Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
(A)<br />
(B)<br />
haube beginnen, und das, obwohl der Bau auf wundersame<br />
Weise in den langen Jahren der Planung nach Angaben<br />
der Stiftung immer billiger geworden ist und sich<br />
dabei die anvisierte Bauzeit auch noch ständig verkürzt<br />
hat. Ich möchte, wenn ich mir andere Bauprojekte so anschaue,<br />
ja schon fast von einem Hauch göttlichen Segens<br />
für die Garnisonkirchenkopie sprechen.<br />
Nun Spaß beiseite: Tatsächlich setzen die Befürworterinnen<br />
und Befürworter vor allem auf eines: auf Spekulation,<br />
die Spekulation nämlich, die restlichen Gelder<br />
für den Bau des gesamten Turmes würden im Laufe des<br />
Baugeschehens schon noch irgendwie zusammenkommen.<br />
Was hierdurch droht, ist offensichtlich: eine riesige<br />
Bauruine mitten in Potsdams Zentrum.<br />
Wenn der Bund nun tatsächlich 12 Millionen Euro für<br />
die Garnisonkirchenkopie bereitstellen sollte, dann ist<br />
das erinnerungs- und geschichtspolitisch also nicht nur<br />
völlig daneben, sondern auch noch aus städtebaulichen<br />
sowie haushalterischen Erwägungen im höchsten Maße<br />
unvernünftig.<br />
Daher werbe ich für die Zustimmung für unseren Antrag.<br />
Lassen Sie uns das Kapitel Garnisonkirche ein für<br />
alle Mal beenden!<br />
Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN): „Stadt trifft Kirche“ ist das Motto des Potsdamer<br />
Beitrags zum Reformationsjubiläum. Auf eine Potsdamer<br />
Kirche – und um die geht es hier heute Abend – trifft<br />
das Motto aber leider nicht so ganz zu: die Potsdamer<br />
Garnisionkirche bzw. das, was davon noch übrig ist. Hier<br />
müsste das Motto eher heißen: Stadt streitet über Kirche.<br />
In der einstigen Hof- und Militärkirche Preußens fand<br />
am 21. März 1933 – nach dem Reichstagsbrand –, begleitet<br />
von Protesten der Kirchenleitung, der Festakt zur konstituierenden<br />
Sitzung des Reichstages statt. Den dortigen<br />
Handschlag Adolf Hiltlers mit dem Reichspräsidenten<br />
Paul von Hindenburg nutzten die Nationalsozialisten, um<br />
das Ereignis zum „Tag von Potsdam“ zu überhöhen, was<br />
wiederum in der DDR dazu genutzt wurde, die Kirche als<br />
angebliches Symbol des deutschen Militarismus sprengen<br />
zu lassen.<br />
Ob die Kirchengemeinde nach 1933 besonders rechts<br />
und linientreu gewesen ist, darüber gibt es unterschiedliche<br />
Quellen. Und daher halte ich auch den Feststellungsteil<br />
des Linkenantrags, über den wir hier heute<br />
abstimmen, für sachlich nicht angemessen. In anderen<br />
Potsdamer Kirchen soll im Gegensatz zur Garnisonkirche<br />
„Mein Kampf“ auf dem Altar neben der Bibel gelegen<br />
haben. Mit dem NS-Regime verbundene Pfarrer sollen<br />
sich eher über die mangelnde Linientreue innerhalb<br />
der Garnisonkirchengemeinde beschwert haben. Adolf<br />
Hitler war zwei Stunden in der Garnisonkirche. Aus der<br />
gleichen Kirchgemeinde sind aber mehr als zwanzig<br />
Männer und Frauen hingerichtet worden, weil sie gegen<br />
Hitler waren.<br />
Was meine Fraktion und ich aber definitiv unterstützen,<br />
ist die Forderung des Linkenantrags, dass der Bund<br />
sich nicht finanziell an dem Wiederaufbau beteiligen soll.<br />
Wir werden daher trotz einiger für uns kritischer Formulierungen<br />
im Feststellungsteil dem Antrag der Linken<br />
insgesamt zustimmen.<br />
Einer privaten Aufbauinitiative, die sich kritisch der<br />
Geschichte des Bauwerks stellt, stehen wir nicht im<br />
Wege. Aber wir sehen keine Veranlassung zu öffentlicher<br />
Förderung in Millionenhöhe von einem Streitobjekt, zumal<br />
Potsdam weder einen Mangel an Kirchen noch an<br />
historischen Bauwerken hat und die Stiftung Garnisonkirche<br />
2008 zu Beginn ihrer Arbeit für den Wiederaufbau<br />
versicherte, ausschließlich Spendengelder für den Wiederaufbau<br />
einzuwerben.<br />
In diesem Sinne kann ich nur an die Worte des ehemaligen<br />
obersten Brandenburgischen Denkmalschützers<br />
Detlef Karg erinnern, der im Februar 2012 zu dem<br />
geplanten Bau sagte, es sei „nicht Aufgabe der Denkmalpflege,<br />
einen verlorenen Bau wieder aufzurichten.<br />
… Wenn man in Potsdam am alten Standort eine Kirche<br />
bauen will, kann man das auch in der heutigen Architektursprache<br />
tun.“ Er verwies in seiner Kritik, an die Adresse<br />
der Evangelischen Kirche gerichtet, insbesondere<br />
darauf, dass im Land Brandenburg 1 164 Dorfkirchen<br />
und 700 Stadtpfarrkirchen in ihrer Bausubstanz ernsthaft<br />
gefährdet seien. Ich habe etliche dieser Dorfkirchen besucht<br />
und bin überzeugt, dass ihr Erhalt für das Gemeinwohl<br />
weitaus wichtiger wäre.<br />
Was diesen lokalen Kirchenneubau gegenüber anderen<br />
Projekten so national bedeutsam macht, dass dafür<br />
Millionenbeträge aus dem Kulturhaushalt des Bundes<br />
bereitgestellt werden, ist meiner Fraktion jedenfalls verschlossen<br />
geblieben. Wir könnten viele andere Kulturprojekte<br />
nennen, die das Geld aus unserer Sicht dringender<br />
bräuchten. An anderer Stelle im Land Brandenburg<br />
wie zum Beispiel in Frankfurt/Oder kann die dortige<br />
Kommune die für die Sanierung ihrer Konzerthalle notwendigen<br />
5,2 Millionen Euro einfach nicht aufbringen.<br />
Dabei ist sie die Spielstätte des international anerkannten<br />
Brandenburgischen Staatsorchesters und die ehemalige<br />
Kirche des 1270 errichteten früheren Franziskanerklosters.<br />
Unsere Ablehnung der öffentlichen Förderung bedeutet<br />
jedoch nicht, dass wir das Anliegen der Nagelkreuzgemeinschaft,<br />
wovon das Garnisonkirchen-Projekt seit<br />
2004 Mitglied ist, nicht auch als Grüne teilen würden.<br />
Die Ziele der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft lauten<br />
neben der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg:<br />
Wunden der Geschichte heilen, mit Verschiedenheiten<br />
leben und die Vielfalt feiern, an einer Kultur des Friedens<br />
bauen. Allein in Deutschland sind das 63 Orte in<br />
49 Städten.<br />
Aus unserer Sicht muss sich das Neubauprojekt dann<br />
aber auch kritisch mit der militärisch geprägten Geschichte<br />
des Bauwerks auseinandersetzen und einen klaren<br />
Schnitt vollziehen. Der Potsdamer Historiker Martin<br />
Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung,<br />
formulierte treffend, dass „das Projekt zum<br />
Wiederaufbau der Kirche nur dann seine Realisierungschance<br />
wird nutzen können, wenn es die feine Trennlinie<br />
zwischen Mythos und Erinnerungsort nicht überschreitet<br />
und immer wieder deutlich macht, dass es darum geht,<br />
(C)<br />
(D)