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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22903<br />

(A)<br />

Vizepräsidentin Michaela Noll:<br />

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann. – Als<br />

Nächster hat Dr. Heribert Hirte von der CDU/CSU-Fraktion<br />

das Wort.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

instanz begründen würden, zu deren Einführung uns das<br />

Verfassungsgericht nicht die Kompetenz geben würde.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD und des Abg. Manuel Sarrazin<br />

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />

(C)<br />

(B)<br />

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):<br />

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />

Gestern war ein trauriger Tag für alle von uns, und das ist<br />

in vielen der Reden auch schon zu Recht gesagt worden.<br />

Wir wollen – das ist ein Ziel der jetzt beginnenden Verhandlungen<br />

– gute Freunde der Briten bleiben. Auch das<br />

unterstütze ich nachdrücklich.<br />

Das Beispiel des Fußballplatzes wurde schon angeführt.<br />

Ich sage: Wir wollen solche Freunde bleiben wie<br />

die Spieler auf dem Feld, und wir denken hier eher nicht<br />

an die Tribünen. Die Populisten auf beiden Seiten des<br />

Kanals instrumentalisieren den Brexit nämlich für ihre<br />

Zwecke, um auf diese Weise Stimmung zu machen. Wir<br />

sollten uns an dieser Diskussion nicht beteiligen.<br />

Deshalb gilt: Wir müssen mit den Briten als Erstes<br />

über die Frage reden, wie wir zu fairen Verhandlungen<br />

kommen. Es treibt mich hier schon ein bisschen um, dass<br />

man gesagt bekommt, dass britische Vertreter auch auf<br />

der Seite der Kommission und des Europäischen Parlaments<br />

sitzen, also auf beiden Seiten des Tisches, und ein<br />

bisschen an der Formulierung der Position mitarbeiten,<br />

die wir als Europäer gegenüber dem Vereinigten Königreich<br />

aufbauen wollen. Das geht so nicht. Man kann nicht<br />

Diener zweier Herren sein.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />

der SPD)<br />

Ich gehe nun einen Schritt weiter und könnte eigentlich<br />

sagen: Herr Brinkhaus, mein Kollege, hat das alles<br />

schon gesagt. Wir sind nämlich in Scheidungsverhandlungen,<br />

und man kann nicht über die rosige Zukunft nach<br />

den Scheidungsverhandlungen nachdenken, solange die<br />

Scheidung nicht durch ist. Bis die Scheidung durch ist,<br />

müssen wir klären, was die Verbindlichkeiten aus dem<br />

aktuellen Stand der Dinge sind. Welche Zahlungen hat<br />

das Vereinigte Königreich noch zu erbringen?<br />

Wir müssen uns nicht an den Diskussionen über die<br />

Frage beteiligen, ob das so und so viele Milliarden Euro<br />

oder Pfund sind; aber wir müssen uns vor allen Dingen<br />

über die Antwort auf die Frage einig sein, wer darüber<br />

entscheidet, wie hoch die Verbindlichkeiten sind. Daran<br />

kann aus meiner Sicht, aus der Sicht des Rechtspolitikers,<br />

kein Zweifel bestehen: Für die Auslegung unserer<br />

EU-Verträge und einer etwaig zu schließenden Vereinbarung<br />

ist der Europäische Gerichtshof zuständig.<br />

Wenn man sich einmal in einen solchen Streitschlichtungsmechanismus<br />

begeben hat, dann kann man nicht<br />

einfach gehen und sagen: Jetzt entscheiden das andere. –<br />

Das bedeutet für uns: Wir werden gar nicht zustimmen<br />

können, wenn bei solchen Vereinbarungen eine andere<br />

Schiedsinstanz eingerichtet werden soll. Ich sage ganz<br />

deutlich: Ich glaube, wir können das verfassungsrechtlich<br />

gar nicht tun, weil wir dann nämlich eine Schieds-<br />

Dass die britische Premierministerin ihren Abgeordneten<br />

dies offensichtlich so nicht gesagt hat – hier knüpfe<br />

ich an den Kollegen Seif an –, ist mit Sicherheit fahrlässig;<br />

denn das wird dazu führen, dass der Europäische Gerichtshof<br />

noch für lange Zeit – manche sagen 20, manche<br />

sagen 40 Jahre – für die Auslegung dieser Streitigkeiten<br />

in der Pflicht ist. Das sind für die Kollegen im Vereinigten<br />

Königreich keine rosigen Aussichten, weil sie genau<br />

diese Rechtsprechung aus für mich unverständlichen<br />

Gründen nicht akzeptieren wollen.<br />

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Ja, das<br />

Ziel sollte sein, gemeinsam ein anspruchsvolles Freihandelsabkommen<br />

zu verhandeln. Aber auch bei Freihandelsabkommen<br />

spielt die Frage eine Rolle: Wie legen<br />

wir die Nichtdiskriminierungsklauseln aus? Wir haben<br />

hier in dieser Konstellation zusammengesessen, auch mit<br />

dem damaligen Wirtschaftsminister Gabriel, und über die<br />

Frage geredet, wie Schiedsgerichtsvereinbarungen bei<br />

TTIP und CETA ausgestaltet werden sollen. Wir haben<br />

erreicht, dass sie anders ausgestaltet werden als bisher.<br />

Es gibt keine sogenannten „privaten Schiedsgerichte“,<br />

sondern institutionelle Gerichte werden entscheiden.<br />

Nun liest man in der britischen Presse, man habe da<br />

alte Erfahrungen, wie man solche Schiedsgerichte ausgestalten<br />

könne; daran könne man anknüpfen. – Das sind<br />

dieselben Briten, die gemeinsam mit uns und Ihnen, Herr<br />

Gabriel, damals in Ihrer Funktion als Wirtschaftsminister,<br />

mit Kanada über eine moderne Schiedsgerichtsinstitution<br />

verhandelt haben. Ich weiß nicht, wie das Problem<br />

mit den Schiedsgerichten gelöst werden soll; das macht<br />

mich wirklich ratlos. Ich bin vor allen Dingen völlig unsicher,<br />

warum die Engländer nicht auf die Idee kommen,<br />

das vorher einmal durchzuspielen.<br />

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Wir verhandeln<br />

jetzt – das ist das Ziel der Briten; das ist auch<br />

völlig richtig so – über Übergangsvorschriften. Schon<br />

jetzt hören wir, dass die Übergangsvorschriften eine<br />

Dauer von vielen Jahren haben sollen und dass die Finanzindustrie<br />

– da schaue ich den Kollegen Dehm an –<br />

natürlich besonders lange Fristen für die Übergangsvorschriften<br />

fordert. Vor diesem Hintergrund verlaufen die<br />

Verhandlungen in eine Richtung, die dazu führen könnte,<br />

dass die Briten eine Art Sondermitgliedschaft in der Europäischen<br />

Union bekommen: Sie bekämen die Vorteile,<br />

müssten aber keine Pflichten mehr übernehmen. Das<br />

können wir nicht zulassen, auch – das sage ich wieder als<br />

Jurist – aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN)<br />

Über all dies darf nicht in Vergessenheit geraten: Was<br />

waren die Gründe für die Brexit-Entscheidung? Vieles<br />

davon ist schon gesagt worden. Es war erstens Unmut<br />

über die Migration und zweitens Unmut über die fehlenden<br />

Möglichkeiten, die britische Wirtschaft wieder fit zu<br />

(D)

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