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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22901<br />

Axel Schäfer (Bochum)<br />

(A)<br />

und die Errungenschaften für die Demokratie in Großbritannien<br />

wertschätzen.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der CDU/CSU)<br />

Vizepräsidentin Michaela Noll:<br />

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer. – Als Nächste<br />

spricht Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Fraktion.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

Andrea Lindholz (CDU/CSU):<br />

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Das vereinte Europa begann als Traum von wenigen, es<br />

wurde zur Hoffnung für viele, und es schafft heute Wohlstand<br />

und Frieden für Millionen von Menschen.<br />

Das Ausmaß der Verhandlungen – wir haben das in den<br />

letzten Monaten hier erlebt und durch unsere Ausschüsse<br />

erfahren – ist gewaltig. Da ist natürlich auch potenzielles<br />

Streitpotenzial in erheblichem Umfang vorhanden. Das<br />

Vereinigte Königreich ist mit der Europäischen Union<br />

auf vielen Ebenen eng verwachsen. Nicht nur die Beziehungen<br />

innerhalb Europas sind zu regeln, sondern auch<br />

das Verhältnis zu Drittstaaten muss neu geregelt werden.<br />

Mit dem jetzt zunächst einmal anstehenden Austrittsabkommen<br />

ist die Möglichkeit da, einvernehmlich eine<br />

Trennung zu schaffen. Das Verhandlungsmandat wird<br />

in den nächsten Wochen erteilt. Es geht hier erst einmal<br />

um einige technische Angelegenheiten. Es geht vor allen<br />

Dingen auch um die Rechte der Bürger, zum Beispiel um<br />

den Bestandsschutz für erworbene Rechte im Bereich der<br />

Pensionsansprüche. Es geht aber auch um den finanziellen<br />

Ausgleich zwischen Europa und Großbritannien. Gerade<br />

dieser Punkt wird mit Sicherheit nicht einfach sein.<br />

(C)<br />

Trotzdem hat die britische Regierung gestern offiziell<br />

den Austrittswillen für 60 Millionen Briten bekundet.<br />

Das ist ein donnernder Weckruf für Europa. Es war kein<br />

Tag der Freude. Ich bedaure diese Entscheidung sehr;<br />

denn uns verbindet mit Großbritannien viel.<br />

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist ein<br />

Privileg und kein Zwang. Wenn sich ein Land allerdings<br />

entscheidet, auszutreten, ist das legitim. Die Entscheidung<br />

des britischen Volkes ist natürlich zu respektieren.<br />

Die Folgen sollten allerdings allen Europäern klar sein.<br />

Parallel dazu müssen noch ein oder mehrere Handelsabkommen<br />

hinzutreten, wie man in Zukunft gemeinsam<br />

weiterarbeitet. Es gibt dabei wichtige Themen – sie sind<br />

angesprochen worden – wie den Bereich Sicherheit und<br />

Wirtschaft. Aber – ich bin Herrn Bundesminister Gabriel<br />

sehr dankbar, dass er das heute noch einmal klar formuliert<br />

hat – erst einmal müssen die Eckpunkte für den Austritt<br />

stehen. Ich halte das für die richtige Vorgehensweise.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD)<br />

(B)<br />

Aus jedem Trennungsprozess ergeben sich auch<br />

Chancen. Diese Chancen sollten wir für die verbleibenden<br />

27 Mitgliedstaaten nutzen und dringend notwendige<br />

Reformen vollziehen. Europa hat in den letzten Monaten<br />

zum Beispiel mit Blick auf die Flüchtlingskrise nicht<br />

immer ein gutes und nicht immer ein einheitliches Bild<br />

abgegeben.<br />

Die Zukunft des Vereinigten Königreiches steht vor<br />

einigen Herausforderungen. Schottlands Regierung und<br />

das schottische Parlament fordern ein neues Unabhängigkeitsreferendum.<br />

Die britische Wirtschaft braucht unbedingt<br />

den Zugang zum EU-Binnenmarkt. Das Aufenthaltsrecht<br />

Tausender EU-Bürger ist plötzlich unklar. Die<br />

Menschen erwarten zu Recht zügig Antworten. Dafür<br />

tragen die Kommission, der Rat und die britische Regierung<br />

jetzt die Verantwortung. Denn echte Verantwortung<br />

gibt es nur, wo es wirkliche Antworten gibt – das schrieb<br />

bereits der jüdische Philosoph Dr. Martin Buber.<br />

Wir erinnern uns aber auch an die Brexit-Befürworter.<br />

Sie haben zentrale Wahlversprechen nur wenige Stunden<br />

nach der Abstimmung öffentlich als Fehler bezeichnet<br />

und die Verantwortung verweigert. Die Folgen des Brexit<br />

müssen jetzt andere bewältigen.<br />

Die Antworten, die wir geben müssen, werden nicht<br />

einfach sein. Es geht zum einen darum, die Vereinbarungen<br />

für den Austritt Großbritanniens selbst, aber auch für<br />

die künftigen Beziehungen zu regeln. Zum anderen – das<br />

ist viel wichtiger – geht es darum, dass wir die Einheit<br />

und Stärke der verbleibenden Mitgliedstaaten erhalten<br />

und gemeinsam unsere Interessen vertreten und unsere<br />

Werte schützen.<br />

Insgesamt müssen über 200 000 Rechtsakte geändert<br />

werden. Dafür braucht es konstruktive, faire und geordnete<br />

Verhandlungen und vor allen Dingen Grundregeln,<br />

auf die wir uns verständigen. Für mich sind es drei – ich<br />

habe sie formuliert –:<br />

Erstens. Die Europäische Union muss hart und geschlossen<br />

handeln, ohne unnötig Porzellan zu zerschlagen.<br />

Die Werte und Interessen der 27 Mitgliedstaaten<br />

müssen zuerst kommen. Trotzdem wollen und müssen<br />

wir die freundschaftlichen Beziehungen zum Vereinigten<br />

Königreich natürlich wahren.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />

Zweitens. Wer die Privilegien der EU beansprucht, der<br />

muss auch ihre Pflichten akzeptieren. Freien Zugang zum<br />

Binnenmarkt darf es nur geben, wenn alle vier Grundfreiheiten<br />

– die Freizügigkeit für Waren, Kapital, Dienstleistungen<br />

und Menschen – untrennbar miteinander verbunden<br />

sind. Eine Rosinenpickerei darf es an dieser Stelle<br />

nicht geben.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD)<br />

Drittens. Theresa May hat es in ihrem Austrittsschreiben<br />

selbst betont: Ein harter Brexit wäre die schlechteste<br />

Lösung. Er würde bedeuten, dass es nach den zweijährigen<br />

Austrittsverhandlungen keine Übergangsregelungen<br />

gibt. Das wäre für die nachfolgenden Verhandlungen<br />

denkbar schlecht, vor allen Dingen für das Vereinigte<br />

Königsreich. Denn wenn man Großbritannien wie einen<br />

beliebigen Drittstaat behandeln würde, dann wären die<br />

Folgen allein für den britischen Finanzsektor desaströs.<br />

(D)

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