Deutscher Bundestag
2nCLeRm
2nCLeRm
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22907<br />
Bundesminister Sigmar Gabriel<br />
(A)<br />
(B)<br />
leiden. – Man muss sich einfach über die Konsequenzen<br />
seines Handelns in beiden Fällen im Klaren sein. Man<br />
muss auch wissen: Wenn man militärische Einsätze begleitet,<br />
kann das immer dazu führen, dass Unschuldige<br />
sterben.<br />
Wir haben übrigens die Waffen an die Peschmerga<br />
im Wissen geliefert, dass die Waffen in einem späteren<br />
innerirakischen Konflikt vielleicht für falsche Ziele eingesetzt<br />
werden. Darum wissend hat uns der viel zu früh<br />
verstorbene Pazifist Rupert Neudeck geraten – wohlgemerkt:<br />
als Pazifist –: Ihr müsst Waffen an die Peschmerga<br />
liefern, weil sonst die Volksgruppe der Jesiden ausgerottet<br />
wird.<br />
Ich will nur sagen: Es geht hier, wie ich finde, um eine<br />
der schwersten Entscheidungen, die man als demokratischer<br />
Politiker treffen kann, aber man muss sich immer<br />
im Klaren darüber sein, dass Verantwortung nicht nur dadurch<br />
entsteht, wenn man eine Entscheidung trifft, sondern<br />
auch, wenn man eine Entscheidung verweigert.<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)<br />
Meine Damen und Herren, klar ist: All diese komplexen<br />
Herausforderungen kann Mali nicht alleine bewältigen,<br />
aber eben auch nicht alleine nur mit deutscher Hilfe.<br />
Unser Engagement in Mali ist daher eingebettet in den<br />
Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen<br />
Union. Das ist übrigens auch wichtig. Wir haben uns<br />
einmal dazu bekannt, dass Militäreinsätze dann möglich<br />
sind, wenn sie von den Vereinten Nationen gefordert werden.<br />
Man kann doch nicht sagen: „Wir wollen weg von<br />
unilateralen Kriegseinsätzen und hin zu einem Mandat<br />
der Vereinten Nationen“, aber dann, wenn die Vereinten<br />
Nationen sagen, dass sie die Menschen nur mithilfe von<br />
Militär und vielem anderen retten können, auf einmal sagen:<br />
„Jetzt sind uns die Vereinten Nationen egal.“ Auch<br />
das ist für uns von großer Bedeutung. Europa leistet hier<br />
einen großen Beitrag.<br />
Im Rahmen der europäischen Trainingsmission in<br />
Mali haben militärische Einheiten aus verschiedenen<br />
Mitgliedstaaten der EU, zurzeit auch 140 Soldatinnen<br />
und Soldaten aus Deutschland, seit 2013 über 9 000<br />
malische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet. Inzwischen<br />
konzentriert sich die Mission verstärkt auf die<br />
Ausbildung der Ausbilder; denn wir können nicht jeden<br />
malischen Soldaten ausbilden. Aber wir können Strukturen<br />
aufbauen. Sofern es die Sicherheitslage zulässt,<br />
wird EUTM Mali diese Ausbildung direkt vor Ort an den<br />
Standorten der malischen Armee vornehmen.<br />
Die zivile Schwestermission von EUTM, die<br />
EUCAP Sahel Mali, bildet zudem Polizei, Nationalgarde<br />
und Gendarmerie aus. Auch hier ist Deutschland mit<br />
Polizistinnen und Polizisten, zivilen Expertinnen und<br />
Experten engagiert, und wir stellen auch den Leiter der<br />
Mission.<br />
land hat mit seinen aktuell mehr als 800 Soldatinnen<br />
und Soldaten im Einsatz, Hubschraubern und Aufklärungsdrohnen<br />
einen wesentlichen Anteil daran. Ich will<br />
mich ausdrücklich bei den eingesetzten Soldatinnen und<br />
Soldaten bedanken, übrigens auch bei den Familien, die,<br />
obwohl zurzeit niemand in Gefahr geraten ist, verwundet<br />
oder getötet wurde, natürlich Angst um ihre Angehörigen<br />
haben. Ich will ausdrücklich meinen großen Respekt<br />
vor der Leistung der Soldatinnen und Soldaten und auch<br />
dem, was Familien dort mittragen, ausdrücken.<br />
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem<br />
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Wir unterstützen den Friedensprozess. Wir bekämpfen<br />
die Ursachen des Konflikts, indem wir helfen, die Gräben<br />
der malischen Gesellschaft zu überwinden, übrigens<br />
auch durch Förderung von Dezentralisierung, sodass alle<br />
Bevölkerungsgruppen stärker teilhaben können. Und wir<br />
unterstützen Projekte, die die Lebensumstände der Bevölkerung<br />
und die staatliche Handlungsfähigkeit spürbar<br />
verbessern.<br />
Insgesamt haben wir aus dem Haushalt des Auswärtigen<br />
Amts seit 2010 mehr als 50 Millionen Euro in zivile<br />
Maßnahmen in Mali investiert. Für 2017 sehen wir noch<br />
einmal mehr als 23 Millionen Euro vor, davon 6 Millionen<br />
Euro für humanitäre Hilfe.<br />
Meine Damen und Herren, mir geht es nicht um eine<br />
Vergleichsrechnung, aber ich finde, das Beispiel Mali<br />
zeigt, wie wichtig es ist, einen umfassenden Sicherheitsbegriff<br />
zugrunde zu legen. Das meinte ich mit dem<br />
Unterschied zu der aktuellen Debatte in den Vereinigten<br />
Staaten.<br />
Natürlich müssen wir uns fragen, welche Ergebnisse<br />
wir in Mali bislang erzielt haben, und nüchtern fragen,<br />
wo wir stehen. Die Sicherheitslage im Norden und zunehmend<br />
auch in der Mitte des Landes bleibt angespannt.<br />
Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gehören leider<br />
weiterhin zum Alltag für viele Menschen in Mali. Der<br />
Friedensprozess ist fragil, das Tempo der politischen Reformen<br />
langsamer, als wir es uns wünschen. Gleichzeitig<br />
gibt es aber auch wichtige Fortschritte:<br />
Im November konnten nach zweijähriger Verzögerung<br />
Kommunalwahlen abgehalten werden, auch in weiten<br />
Teilen des Nordens.<br />
In Gao, Ménaka und Kidal wurden unter Vermittlung<br />
durch die Friedensmission der Vereinten Nationen Übergangsverwaltungen<br />
eingesetzt. Das war lange ein erbitterter<br />
Streitpunkt zwischen den Konfliktparteien.<br />
Trotz eines verheerenden Anschlags im Januar hat es<br />
erste gemeinsame Patrouillen von Regierungstruppen,<br />
regierungsnahen Milizen und ehemals separatistischen<br />
Tuareg-Gruppen in Gao gegeben.<br />
(C)<br />
(D)<br />
Nicht zuletzt unterstützen wir – das wissen Sie –<br />
die Friedensmission der Vereinten Nationen in Mali,<br />
MINUSMA. Neben ihrem politischen Auftrag, die Umsetzung<br />
der Friedensabkommen zu unterstützen, ist die<br />
Friedensmission im Norden und im Zentrum des Landes<br />
im Einsatz, um Sicherheit zu gewährleisten. Deutsch-<br />
Das sind keine Meldungen, die es bei uns auf die Titelseiten<br />
schaffen, aber es sind wichtige Schritte, auch<br />
wenn sie noch klein sind. Dennoch ist klar: Friedenskonsolidierung<br />
ist mühsam, langwierig und verläuft nicht<br />
linear. Aber mich jedenfalls stimmt es positiv, dass die<br />
Konfliktparteien trotz aller Störversuche, weiterhin be-