen Lagern<br />

gelandet, die für alle möglichen Menschen zugänglich<br />

sind. Das kann in einem Land, das 22 Jahre lang – und<br />

davor noch einmal 15 Jahre lang – im Bürgerkrieg gewesen<br />

ist, nicht funktionieren. Deshalb ist das Waffenembargo<br />

wichtig; ich glaube aber, man muss der Ehrlichkeit<br />

halber auch sagen, dass die EU vor einigen Jahren schon<br />

ein Waffenembargo gegen den Südsudan ausgesprochen<br />

und Lieferungen dorthin verboten hat.<br />

Man muss sich zugleich die Frage stellen, woran ein<br />

entsprechendes Waffenembargo der UN eigentlich scheitert.<br />

Bei der letzten Abstimmung im Sicherheitsrat haben<br />

sich nur 7 von 15 Ländern für ein Waffenembargo<br />

ausgesprochen, 8 haben sich enthalten. Unter diesen acht<br />

Ländern – das muss man auch einmal sagen – waren zwei<br />

ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrates, nämlich<br />

China und Russland. Auch das ist ein Teil der Wahrheit,<br />

der uns nicht davon abhalten sollte, die Umsetzung des<br />

Waffenembargos weiter zu verfolgen.<br />

Neben diesem Aspekt möchte ich gerne noch zwei<br />

Dinge sagen, die für die politische Situation im Südsudan<br />

wichtig sind.<br />

Uwe, ich finde euren Antrag gut; das sage ich ganz<br />

deutlich.<br />

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN]: Danke!)<br />

Er hat aber an einer Stelle eine Macke – das hat auch Frau<br />

Wöhrl schon angesprochen –: Es findet sich in eurem Antrag<br />

kein Satz dazu, dass die Verrohung des Völkerrechtes<br />

im Südsudan eine neue Dimension dadurch erfahren<br />

hat, dass es eben nicht mehr gelingt, wie Sie es gesagt<br />

haben, humanitäre Hilfe dorthin zu bringen, wo sie gebraucht<br />

wird. Wenn Helferinnen und Helfer bei ihrer Arbeit<br />

in Lebensgefahr sind, dann wird man sich sicherlich<br />

die Frage stellen müssen: Was passiert dort eigentlich?<br />

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte,<br />

ist der sogenannte nationale Dialog, der dort stattfinden<br />

sollte, aber nicht funktioniert. Ich behaupte – das ist wissenschaftlich<br />

nicht bewiesen –: Ein nationaler Dialog<br />

zwischen zwei Männern, die nichts anderes gelernt haben,<br />

als Krieg zu führen, und zwar auf Kosten der Zivilbevölkerung,<br />

ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.<br />

Deshalb ist meine dringende Bitte an die Bundesregierung,<br />

dafür zu sorgen, dass dieser nationale Dialog, wenn<br />

er denn erfolgreich sein soll, in einem inklusiven Prozess,<br />

also unter Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen, insbesondere von Frauenorganisationen,<br />

durchgeführt wird. Nur dann bietet dieser politische Prozess<br />

eine Lösungsperspektive.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der CDU/CSU und der LINKEN)<br />

Frau Präsidentin, als ich zum Pult gekommen bin,<br />

hatte ich eine Vision. Sie alle kennen ja den Ausspruch<br />

des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt: Wer Visionen<br />

hat, der soll nicht ins Parlament, sondern zum Arzt<br />

gehen. – Ich habe trotzdem diese Vision. Der Sonderbeauftragte<br />

der Vereinten Nationen zur Verhinderung von<br />

Genozid, Dieng, hat sehr deutlich gesagt: Das, was im<br />

Südsudan passiert, ist etwas Neues – wie es damals in<br />

(C)<br />

(D)

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