Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
Agnieszka Brugger<br />
(A)<br />
(B)<br />
Aber angesichts der extrem schwierigen Lage in Somalia<br />
gibt es eine Sache, an der es da nicht mangelt:<br />
Das ist die Vielzahl der Akteure, gerade wenn es um den<br />
Sicherheitssektor geht. Die Afrikanische Union, die Europäische<br />
Union, die Türkei, Großbritannien, die USA,<br />
die Vereinigten Arabischen Emirate und sogar private<br />
Militärfirmen sind in diesem Bereich aktiv – mit ihren jeweils<br />
eigenen Interessen und auf eigene Rechnung. Was<br />
in Somalia nämlich eindeutig fehlt, das ist eine Strategie<br />
für einen nachhaltigen Aufbau politisch kontrollierter<br />
Sicherheitskräfte, die im Dienste aller Menschen stehen.<br />
In diesem Umfeld findet die europäische Ausbildungsmission<br />
EUTM Somalia statt. Sie wurde 2010 begonnen,<br />
hat die ersten Jahre in Uganda stattgefunden, und<br />
die Bundesregierung hat sich damals aus guten Gründen<br />
nicht daran beteiligt, weil sie berechtigte Zweifel hatte,<br />
ob diese Mission so zum Ziel führt. Statt wirklich auf<br />
eine echte und nachhaltige Neuausrichtung dieser Mission<br />
zu drängen, hat die Bundesregierung sich irgendwann<br />
entschieden, sich doch einfach daran zu beteiligen.<br />
Im Mandat umschreiben Sie die zahlreichen Probleme,<br />
die diese Mission hat, mit der Formulierung, sie habe<br />
ihre Aufgaben nicht wirksam genug umsetzen können.<br />
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das<br />
ist verharmlosende Schönrederei.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE<br />
LINKE])<br />
In den letzten Jahren gab es eine Reihe von wirklich<br />
sehr vielen glaubwürdigen Hinweisen dazu, was bei dem<br />
Versuch, die somalische Armee auszubilden, alles schiefgelaufen<br />
ist. Es gibt die Analyse des Zentrums für Internationale<br />
Friedenseinsätze, unheimlich viele Berichte,<br />
Augenzeugenberichte von Nichtregierungsorganisationen<br />
und sogar eine eigene Auswertung der Europäischen<br />
Union. Sie alle stellen dieser Mission ein verheerendes<br />
Zeugnis aus. Es gibt Berichte über uniformierte Soldaten,<br />
die die eigene Bevölkerung ausrauben, statt sie zu<br />
schützen, über Soldaten, die keinen Sold bekommen und<br />
nach der Ausbildung mit ihrer Ausstattung zu den Milizen<br />
überlaufen. Das ist wirklich kein Beitrag zu mehr<br />
Sicherheit in Somalia.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)<br />
Seit Jahren ist immer wieder die Rede von hohen<br />
Desertionsraten. Wir Grüne haben oft nachgefragt, die<br />
Linken auch. Ich lese Ihnen einfach einmal vor, was man<br />
dann so als Antwort von der Bundesregierung bekommt,<br />
zum Beispiel am 8. März dieses Jahres von Herrn<br />
Brauksiepe aus dem Verteidigungsministerium:<br />
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu<br />
Desertionen von somalischen Soldaten nach dem<br />
Abschluss ihrer Ausbildung im Rahmen der EU-geführten<br />
militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission<br />
EUTM Somalia oder über generelle Desertionsraten<br />
in der somalischen Armee vor.<br />
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung handelt<br />
hier nach dem Motto: Was ich nicht sehen will, das<br />
gibt es einfach nicht. – Ihre Devise ist, mit einem möglichst<br />
geringen Beitrag dazubleiben, auf den ersten Blick<br />
schöne Statistiken zu präsentieren und kleine Kurswechsel<br />
als große Lehren zu verkaufen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Da fragt man sich schon: Ist das noch naiv und blauäugig,<br />
oder ist das nicht schon verantwortungslos?<br />
Meine Damen und Herren, wir Grüne können dem<br />
Appell des Kollegen Wadephul nicht folgen, sondern wir<br />
appellieren an die Bundesregierung, das alles endlich<br />
ernst zu nehmen; denn so können wir dem Mandat natürlich<br />
auf keinen Fall zustimmen, und zwar nicht deshalb,<br />
weil wir die Menschen in Somalia alleinlassen wollen,<br />
sondern deshalb, weil Sie seit Jahren nicht bereit sind,<br />
die zahlreichen Fehler zu korrigieren, und so ganz sicher<br />
nicht zu einem nachhaltigen Aufbau von Sicherheitsstrukturen<br />
in Somalia beitragen.<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –<br />
Unruhe)<br />
Vizepräsidentin Petra Pau:<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz<br />
zu nehmen und auch dem nach unserer Redeliste letzten<br />
Beitrag in dieser Debatte vor der namentlichen Abstimmung<br />
die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
(Beifall des Abg. Dr. Johann Wadephul<br />
[CDU/CSU])<br />
Ich meine diese Bitte sehr ernst und richte sie an alle<br />
Fraktionen.<br />
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Der linke<br />
Block sitzt gleich komplett!)<br />
Das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen der SPD,<br />
die dort hinten stehen.<br />
(Zuruf von der SPD: Weitermachen!)<br />
– Nein, wir werden nicht weitermachen. Ich werde dem<br />
Kollegen Höschel zu seiner ersten Rede im Hohen Hause<br />
nicht das Wort erteilen, bevor nicht die notwendige Aufmerksamkeit<br />
hergestellt ist.<br />
(Beifall)<br />
Ich bitte, das auch in die Unionsfraktion hinein und gegebenenfalls<br />
an die Vertreter, die auf der Regierungsbank<br />
Platz nehmen könnten, zu übermitteln. Wir werden hier<br />
nicht fortfahren, bevor Ruhe eingekehrt ist.<br />
Der Kollege Höschel hat das Wort.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
Dr. Mathias Edwin Höschel (CDU/CSU):<br />
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr<br />
geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute<br />
die Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der<br />
EU-geführten Mission in Somalia, an der EUTM Somalia,<br />
einer Ausbildungs-, Beratungs- und Trainingsmission.<br />
Somalia ist eines der am wenigsten entwickelten<br />
(C)<br />
(D)