Deutscher Bundestag
2nCLeRm
2nCLeRm
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
23022<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
(A)<br />
(B)<br />
Der Landtag arbeitet im wiedererstandenen Schloss, das<br />
Interhotel kann weiterhin mit schönstem Blick, in bester<br />
Innenstadtlage und mit Geschichten aus der alten Zeit<br />
Gäste beherbergen, und sogar das Rechenzentrum mit<br />
seiner sozialistischen Kitschkunst hat seinen Platz neben<br />
dem Kirchturm.<br />
Darüber hinaus geht es auch um die Wiederbelebung<br />
einer ehemals aktiven christlichen Gemeinde, ein nicht<br />
zu unterschätzender Punkt. Deshalb hat das Projekt ja<br />
eine so breite Zustimmung innerhalb der EKD, trotz des<br />
lautstarken Protests einer kleinen innerkirchlichen Minderheit.<br />
In den Kirchen der Reformation lebt eben eine<br />
tief demokratische Tradition.<br />
Und auch die Diskussion um den geschichtlichen<br />
Symbolismus hat sich doch stark versachlicht. Hier muss<br />
insbesondere die Wiederaufbauinitiative ausdrücklich<br />
gelobt werden: Die problematischen Kapitel der Kirche<br />
– Stichwort „Tag von Potsdam“ oder „preußische<br />
Militärkirche“ – werden offensiv und damit nachhaltig<br />
aufgegriffen.<br />
Eigentlich könnten wir uns alle sehr einvernehmlich<br />
hinter dieses Projekt stellen. Aber das scheint ja leider<br />
für die Linkspartei keine Option zu sein. Stattdessen<br />
führt sie wie die anderen verbliebenen Gegner des Projekts<br />
bewusst oder unbewusst das Werk der SED fort. Die<br />
Sprengung des nur mittelmäßig beschädigten markanten<br />
Kirchturms und die Beseitigung einer aktiven Gemeinde<br />
– es gab eine Kapelle – war und ist durch nichts zu<br />
rechtfertigen. Und es ging nicht nur um die Garnisonkirche,<br />
sondern um die Bekämpfung des religiösen Lebens<br />
und religiöser Bauten in Ostdeutschland insgesamt. Das<br />
war damals das Ziel der Kampagne von Walter Ulbricht<br />
und der SED, dem neben der Garnisonkirche Potsdam<br />
viele weitere Kirchen in Ostdeutschland zum Opfer<br />
fielen. In Summe waren es bis 1968 satte 50 Gebäude,<br />
darunter die vollkommen intakte Universitätskirche<br />
Leipzig, die Ulrichskirche in Magdeburg oder die Gnadenkirche<br />
Berlin. Dieses Vorgehen reihte sich ein in die<br />
Unterdrückung der Jungen Gemeinden in den ersten<br />
Jahrzehnten der DDR und der schulischen, beruflichen<br />
und akademischen Benachteiligung von getauften Kindern,<br />
insbesondere von Kindern aus Pfarrerfamilien.<br />
Es ist für mich schon eine ganz bittere Ironie, dass eine<br />
geschichtsvergessene Enkelgeneration mit überbordendem<br />
Selbstbewusstsein den ideologischen Feldzug ihrer<br />
Funktionärsgroßeltern weiterführt.<br />
Um versöhnlich zu enden: Auf der exzellenten und<br />
sehr sachlichen Webseite Kirchensprengung.de von<br />
Dr. Tobias Köppe aus Magdeburg, einem plastischen<br />
Chirurgen und Vorsitzenden des Kuratoriums Ulrichskirche<br />
Magdeburg, werden die ganzen großen und kleinen<br />
Barbareien der SED-Kampagne aufgelistet. An einigen<br />
zentralen Punkten hat es schon versöhnende Neuanfänge<br />
geben; prominentestes Beispiel ist der Kompromiss bei<br />
der Universitätskirche in Leipzig. Der Wiederaufbau des<br />
Garnisonkirchenturms in Potsdam reiht sich in diese positive<br />
Geschichte ein. Darüber freue ich mich sehr.<br />
lerin den Handschlag vor laufenden Kameras – ein sehr<br />
ungewöhnlicher, unhöflicher und symbolträchtiger Vorgang.<br />
März 1933: Ein deutscher Präsident reicht dem deutschen<br />
Reichskanzler Adolf Hitler auf den Stufen der Garnisonkirche<br />
die Hand – ein Bild wird zum Symbol.<br />
Beide Vorgänge stehen selbstredend in keinem politischen<br />
oder zeitlichen Zusammenhang, verraten uns aber<br />
viel über die Macht der Bilder, und sie verdeutlichen, wie<br />
Bilder instrumentalisiert werden können.<br />
Leider entstand kein Bild im März des Jahres 1809,<br />
als in Potsdam der erste freigewählte Magistrat zusammentrat<br />
und im selben Jahr in der Potsdamer Garnisonkirche<br />
feierlich vereidigt wurde – ein historischer Moment<br />
für die Stadt Potsdam und dennoch weitestgehend<br />
vergessen.<br />
Die Linke ist offenbar der Meinung – anders erklärt<br />
sich ihr Antrag nicht –, dass wir der Geschichtsklitterung<br />
der Nationalsozialisten, die sich um den sogenannten<br />
„Tag von Potsdam“ rangt, nichts entgegenzusetzen haben.<br />
Dieser Meinung bin ich explizit nicht.<br />
Die Potsdamer Garnisonkirche ist weit mehr als das<br />
Symbol, das die Nationalsozialisten daraus gern machen<br />
wollten, und ich weigere mich, ihnen darin die<br />
Deutungshoheit zu überlassen. Die Kirche gilt als der<br />
bedeutendste Sakralbau des barocken Preußens und war<br />
das Wahrzeichen Potsdams. Sie prägte das Stadtbild. Sie<br />
ist Motor für jahrelanges bürgerschaftliches Engagement<br />
und nicht zuletzt für kontroverse Debatten, von denen<br />
unsere Demokratie ja bekanntlich lebt.<br />
Ich glaube, dass es deshalb wichtig und richtig ist, die<br />
Kirche wieder aufzubauen. Einer der prominentesten Unterstützer<br />
des Wiederaufbaus, Günther Jauch, sagte, man<br />
brauche diese „authentischen Orte, um uns an die Vielschichtigkeit<br />
unserer Geschichte zu erinnern und unsere<br />
Lehren daraus zu ziehen ... Dort, wo nichts mehr steht,<br />
wird auch nach nichts gefragt.“<br />
Und er hat recht. Denn es gibt ja einen guten Grund,<br />
warum wir selbst die ultimativsten Orte des Bösen, die<br />
Konzentrationslager der Nazis, als Gedenkstätten erhalten<br />
haben. Sie sind Teil unserer Geschichte, und die darf<br />
nicht in Vergessenheit geraten.<br />
Und wenn das wahr ist, dann gilt das mindestens genauso<br />
für Orte, die die Nazis für sich vereinnahmen wollten,<br />
obwohl deren Geschichte in Wahrheit weit mehr ist.<br />
Deshalb ist es richtig, dass mit dem Wiederaufbau der<br />
Kirche ein Ort für Frieden und Versöhnung geschaffen<br />
werden soll, der die vielschichtige Vergangenheit des Ortes<br />
nicht leugnet, sondern sie richtig einordnet.<br />
Der Stiftung „Garnisonkirche“ wurden 12 Millionen<br />
Euro des Bundes zugesagt, wenn die restlichen Mittel<br />
für den Wiederaufbau des Turms durch Spenden gesichert<br />
seien. Nach Informationen der Stiftung betragen<br />
die Spenden nach heutigem Stand 9,1 Millionen Euro.<br />
Weitere 5 Millionen Euro sollen durch ein zinsfreies Darlehen<br />
der evangelischen Kirche bereitgestellt werden.<br />
Die Stiftung bittet den Bund nun, für 26,1 Millionen<br />
Euro zunächst eine reduzierte Version des Turms bauen<br />
(C)<br />
(D)<br />
Johannes Kahrs (SPD): März 2017: Ein amerikanischer<br />
Präsident verweigert der deutschen Bundeskanz-