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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22967<br />

Heike Baehrens<br />

(A)<br />

(B)<br />

jenen Solo-Selbstständigen, die nur geringe Einkommen<br />

erzielen. Vor allem bei Dienstleistern und in der Kulturund<br />

Kreativwirtschaft gibt es solche Formen schlecht bezahlter<br />

Arbeit. Da muss man oftmals tatsächlich bis zur<br />

Hälfte des Bruttoeinkommens für die Krankenkassenbeiträge<br />

aufwenden. Das führt zu Überforderung, und das<br />

muss geändert werden; darin stimmen wir mit den Antragstellern<br />

durchaus überein. Wir haben auch bereits gehandelt<br />

und im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz<br />

durch die Verfahrensvereinfachung immerhin eine erste<br />

Verbesserung auf den Weg gebracht, die ab dem kommenden<br />

Jahr greift.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Mehr war mit unserem jetzigen Koalitionspartner bisher<br />

an dieser Stelle nicht zu erreichen. Aber wir als SPD<br />

werden an diesem Thema dranbleiben. Darauf können<br />

sich die Betroffenen verlassen; denn Menschen, die in<br />

Arbeitsfeldern tätig sind, in denen sie kaum Verdienstmöglichkeiten<br />

haben, dürfen durch Sozialversicherungsbeiträge<br />

in einem solidarischen System der Krankenversicherung<br />

nicht überfordert werden. Aber – das sage ich<br />

für uns als SPD ganz klar – wir wollen genauso wenig,<br />

dass Arbeitgeber Druck auf Beschäftigte ausüben, eine<br />

bislang sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in<br />

eine selbstständige Tätigkeit umzuwandeln. Genau das<br />

ist nicht nur in Industriebetrieben oder bei Gebäudereinigern,<br />

sondern zum Beispiel auch im Umfeld von Pflegedienstleistern<br />

der Fall.<br />

Dieser Aspekt muss bei der Lösungssuche sehr sorgfältig<br />

mitbedacht werden. Das ist im Interesse stabiler<br />

Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

aber noch viel mehr im Interesse der betroffenen<br />

Menschen; denn als Solo-Selbstständige müssen sie ihren<br />

Krankenkassenbeitrag und ihren Beitrag zur Alterssicherung<br />

allein aufbringen, während sie als Arbeiter oder<br />

Angestellte bei den Sozialversicherungsbeiträgen zur<br />

Hälfte vom Arbeitgeber entlastet werden. Gerade bei der<br />

Rente hat das oft fatale Auswirkungen; denn Lücken im<br />

Versicherungslauf führen zu erheblichen Renteneinbußen,<br />

bis hin zu Armut im Alter.<br />

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken,<br />

können wir bei der Analyse Ihrer Anträge mitgehen, aber<br />

nicht bei der vermeintlich einfachen Lösung, die Sie vorschlagen.<br />

Es braucht eine klare Antwort gegenüber Arbeitgebern,<br />

die sich aus der sozialen Verantwortung stehlen<br />

wollen. Dazu haben Sie heute etwas gesagt; aber in<br />

Ihrem Antrag haben Sie dazu keinen Vorschlag gemacht.<br />

Ich kann es auch hier nur noch einmal betonen: Solch ein<br />

Ausnutzen unserer Solidarsysteme tragen wir als SPD<br />

nicht mit.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Wir haben in der nächsten Legislaturperiode die<br />

Chance, unser Gesundheitssystem weiterzuentwickeln,<br />

damit es auf Dauer gerecht, solidarisch und finanzierbar<br />

bleibt. Darum setzen wir als SPD auf den Einstieg in die<br />

Bürgerversicherung<br />

(Beifall bei der SPD – Reiner Meier [CDU/<br />

CSU]: Oh Gott! Alte Kamellen!)<br />

– ich habe erwartet, dass Sie so reagieren –; denn eine<br />

solche Krankenversicherung für alle bezieht selbstverständlich<br />

auch jene Selbstständigen mit ein, die wenig<br />

verdienen. Die Bemessungsgrenze muss daher so festgelegt<br />

werden, dass der Beitrag auch für sie bezahlbar ist.<br />

Gleichzeitig tragen dann Gutverdienende, und zwar auch<br />

selbstständige Gutverdienende, einen Beitrag entsprechend<br />

ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit.<br />

Meine Damen und Herren, so funktioniert aus unserer<br />

Sicht Solidarität.<br />

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Aber nicht in der<br />

Realität!)<br />

Als SPD werden wir den Weg bereiten für eine solidarische<br />

Lastenverteilung in unserem Gesundheitssystem.<br />

Die Bürgerversicherung wird kommen.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der SPD – Tino Sorge [CDU/<br />

CSU]: Das erzählen Sie aber schon so lange!)<br />

Vizepräsidentin Petra Pau:<br />

Die Kollegin Maria Klein-Schmeink hat für die Fraktion<br />

Bündnis 90/Die Grünen das Wort.<br />

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />

NEN):<br />

Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen<br />

und Kollegen hier im Saal! Es ist nicht das erste Mal,<br />

dass wir über die soziale Situation von Selbstständigen<br />

in Deutschland sprechen. Wir haben viel Grund, darüber<br />

zu sprechen. Das hat die Anhörung zu den Anträgen der<br />

Linken deutlich gezeigt. Sie hat gezeigt: Auch die Selbstständigen<br />

brauchen unsere Solidarität. Da, denke ich,<br />

müssen wir vorankommen.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Wenn wir uns das anschauen, stellen wir fest, dass<br />

es um eine ziemlich komplizierte Thematik geht. Unserem<br />

gesetzlichen Krankenversicherungssystem lag ja<br />

ursprünglich ein ganz anderer Gedanke zugrunde. Es<br />

wurde vorausgesetzt, dass ein Selbstständiger gut verdient,<br />

Vermögen hat und daher in allen sozialen Lagen<br />

für sich selber sorgen kann. Die Realität heute ist eine<br />

vollkommen andere. Dabei geht es nicht nur um die prekäre<br />

Beschäftigung, die nach der Agenda 2010 weiter um<br />

sich gegriffen hat, sondern es geht um ganz viele Formen<br />

der Selbstständigkeit, gerade im Dienstleistungsbereich.<br />

Der Pizzabäcker, die Schneiderin, die Dolmetscherin,<br />

die Frau, die für das BAMF einen Sprachkurs gibt – die<br />

Bandbreite ist groß. Wir wissen, dass auch die Probleme<br />

groß sind. Das hat uns die Anhörung zu den Anträgen<br />

noch einmal deutlich gezeigt.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Von daher reicht es nicht, zu sagen: „Wir werden die<br />

Bürgerversicherung einführen“; denn ein wesentliches<br />

Grundproblem, nämlich dass bestimmte Bevölkerungsgruppen<br />

originär nicht in die gesetzliche Krankenversicherung<br />

einbezogen wurden, werden wir damit allein<br />

nicht lösen können. Wir lösen damit die Probleme des<br />

(C)<br />

(D)

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