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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23063<br />

(A)<br />

(B)<br />

Aber dann fehlen auch ganz wichtige Projekte und<br />

Themen: Digitalisierung – das Thema habe ich schon angesprochen<br />

– und das Thema Poolabschreibung bei geringwertigen<br />

Wirtschaftsgütern. Das hätte so dringend in<br />

dieses Gesetz gehört, so wie mehrfach angekündigt. Dabei<br />

geht es nicht nur um die Erhöhung des Betrages, sondern<br />

ganz besonders um den Bürokratieabbau. Was für<br />

ein gravierender Fehler, dieses Thema in die Hände der<br />

Haushälter und Steuerberater im Wirtschaftsausschuss zu<br />

legen. Beide sind erkennbar sehr weit von der Realität<br />

in den Betrieben entfernt – übrigens sind das oft auch<br />

die Steuerabteilungen in den Betrieben selbst. Wer wie<br />

ich 25 Jahre in der Industrie zugebracht hat, weiß, dass<br />

auch in den Betrieben das Verständnis zwischen operativ<br />

Verantwortlichen und Steuerabteilung nicht immer vom<br />

Respekt gegenüber der jeweils anderen Fachabteilung<br />

geprägt ist. Also hier ist – wenn ich die Signale aus Ministerium<br />

und Koalitionsfraktion richtig empfange – ein<br />

Desaster zu erwarten: Man habe sich auf „eine Verdopplung<br />

des Wertes“, also 800 Euro, geeinigt, ohne damit<br />

die wichtige Grenze von 1 000 Euro als Bedingung für<br />

die Abschaffung der Poolabschreibung zu erreichen. Ich<br />

sage das jetzt bewusst einmal so, dass es jeder verstehen<br />

kann: Eine bescheuertere Entscheidung ist schlicht nicht<br />

vorstellbar. Eine Schande für Herrn Gabriel, der sich<br />

schnell auf den Außenministerposten abgemacht hat und<br />

seine Zusagen als Wirtschaftsminister in dieser Sache im<br />

Mittelstandsausschuss des Wirtschaftsministeriums hier<br />

nicht mehr einlösen kann.<br />

Hier kann ich nur erneut an die Kolleginnen und Kollegen<br />

der Koalitionsfraktionen appellieren: Der Wert<br />

für die geringwertigen Wirtschaftsgüter und damit die<br />

Sofortabschreibung wurde zuletzt 1964 unter einem<br />

Bundeskanzler Ludwig Erhardt erhöht. Wenn wir diese<br />

Regelung nun anpassen, dann so, dass sie eine echte Verwaltungsvereinfachung<br />

bringt und auch beständig ist. Es<br />

könnte ja erneut 53 Jahre bis zu einer Anpassung dauern.<br />

Darum: Schaffen Sie die Poolabschreibung ab. Wir Grüne<br />

werden uns im weiteren Prozess hierfür einsetzen.<br />

Und dann noch mal zurück zum Thema Abführung der<br />

Sozialversicherungsbeiträge: Auch hier eine allenfalls<br />

Second-best-Lösung. Dies hat der Normenkontrollrat in<br />

seinem Gutachten geprüft und festgestellt. Ja, ich gestehe<br />

ein: Hier kann mit der getroffenen Regelung die Bürokratie<br />

deutlich eingeschränkt werden. Aber wir belasten Unternehmen<br />

mit stark schwankenden Beiträgen mit hohen<br />

Liquiditätseinbußen, indem die Lohnsumme des Vormonats<br />

angesetzt wird. In Zeiten guter Liquidität auch<br />

und gerade der Sozialkassen hätte doch hier der Schritt<br />

zur Wiedereinführung der Regelung vor 2006 erfolgen<br />

können. Erinnern wir uns: Damals wurde das Vorziehen<br />

der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund<br />

einer akuten Notlage der Sozialversicherungskassen<br />

vorgenommen – aber diese Notlage ist doch bei weitem<br />

nicht mehr gegeben. Da muss man doch sehen, dass wir<br />

uns in den guten Zeiten wieder einen Puffer zulegen.<br />

Und natürlich gilt auch hier: Bürokratieabbau: Es<br />

muss das Ziel sein, dass kleine und mittlere Unternehmen<br />

nur einmal zahlen, nur einmal im Monat sich mit dem<br />

Thema befassen müssen und damit tatsächlich entlastet<br />

werden. Das geht nur mit Rückkehr zur Regelung, die<br />

vor 2006 galt. Dabei kommt dann regelmäßig die Bemerkung:<br />

Das kostet 30 Milliarden Euro. Aber es ist eben nur<br />

eine Verschiebung von 30 Milliarden Euro in das nächste<br />

Haushaltsjahr. Das ist also nur ein Liquiditätseffekt, den<br />

wir uns übrigens gerade jetzt in Zeiten niedriger Zinsen<br />

gut leisten könnten. Wann werden sich endlich unternehmerisches<br />

Denken und Aspekte der Bilanzierung auch in<br />

den Ministerien und bei den Haushältern durchsetzen?<br />

Kommen wir aber zu weiteren Punkten: Zur Aufbewahrungspflicht<br />

von Lieferscheinen sieht das Gesetz<br />

eine neue Reglung vor. Die Pflicht zur Aufbewahrung<br />

von Lieferscheinen entfällt dann, wenn Lieferscheine<br />

keine Buchungsbelege sind. Diese Regelung soll rund<br />

zwei Drittel der kalkulierten Bürokratieentlastung im gesamten<br />

Gesetz bringen. Aber hören wir genau hin: Diese<br />

Höhe ist bei der Vielzahl der vorgebrachten Bedenken<br />

von Bundesrat und Verbänden zweifelhaft. In der Anhörung<br />

haben Handwerk und Industrie deutlich gemacht,<br />

dass sie Probleme bei der praktischen Anwendung sehen.<br />

Auch die Steuerberater kritisieren die neugeschaffene<br />

Rechtsunsicherheit. Konkret besteht die Gefahr, dass<br />

Lieferscheine zu früh vernichtet werden, was bei den<br />

Unternehmen zu Problemen beim Vorsteuerabzug führen<br />

kann. Auch die Länder im Bundesrat lehnen diese Regelung<br />

ab. Weil Lieferscheine oft Bestandteil der Rechnungen<br />

und bei Bargeschäften oft der einzige Anhaltspunkt<br />

bei der Ermittlung von Steuerhinterziehung sind, kann<br />

die neue Regelung Lücken bei der Verfolgung erzeugen.<br />

Und auch hier noch mal der Hinweis: In der Digitalen<br />

Welt wäre das Thema erledigt. Heute schon werden Lieferungen<br />

und Leistungen zu weit über 90 Prozent digital<br />

abgebildet – aber wir sind weit entfernt, diese Möglichkeiten<br />

für die entsprechenden Verwaltungsvorgänge an<br />

der Schnittstelle von Privatwirtschaft und Staat zu nutzen.<br />

Eine Schande!<br />

Kurz vor Abschluss der Beratungen hat die Koalition<br />

dann doch noch Verbesserungsbedarf gesehen und Änderungen<br />

eingebracht. Anpassung an erhöhten Mindestlohn<br />

bei pauschalierter Lohnsteueranmeldung sowie die<br />

Anhebung der Kleinbetragsrechnung von 150 Euro auf<br />

250 Euro. Hierfür werden rund 10 Millionen Euro Steuermindereinnahmen<br />

gegenüber 28,6 Millionen Euro Entlastung<br />

seitens der Wirtschaft veranschlagt. Immerhin.<br />

Aber was für ein Armutszeugnis gegenüber dem Einsparungspotenzial<br />

beim E-Government in der Größenordnung<br />

von einigen Milliarden Euro.<br />

Ich möchte nicht schließen, ohne nicht noch einen<br />

weiteren Schritt auf dem mühsamen Weg des Bürokratieabbaus<br />

vorzuschlagen. Eine handfeste Erleichterung und<br />

echte Anpassung an die Lebenswirklichkeit, die wir auch<br />

in die Ausschussberatungen eingebracht haben – leider<br />

erfolglos. Er betrifft die Umsatzsteuervoranmeldung und<br />

die wirklichkeitsfremde Berufseinschränkung von Bilanzbuchhalterinnen<br />

und Bilanzbuchhaltern. Sie dürfen<br />

die Umsatzsteuervoranmeldung offiziell nicht ans Finanzamt<br />

senden, obwohl ihr tägliches Brot die Erstellung<br />

exakt dieser Unterlage ist. Eine entsprechende Änderung<br />

würde Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen und<br />

überflüssige Verwaltungsschritte in Unternehmen abbauen.<br />

Aber der Änderungsantrag scheiterte an den Koaliti-<br />

(C)<br />

(D)

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