01.04.2017 Aufrufe

Deutscher Bundestag

2nCLeRm

2nCLeRm

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23023<br />

(A)<br />

zu dürfen. Damit verbindet sich die berechtigte Hoffnung,<br />

dass das Spendenaufkommen weiter steigt, sobald<br />

für die Menschen etwas Greifbares zu sehen ist. In einer<br />

zweiten Stufe könnte dann der Turm inklusive Turmhaube,<br />

Glocken, Glockenspiel und einem Teil der Schmuckfassade<br />

wiederhergestellt werden.<br />

Die zuständigen Berichterstatter der Koalition haben<br />

dem zugestimmt. Sie haben aber auch klargestellt, dass<br />

der Bund sich an der zweiten Bauphase nicht noch einmal<br />

beteiligen wird. Die Bundesbeauftrage für Kultur<br />

und Medien hat die Aufgabe, den Bau zu begleiten, und<br />

ich habe Vertrauen darin, dass das Projekt in Kooperation<br />

mit der Stadt Potsdam und der Stiftung „Garnisonkirche“<br />

zu einem guten Ende geführt wird.<br />

Mittlerweile ist auch die Finanzierung geklärt. Die<br />

Variante mit der reduzierten Version des Turmes ist eine<br />

gute Lösung. Die Haushälter haben die BKM darum gebeten,<br />

auch in Zukunft auf dem aktuellen Stand der Finanzierung<br />

gehalten zu werden. Sie werden also weiterhin<br />

ein Auge auf dieses Projekt haben. Das gilt auch für<br />

uns Kulturpolitiker.<br />

Die Garnisonkirche ist kein „normales“ Wiederaufbauprojekt.<br />

Wir als SPD stehen zu der Förderung durch<br />

den Bund. Aber die ist an Bedingungen geknüpft, und<br />

dazu gehört für mich der kritische Umgang mit der Geschichte.<br />

Ich werde das Projekt dementsprechend weiter begleiten.<br />

(C)<br />

(B)<br />

Hiltrud Lotze (SPD): Die Garnisonkirche blickt auf<br />

eine wechselvolle Geschichte zurück. Berühmte Preußenkönige<br />

wurden in der Gruft der Garnisonkirche beigesetzt;<br />

berühmte Musiker wie Johann Sebastian Bach<br />

spielten in der Kirche auf der Orgel. Auch Demokratiefeinden<br />

hat die Garnisonkirche immer wieder eine Bühne<br />

geboten. Bereits in der Weimarer Republik war sie<br />

Kundgebungsort für rechtsgerichtete Organisationen. Im<br />

Nationalsozialismus avancierte die Kirche zu einer der<br />

wichtigsten Stätten der Nazis, insbesondere am „Tag von<br />

Potsdam“. 1945 wurde die Kirche dann durch Bombenangriffe<br />

schwer beschädigt und in der DDR endgültig<br />

gesprengt.<br />

Dass die Garnisonkirche bis 1945 vor allem für Militarismus<br />

und Demokratiefeindlichkeit stand, ist unumstritten.<br />

Die Garnisonkirche aufzubauen, ohne daran<br />

zu erinnern, ist ausgeschlossen. Da gebe ich der Linken<br />

recht.<br />

Die Linke schreibt jedoch in ihrem Antrag, der Wiederaufbau<br />

der Garnisonkirche sei ein falsches politisches<br />

Signal. Das sehe ich anders. Nach dieser Logik hätte man<br />

auch das Brandenburger Tor nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

nicht instand setzen dürfen. Es ist ja nicht das Bauwerk<br />

an sich, das verantwortlich ist für die nationalsozialistische<br />

Vereinnahmung, sondern es sind die dort handelnden<br />

Akteure und ihre Taten. Deswegen kommt es heute<br />

darauf an, welches Konzept hinter dem Wiederaufbau<br />

steht. Eine unkritische Rekonstruktion des Vergangenen<br />

darf es nicht geben.<br />

Darum geht es der Stiftung „Garnisonkirche Potsdam“<br />

aber auch nicht. Das haben mir Gespräche gezeigt. Die<br />

Stiftung leugnet die Vergangenheit nicht, sondern greift<br />

sie auf. Die wiederaufgebaute Garnisonkirche plant sie<br />

als Zentrum für Frieden und Versöhnung. Sie soll eine<br />

Bürgerkirche und ein offener Ort für alle Menschen in<br />

Potsdam sein. Das spiegeln auch die offene Bauweise wider<br />

und die Pläne für die Aussichtsplattform.<br />

Es gibt noch einen weiteren Punkt, weswegen der<br />

Wiederaufbau unterstützenswert ist: Die Garnisonkirche<br />

war einer der schönsten barocken Kirchenbauten aus der<br />

Zeit Preußens. Städtebaulich und architektonisch würde<br />

die Garnisonkirche die historische Mitte Potsdams hervorragend<br />

ergänzen.<br />

Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Wie kaum<br />

ein anderes Bauwerk stand die Potsdamer Garnisonkirche<br />

für den preußischen und deutschen Militarismus und<br />

Nationalismus. Sie war die Hof- und Militärkirche Preußens.<br />

Militärs ließen hier ihre Kriegszüge segnen und<br />

feierten anschließend eben hier ihre Siege. So war die<br />

Garnisonkirche Symbol der militärischen Stärke und des<br />

Herrschaftsanspruches Preußens. Auch im Ersten Weltkrieg<br />

wurde hier in Predigten und Gebeten zum Krieg<br />

aufgerufen, und die ins Feld ziehenden Soldaten wurden<br />

hier gesegnet.<br />

So ist es kaum verwunderlich, dass sich die Garnisonkirche<br />

in der Zwischenkriegszeit schnell zum Pilgerort<br />

all jener deutschnationalen, revisionistischen und reaktionären<br />

Kräfte entwickelte, die vor allem eines im Sinn<br />

hatten: die schnellstmögliche Beseitigung der Weimarer<br />

Republik. Der sogenannte „Tag von Potsdam“, der mit<br />

dem öffentlichen Schulterschluss zwischen konservativen<br />

Eliten und Nationalsozialisten das Ende der Weimarer<br />

Republik besiegelte, war da nur noch das Tüpfelchen<br />

auf dem i.<br />

Festzuhalten ist: Die Potsdamer Garnisonkirche stand<br />

wie kaum ein anderes Gebäude für die lange Traditionslinie<br />

des preußisch-deutschen Militarismus und Nationalismus,<br />

die letztendlich in den unvergleichlichen Verbrechen<br />

des Zweiten Weltkrieges mündete. Und festzuhalten<br />

ist auch: Eine neuaufgebaute Kopie der Potsdamer Garnisonkirche<br />

würde genauso für ebenjene unsägliche Traditionslinie<br />

stehen. Da ist es ganz egal, ob in diesem Gebäude<br />

dann auch ein sogenanntes Versöhnungszentrum<br />

Platz findet oder nicht.<br />

Der Bau der Garnisonkirchenkopie wäre aber nicht<br />

nur unter historischen Gesichtspunkten ein riesiger Fehler,<br />

auch aus städtebaulicher Sicht würde mit dem Baubeginn<br />

ein großes Risiko eingegangen werden. Wenn vom<br />

„Wiederaufbau der Garnisonkirche“ gesprochen wird,<br />

meint dies ja schon lange nicht mehr den Nachbau der<br />

kompletten Kirche. Schließlich wissen auch die Befürworter<br />

und Befürworterinnen, dass es völlig aussichtlos<br />

ist, die finanziellen Mittel für die gesamte Kirche inklusive<br />

Schiff zusammenzubekommen. Stattdessen geht es<br />

nur noch um den Bau des Turms. Da es aber offenbar<br />

schwierig ist, selbst hierfür die entsprechenden Gelder zu<br />

akquirieren, will die Garnisonkirchenstiftung zunächst<br />

mit dem Bau des Turmrumpfes ohne Zierrat und Turm-<br />

(D)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!