Deutscher Bundestag
2nCLeRm
2nCLeRm
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23069<br />
(A)<br />
(B)<br />
Abläufe und die am Unglück beteiligten Fahrzeuge mit<br />
einbezogen. Tätig wird die EUB nur nach schweren Unfällen.<br />
Dies regelt eine europäische Richtlinie: Ein Unfall<br />
gilt dann als schwer, wenn bei einem Zusammenstoß<br />
oder bei einer Entgleisung von Zügen ein Mensch getötet<br />
oder mindestens fünf Menschen schwer verletzt wurden.<br />
Trifft dies bei einem Eisenbahnunglück nicht zu, kann<br />
die Untersuchungsstelle im Einzelfall immer noch entscheiden,<br />
ob sie eine Untersuchung einleitet.<br />
Noch einmal zusammengefasst: Die Arbeit der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle<br />
dient dazu, die Ursache<br />
von Unfällen zu ermitteln, damit sich solche Ereignisse<br />
in der Zukunft nicht wiederholen und besser verhindern<br />
lassen und damit ganz allgemein die Sicherheit im Eisenbahnverkehr<br />
weiterentwickelt werden kann.<br />
Die Arbeit der Eisenbahnunfall-Untersuchungsstelle<br />
ist nicht abhängig von gerichtlichen Ermittlungen. Sie<br />
dient nicht dazu, Schuldzuweisungen vorzunehmen oder<br />
Haftungsfragen zu klären.<br />
Um die bisherige Arbeit von EUB und EBA weiter<br />
stärken zu können, ist die Schaffung einer eigenen Bundesbehörde<br />
– wie im vorliegenden Entwurf eines Gesetzes<br />
zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
vorgesehen – der Schritt in die richtige Richtung. Denn<br />
wir müssen die Schiene weiter stärken. Und dazu gehört<br />
ganz sicher auch eine lückenlose und zügige Aufklärung<br />
von Eisenbahnunfällen, um diese in Zukunft zu vermeiden.<br />
Dies steht und fällt aber mit sachkundigem und in<br />
ausreichender Anzahl vorhandenem Personal. Hier müssen<br />
wir nachhaltig investieren, und ich wünsche mir, dass<br />
das mit diesem Gesetz – ohne Wenn und Aber – umgesetzt<br />
wird.<br />
gen der mehrfachen Entgleisungsvorgänge im umgebauten<br />
Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort wurde letztlich auf<br />
angeblich defekte Puffer verwiesen, während der umfangreiche<br />
Umbau des Bahnhofs als Vorbereitung von<br />
Stuttgart 21 außer Acht blieb.<br />
Unsere Fraktion stimmt der geplanten Einrichtung<br />
einer selbstständigen Behörde zu, weil zumindest eine<br />
größere Unabhängigkeit vom Ministerium zu erwarten<br />
ist. Damit besteht die Chance, dass die Untersuchungsberichte<br />
weniger auf „Diplomatie“ und mehr auf Transparenz<br />
ausgerichtet sind. Ob sich diese Hoffnung erfüllt,<br />
wird allerdings erst die zukünftige Praxis zeigen.<br />
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Am Abend werden die Faulen munter. Auch hier legt<br />
die schwarz-rote Koalition kurz vor Ende der Legislatur<br />
einen Gesetzentwurf vor, der schon hätte viel eher kommen<br />
können. Schon mehrfach habe ich in diesem Hohen<br />
Haus die Trägheit bei der Bearbeitung der Fälle in der<br />
Eisenbahnunfalluntersuchung angemahnt. Viel zu oft ist<br />
nichts passiert.<br />
Nehmen wir den Fall eines ICE-Achsbruchs in Köln<br />
aus dem Juli 2008. Dieser Fall sorgte in der ganzen Republik<br />
über Wochen für Schlagzeilen. Ein ICE springt nach<br />
einem Achsbruch auf der Hohenzollernbrücke direkt vor<br />
dem Kölner Hauptbahnhof aus dem Gleis. Ein Glück für<br />
die Fahrgäste dieses Zuges, dass der Hauptbahnhof in<br />
Köln so überlastet ist, dass alle Züge auf der Brücke nur<br />
langsam fahren dürfen. So wurde niemand verletzt. Es<br />
wäre besser nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn<br />
der ICE bei voller Fahrt einen Achsbruch erlitten hätte;<br />
denn diese ICE-Züge fahren zwischen Köln und Frankfurt<br />
mit bis zu 300 Stundenkilometern.<br />
(C)<br />
(D)<br />
Sabine Leidig (DIE LINKE): Bislang gibt es für die<br />
Untersuchung von Bahnunfällen die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle<br />
des Bundes, EUB, die als operative<br />
Stelle beim Eisenbahn-Bundesamt, EBA, und damit<br />
letztlich beim BMVBS/BMVI angesiedelt ist. Nun soll<br />
die Untersuchungsstelle in eine selbstständige Behörde<br />
umgewandelt werden.<br />
Offenbar gibt es dafür zwei Gründe: Zum einen hat<br />
die Organisationsuntersuchung im Jahr 2015 gezeigt,<br />
dass es sinnvoller sei, die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
des Bundes einer selbstständigen Behörde zu übertragen.<br />
Außerdem sollen mit der geänderten Organisation die<br />
Vorschriften der Richtlinie 2016/798 des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit<br />
umgesetzt werden.<br />
Aus der Sicht der Linksfraktion ist es durchaus sinnvoll,<br />
die Untersuchung von Eisenbahnunfällen zu verbessern.<br />
Zwar hat die bisherige Struktur prinzipiell funktioniert,<br />
allerdings extrem langsam. Die Berichte der<br />
EBA-Untersuchungsstelle waren meist erst Monate nach<br />
dem eigentlichen Unfall verfügbar; manchmal dauerte es<br />
sogar Jahre.<br />
In einigen Fällen sind die Unfallberichte auch sehr<br />
verklausuliert und – möglicherweise aus politischen<br />
Gründen – unzureichend auf die eigentlichen Ursachen<br />
eingegangen. Ein Beispiel dafür waren die Untersuchun-<br />
Die Deutsche Bahn hat danach zwar alle Züge desselben<br />
Typs einer umfassenden Untersuchung unterzogen,<br />
mit erheblichen Folgen für Tausende Reisende in<br />
Deutschland, die dann von Zugausfällen betroffen waren.<br />
Es geht aber um eine unabhängige Unfallaufklärung,<br />
wie sie schon damals die EU eingefordert hat. Es ist gut,<br />
wenn das Bahnunternehmen eigene Untersuchungen anstellt;<br />
aber als Unfallbeteiligte ist sie gleichzeitig auch<br />
befangen. Daher soll eine Behörde derartige Unfälle untersuchen:<br />
die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des<br />
Bundes. Erst auf Drängen der EU wurde sie eingerichtet<br />
und ans Bundesverkehrsministerium angegliedert. Und<br />
doch wartet trotz allem der Achsbruch auf der Kölner<br />
Hohenzollernbrücke auf einen ordentlichen Abschlussbericht<br />
von der Eisenbahnunfalluntersuchung, seit inzwischen<br />
fast neun Jahren! Neun Jahre Untersuchungen<br />
ohne Ergebnis, das sieht sehr danach aus, als ob hier<br />
jemand etwas zu verschleiern oder zu verstecken hätte.<br />
Neun Jahre sind aber vor allem viel zu viel Zeit für eine<br />
Unfalluntersuchung. Die Fahrgäste haben ein Anrecht<br />
darauf, zu erfahren, was die damaligen Unfallursachen in<br />
Köln waren und welche Schlussfolgerungen die Bahnindustrie<br />
ziehen muss. Stattdessen bis heute keine Spur von<br />
klaren Erkenntnissen! Das darf nicht sein.<br />
Meine deutliche Kritik zur Trägheit bei der Unfalluntersuchung<br />
vor etwa einem Jahr hier im Hohen Haus<br />
hat dann wohl auch einige zum Umdenken gebracht. An-