01.04.2017 Aufrufe

Deutscher Bundestag

2nCLeRm

2nCLeRm

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23029<br />

(A)<br />

(B)<br />

Wir kommen folglich zum dritten Bereich: Uns geht<br />

es nicht nur darum, dass Kunden ein Produkt empfohlen<br />

bekommen, das zu ihren Bedürfnissen und ihrer Risikoneigung<br />

passt. Uns geht es ebenfalls darum, dass<br />

die Käufer einer solchen Geldanlage auch dann besser<br />

geschützt werden, wenn durch Marktmissbrauch oder<br />

betrügerisches Handeln der Anbieter einer Geldanlage<br />

„pleitegeht“ und sich der Anbieter nun zum Beispiel aus<br />

dem Staub machen oder in die Insolvenz gehen will, ohne<br />

seine Kunden zu entschädigen. An dieser Stelle muss die<br />

Finanzaufsicht BaFin stellvertretend für die Gesamtheit<br />

der geschädigten Verbraucher dafür sorgen, dass gesichert<br />

ist, dass die Anleger ihre Rechte auch durchsetzen<br />

können. Anbietern darf es nicht ermöglicht werden, eine<br />

Pleite zu vertuschen oder schlicht auszusitzen, weil für<br />

viele Verbraucher eine Klage zu teuer ist oder deren Ansprüche<br />

schon längst verjährt sind. Die Finanzaufsicht<br />

soll nur die Türen offen halten und damit sichern, dass<br />

die Gruppe der geschädigten Anleger überhaupt rechtzeitig<br />

die Chance bekommt, ihre Rechte durchzusetzen.<br />

Bisher ist mir noch kein stichhaltiges Argument gegen<br />

diese kleine Forderung untergekommen; denn es gibt ja<br />

noch keine umfassenden Möglichkeiten zur Muster- bzw.<br />

Gruppenklage.<br />

Apropos „Klage“: Wie Sie sich hinter der schnöden<br />

Umsetzung einer EU-Richtlinie verstecken, ist schon<br />

kläglich. Da ist viel mehr Luft nach oben. Wenn Sie von<br />

der Regierungskoalition nicht mehr Bestandsschützer<br />

der Provisionsberatung wären, Verbraucher nach Anlagepleiten<br />

besser schützen und endlich Luft aus den Finanzmärkten<br />

nehmen würden, gäbe es deutlich weniger<br />

Gründe für Klagen.<br />

Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />

Ich will zunächst auf zwei Geschäftsmodelle eingehen,<br />

um deren wirksame Regulierung wir Grünen seit Jahren<br />

in Deutschland und Europa ringen: den Hochfrequenzhandel<br />

und die Nahrungsmittelspekulation.<br />

Die durchschnittliche Haltedauer von Wertpapieren<br />

wurde vor wenigen Jahrzehnten noch in Jahren angegeben.<br />

Daraus wurden dann Monate, Wochen, Tage, und<br />

in den USA, dem Epizentrum des Hochfrequenzhandels,<br />

soll sie mittlerweile bei knapp über 20 Sekunden liegen.<br />

Dabei hat sich das Anlageverhalten privater und institutioneller<br />

Anleger kaum verändert – der Hochfrequenzhandel,<br />

in dem Millisekunden Millionen bedeuten können,<br />

ist für die Veränderung des Durchschnitts verantwortlich,<br />

und das zeigt das gewaltige Ausmaß, das er mittlerweile<br />

angenommen hat.<br />

Aber bei der Regulierung des Hochfrequenzhandels<br />

tut dieses Gesetz zu wenig. Sie haben Angst, eine<br />

wirksame Regulierung einzuführen, da Sie den Hochfrequenzhandel<br />

in Deutschland halten wollen. Doch warum<br />

eigentlich? Der Mehrwert von Hochfrequenzhändlern ist<br />

höchst umstritten, wahrscheinlich schaden sie sogar. Die<br />

Bundesbank hat dazu im Oktober 2016 eine Studie vorgelegt.<br />

Ihr Ergebnis war eindeutig: Hochfrequenzhandel<br />

wird dann gefährlich, wenn sich Märkte krisenhaft entwickeln.<br />

Die vermeintliche Bereitstellung von Liquidität<br />

verschwindet genau dann, wenn sie benötigt wird.<br />

Der Antrag der Linken hat hier das richtige Ziel vor<br />

Augen. Wir teilen dieses, sehen aber andere Instrumente<br />

als wirkungsvoller an, weshalb wir uns enthalten.<br />

Auch bei Nahrungsmittelspekulationen ist die Große<br />

Koalition inkonsequent. Um diese einzudämmen, sieht<br />

die MiFID II Positionslimits für bestimmte Warenderivate<br />

vor. Die Regeln hierzu werden auf EU-Ebene gemacht.<br />

Doch die dort vorgelegten Standards sind schwach und<br />

verhindern Spekulation nicht. Wir haben in unserem<br />

Antrag dazu aufgefordert, bei diesen EU-Regeln nachzubessern.<br />

Sie haben den Antrag dann an den Ausschuss<br />

verwiesen, obwohl klar war, dass dadurch die Frist zur<br />

Nachbesserung verstreichen würde. Jetzt fordern Sie,<br />

dass die Aufsicht die schwachen Regeln besonders streng<br />

umsetzt. Das erschließt sich mir nur folgendermaßen:<br />

Entweder, Sie haben spät eingesehen, dass unser Anliegen<br />

richtig war, oder Ihr Interesse an der Eindämmung<br />

der Nahrungsmittelspekulation ist nur Schaufensterpolitik.<br />

Auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes hat die Bundesregierung<br />

es versäumt, die von vielen Seiten geäußerten<br />

Kritikpunkte aufzugreifen. Wir müssen uns fragen:<br />

Warum ist das Anlageverhalten von Verbraucherinnen<br />

und Verbrauchern in Deutschland von so geringer Kosteneffizienz<br />

und entsprechend geringer Rendite geprägt?<br />

Warum stecken deutsche Haushalte ihr Geldvermögen zu<br />

vier Fünfteln in Bargeld, Einlagen oder Versicherungsund<br />

Alterssicherungsansprüche, obwohl das oft nicht<br />

zum individuellen Bedarf passt?<br />

Betrachtet man die MiFID-II-Umsetzung, dann sind<br />

die Antworten bekannt: Es mangelt an einer verbrauchergerechten<br />

Beratung und Offenlegungspflichten vor und<br />

während der Vertragsdauer, damit Verbraucherinnen und<br />

Verbrauchern überhaupt die Möglichkeit gegeben wird,<br />

Produkte zu vergleichen und eine mündige Anlageentscheidung<br />

zu treffen. Es geht um Wettbewerbsneutralität<br />

bei der Benennung und Regulierung der unabhängigen<br />

Honorarberatung und der nichtunabhängigen Provisionsberatung.<br />

Und es geht auch darum, dass wir als Gesetzgeber<br />

ehrlich sind gegenüber den Bürgerinnen und<br />

Bürgern: Die Bundesregierung hält daran fest, dass die<br />

bloße Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen<br />

Filialnetzes die Qualität der individuellen Beratungsdienstleistung<br />

für Kundeninnen und Kunden verbessern<br />

würde. Die gesetzliche Folge wäre, dass als eine weitere<br />

Ausnahme vom eigentlichen Provisionsverbot auch in<br />

diesen Fällen Provisionen ohne Weiteres erlaubt blieben.<br />

Das ist absurd. Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

der Regierungskoalition, ich gehe davon aus, dass Sie<br />

demnächst deutlich häufiger bei McDonald’s konspirieren<br />

als im Borchardt’s; schließlich gewährleistet das<br />

weitverzweigte regionale Filialnetz des großen „M“ ein<br />

gesteigertes Maß an Qualität. Der Antrag der Linken hat<br />

hier ebenfalls viele wichtige Punkte aufgegriffen, die ich<br />

daher nicht weiter ausführen will.<br />

Wenn wir über den Tellerrand dieses Gesetzes blicken,<br />

dann gibt es noch andere Gründe für das ineffiziente Anlageverhalten<br />

in Deutschland. Wer rechtlichen Rat braucht,<br />

sucht sich einen Anwalt, wer seine Steuern regeln will,<br />

einen Steuerberater. Aber wer eine Anlageentscheidung<br />

treffen will, müsste sich überlegen: Gehe ich zum Versi-<br />

(C)<br />

(D)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!