Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
Bundesminister Sigmar Gabriel<br />
(A)<br />
(B)<br />
bares leisten können. Der Einsatz deutscher Soldatinnen<br />
und Soldaten in der europäischen Ausbildungs- und<br />
Trainingsmission EUTM Mali gehört dazu. Mehr noch:<br />
Er ist Teil eines umfassenden Ansatzes. Denn unsere<br />
europäische Stärke ist es ja gerade, dass wir Krisen mit<br />
einem breiten Instrumentenkasten angehen: mit diplomatischen,<br />
zivilen und polizeilichen Mitteln und auch militärisch.<br />
Gerade die Europäische Union ist in der Lage,<br />
alle diese Instrumente zur Verfügung zu stellen. Das ist<br />
ein Markenkern europäischer Außen- und Sicherheitspolitik,<br />
den wir beibehalten und ausbauen müssen und den<br />
wir – das sage ich ganz offen – nicht wieder verkleinern<br />
dürfen aufgrund der von den Vereinigten Staaten ausgehenden<br />
Debatte, in der Sicherheit auf Militärausgaben<br />
reduziert wird. Diese werden dort ja erhöht, und gleichzeitig<br />
werden die Mittel für die zivile Krisenprävention<br />
im Außenministerium gekürzt. Europa ist das genaue Gegenteil<br />
davon, und das ist auch gut so.<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der<br />
CDU/CSU)<br />
Meine Damen und Herren, unser Engagement in Mali<br />
ist auch deshalb so wichtig, weil die Stabilisierung Malis<br />
ein Schlüssel für Sicherheit und Entwicklung in der<br />
gesamten Region ist. Denn grenzüberschreitender Terror<br />
und organisierte Kriminalität bedrohen auch die Sicherheit<br />
der Nachbarn und mittelbar eben auch die Europas.<br />
Mali gewinnt als Transit- und Herkunftsland für irreguläre<br />
Migration und Flucht an Bedeutung. Als eines der<br />
ärmsten Länder der Welt steht Mali außerdem nicht nur<br />
vor enormen politischen Herausforderungen. Es muss<br />
auch durch Bekämpfung von Hunger und Armut der eigenen<br />
Bevölkerung eine tragfähige Zukunftsperspektive<br />
bieten.<br />
und ob die Bundesregierung gegebenenfalls erwägt, diesen<br />
Tornadoeinsatz zu stoppen bzw. zu beenden und zu<br />
untersuchen, was passiert ist?<br />
Sigmar Gabriel, Bundesminister des Auswärtigen:<br />
Wenn Sie gestatten, würde ich gerne auf beides antworten,<br />
sowohl auf Ihren Hinweis, dass militärische Einsätze<br />
immer auch schlimme Folgen haben, als auch auf<br />
den konkreten Fall.<br />
Gerade wir Deutsche selbst haben doch erfahren – das<br />
sage ich nicht mit übertriebenem Pathos –, dass wir am<br />
Ende Gewalt und Terror in unserem Volk – zum Beispiel<br />
damals durch die Nationalsozialisten – nicht stoppen<br />
konnten, ohne dass uns andere mit Militäreinsatz zu<br />
Hilfe gekommen sind. Auschwitz hat sich nicht selbst<br />
befreit, sondern es war die Rote Armee, die Auschwitz<br />
befreit hat. Hätten amerikanische Eltern ihre Söhne und<br />
manchmal auch ihre Töchter nicht in den Zweiten Weltkrieg<br />
geschickt, würden wir heute unter Hitler oder unter<br />
Stalin leben. Das zeigt: In der Ultima Ratio können Sie<br />
manchmal das Leben von Menschen nur schützen, wenn<br />
Sie militärische Mittel einsetzen. Wenn die Weltgemeinschaft<br />
nicht so lange zugesehen hätte, hätten vielleicht<br />
nicht Millionen Menschen in Ruanda im Völkermord untergehen<br />
müssen.<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)<br />
Auch ich wünsche mir eine Welt, in der man so etwas<br />
nicht braucht. Aber Sie sollten wissen: Man kann sich<br />
schuldig machen durch den Einsatz militärischer Mittel,<br />
man kann sich auch schuldig machen durch die Verweigerung<br />
militärischer Mittel.<br />
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Durch Nichtstun!)<br />
Man muss sich immer darüber im Klaren sein, was man<br />
macht.<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)<br />
Zu Ihrem konkreten Fall. Nach meinem Kenntnisstand<br />
ist der Tornadoeinsatz nicht verantwortlich dafür,<br />
was dort passiert ist. Es gab auch eine Unterrichtung im<br />
Verteidigungsausschuss dazu. Insofern kann ich jetzt nur<br />
wiedergeben, dass nach meinem Kenntnisstand, nach<br />
dem Kenntnisstand der Bundesregierung, der Zusammenhang,<br />
den Sie beschrieben haben, nicht existiert.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der<br />
CDU/CSU)<br />
Ich möchte eigentlich die Mali-Mission begründen,<br />
weil diese gerade dazu dienen soll, das Voranschreiten<br />
von Terrorismus und Mord zu begrenzen. Aber da Sie,<br />
wie ich sehe, anderer Meinung sind, will ich es noch ein<br />
wenig zuspitzen: Was, glauben Sie, würde passieren,<br />
wenn Europa oder die internationale Völkergemeinschaft<br />
im Fall von Mali sagt: „Wir ziehen uns zurück“? Diese<br />
Position kann man einnehmen. Dann muss man aber<br />
bereit sein, zu sagen: Ja, ich bin dann auch bereit, die<br />
Verantwortung dafür zu tragen, dass Boko Haram wieder<br />
nach vorne geht, dass sich die Tuareg nicht in einen zivilen<br />
Friedensprozess begeben und dass mehr Menschen<br />
weiter unter Terror, Gewalt, Mord und Vergewaltigung<br />
(C)<br />
(D)<br />
Vizepräsidentin Michaela Noll:<br />
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin<br />
Hänsel zu?<br />
Sigmar Gabriel, Bundesminister des Auswärtigen:<br />
Selbstverständlich.<br />
Heike Hänsel (DIE LINKE):<br />
Danke schön. – Herr Minister Gabriel, ich möchte Sie<br />
aus aktuellem Anlass fragen. Sie haben gerade gesagt,<br />
Europa stellt in der Sicherheitspolitik das genaue Gegenteil<br />
zu den USA dar. Aber Kriegseinsätze ähneln sich<br />
doch und bedeuten viel Leid und Tote vor Ort. Uns liegen<br />
aktuell Meldungen vor, dass der Tornadoeinsatz der Bundeswehr<br />
mit dazu beigetragen hat, dass über 33 Zivilisten<br />
in einer ehemaligen Schule in Syrien getötet wurden.<br />
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist eine<br />
ungeheuerliche Behauptung! Die Tornados<br />
haben überhaupt nicht dazu beigetragen!)<br />
– Die Meldungen sind da, und ich hätte gern den Minister<br />
gefragt, was er zu diesen Meldungen sagt<br />
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Dann müssen<br />
Sie einmal die Meldungen richtig lesen!)