Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
(A)<br />
Zur Erfüllung dieser Richtlinie ist in Deutschland ein<br />
System zur Verfügung gestellt worden, das alle Meldungen<br />
entgegennimmt und an die zuständigen maritimen<br />
Behörden weiterleitet. Es ist höchste Zeit, dass dafür die<br />
entsprechende gesetzliche Regelung eingerichtet wird;<br />
denn das neue System ist schon vor fast zwei Jahren,<br />
nämlich am 27. Mai 2015, in Betrieb genommen worden.<br />
Bisher wurden gesetzlich vorgeschriebene Meldungen<br />
einzeln an oft mehrere zuständige Behörden von den<br />
Meldenden geschickt. Künftig soll eine Meldung, die<br />
über das Zentrale Meldeportal abgegeben wird, erst einmal<br />
über die zuständige Bundesbehörde auf Anforderung<br />
der empfangenden Stelle bei der bereitgestellten Eingangsschnittstelle<br />
eingehen. Im Zentralen Meldeportal<br />
sind lediglich der Meldungstyp und eine Anlaufreferenznummer<br />
ersichtlich. Letztere ist eine standardisierte Referenznummer,<br />
die bei jeder Meldung anzugeben ist. Das<br />
dient der Zuordnung des Vorgangs zu einem bestimmten<br />
Hafenbesuch. Anschließend werden die Meldungen dann<br />
mit einer technischen Rückmeldung an den Melder nach<br />
einer Prüfung angenommen oder abgelehnt.<br />
Aus datenschutztechnischer Sicht ist der Gesetzentwurf<br />
unbedenklich; denn die Verarbeitung der Schiffsmeldungen<br />
beschränkt sich hier auf den Empfang, die<br />
Weiterleitung und die Löschung von Daten durch die zuständige<br />
Behörde. Eine inhaltliche Zugriffsmöglichkeit<br />
ist für das Meldeportal nicht vorgesehen.<br />
Die ergänzende Anregung des Bundesrates, dass die<br />
Meldungen nicht nur im Bundesanzeiger, sondern auch<br />
im Verkehrsblatt zu veröffentlichen sind, ist angesichts<br />
der weitverbreiteten Nutzung des Verkehrsblatts im Seeverkehr<br />
zu begrüßen.<br />
So weit, so gut. Aber mit diesem Gesetzentwurf sind<br />
allerdings noch keine Weichen für die maritime Arbeit der<br />
Zukunft gestellt. Davon ist die Bundesrepublik noch weit<br />
entfernt, wie auch die DGB-Vorsitzende Katja Karger bestätigte.<br />
Ich zitiere aus der Verdi-Zeitung „Schifffahrt“:<br />
„Im Hafenbereich wurde der Anschluss an Arbeit 4.0 und<br />
die Digitalisierung bisher weitgehend verpasst, es liegt<br />
strukturell ziemlich viel im Argen. Es müssen dringend<br />
Ideen und Lösungen für die Zukunft her.“<br />
Heute Morgen, bei der Debatte über die Zukunft der<br />
maritimen Industrie, hatten die Kolleginnen und Kollegen<br />
der Koalitionsfraktionen die Gelegenheit, ihre Ideen<br />
einzubringen. Aber stattdessen war in ihrem Antrag<br />
nur zu lesen, dass der <strong>Bundestag</strong> beschließen möge,<br />
„im Zuge der Digitalisierungs- und Automatisierungsprozesse<br />
und der zu erwartenden Entwicklungen in den<br />
deutschen Häfen geeignete Lösungsansätze in Hinblick<br />
auf die Ausbildungs- und Beschäftigungsstrategien zu<br />
finden“. Am Ende einer Regierungsperiode ist die bloße<br />
Erklärung einer Absicht, in Zukunft Lösungen zu finden,<br />
mehr als dürftig. An dieser Stelle haben Sie Ihre Amtszeit<br />
verschlafen, meine Damen und Herren der CDU/CSU<br />
und der SPD!<br />
Ich kann Ihnen nur raten, endlich die dringlichen<br />
Aufgaben, vor denen angesichts Automatisierung und<br />
Digitalisierung die Kolleginnen und Kollegen in den Häfen,<br />
Werften und auf hoher See stehen, ernst zu nehmen.<br />
Gehen Sie auf die berechtigte Kritik ihrer Gewerkschaft<br />
Verdi, die letztes Jahr gezwungen wurde, aus dem Maritimen<br />
Bündnis auszusteigen, ein. Verhandeln Sie auf Augenhöhe<br />
über Maßnahmen, die die Digitalisierung und<br />
Automatisierung im maritimen Sektor für die nächsten<br />
Jahrzehnte sozialverträglich regeln können. Bieten Sie<br />
den Kolleginnen und Kolleginnen wieder eine Zukunftsperspektive!<br />
(C)<br />
(B)<br />
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Wir debattieren heute ein Gesetz zur elektronischen Meldung<br />
von Schiffsdaten. Das steht eigentlich auch im direkten<br />
Zusammenhang mit dem Digitalisierungsprozess,<br />
der zurzeit als Schlagwort kursiert. Dadurch ließe sich<br />
das auch sehr gut mit Meldeformalitäten von Schiffs-,<br />
Crew-, Fracht- und Zolldaten verknüpfen. Seitens der<br />
Bundesregierung wird jetzt damit der Anfang gemacht.<br />
Aber um das vollständig umzusetzen, fehlt noch eine<br />
ganze Menge. Wenn der Anfang einmal gemacht ist,<br />
wäre es jetzt nur konsequent, beim Thema Digitalisierung<br />
in der Seeschifffahrt am Ball zu bleiben.<br />
Daher haben wir heute auch in der Debatte zur maritimen<br />
Wirtschaft einen Antrag eingebracht, der auf genau<br />
diese Punkte eingeht: Ein Schwerpunkt der Maritimen<br />
Konferenz in wenigen Tagen soll ja die Digitalisierung<br />
der maritimen Branche sein. Genau diesen Prozess könnten<br />
Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eigentlich<br />
weiterführen. Der Wunsch der maritimen Wirtschaft ist<br />
es, dass der Staat mithilfe der Digitalisierung auch die<br />
geforderten Meldeprozesse vereinfacht und standardisiert.<br />
Aber die wirklichen Probleme werden hier leider –<br />
wen wundert es eigentlich? – nicht angegangen.<br />
Es kann nicht sein, dass wir in Europa ein sogenanntes<br />
Single Maritime Window für Melde- und Dokumentenprozesse<br />
beschließen. Doch die Mitgliedstaaten beharren<br />
alle weiterhin auf ihren nationalen oder regionalen Lösungen.<br />
Jeder schaut weiter durch sein eigenes kleines<br />
Fenster. Sofern sich die Nationalstaaten hier nicht einigen<br />
und Zollverwaltungen sich nicht einmal national,<br />
geschweige denn europaweit abstimmen können, wird<br />
es dauerhaft bei Insellösungen bleiben. Die eigentlich<br />
geplanten Vorteile wie Zeit- und Geldersparnis rücken<br />
dadurch für alle Beteiligten in weite Ferne. Das wäre nur<br />
zu schade. Insofern hoffe ich hier auf eine deutlichere<br />
Beweglichkeit.<br />
Aber auch das Personal an Bord der Schiffe ist die<br />
überbordende Bürokratie leid. Über 50 Prozent der Arbeitszeit<br />
werden nicht mit dem Steuern des Schiffes<br />
verbracht, sondern mit dem Ausführen von Verwaltungsakten.<br />
Die Kapitäninnen und Kapitäne werden somit zu<br />
Sekretären der Reedereien sowie der öffentlichen Verwaltung.<br />
Sie sind Leidtragende der fehlenden Bereitschaft<br />
zu Standardisierung und Kooperation der europäischen<br />
Staaten. Das hat erst kürzlich sehr eindrucksvoll<br />
ein Kapitän in einem Fachgespräch unserer Fraktion zu<br />
diesem Thema geschildert. Deutschland darf sich daher<br />
nicht zurücklehnen, sondern muss zusammen mit den anderen<br />
Mitgliedstaaten brauchbare Lösungen im Rahmen<br />
der Digitalisierung finden. Als Antwort auf den vermeintlichen<br />
Trend von Protektionismus und falscher Abschottung<br />
brauchen wir mehr Europa und dadurch auch ein<br />
Zusammenwachsen der Staaten.<br />
(D)