Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
Detlef Seif<br />
(A)<br />
(B)<br />
diese Wörter auf –: Sie strebt eine neue und tiefe Partnerschaft<br />
mit der Europäischen Union an, und zwar in den<br />
Bereichen Wirtschaft und Sicherheit. – Wenn man aber<br />
genau hinschaut, dann stellt man fest: Der Brief lässt den<br />
zwingenden Schluss zu, dass Großbritannien einer Zusammenarbeit<br />
im Bereich der Sicherheit nur zustimmen<br />
wird, wenn ein Wirtschaftsabkommen vereinbart wird.<br />
Das ist ein äußerst primitiver Erpressungsversuch.<br />
(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])<br />
Für ein derartiges Vorgehen in der aktuellen Sicherheitslage,<br />
gerade angesichts der Terrorerfahrungen Großbritanniens,<br />
kann man kein Verständnis haben, und auch die<br />
britische Bevölkerung wird kein Verständnis dafür haben,<br />
dass man nicht jede Möglichkeit nutzt, die Sicherheit zu<br />
stärken und gegen Terroristen und sonstige Schwerverbrecher<br />
intensiv und möglichst effektiv zu arbeiten.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
An anderer Stelle betont May – ich glaube, da sind wir<br />
alle auf ihrer Seite; wenn sie es denn ernst meint –: Über<br />
die Rechte der Briten in den anderen EU-Mitgliedstaaten<br />
und von EU-Bürgern in Großbritannien müssen wir möglichst<br />
früh eine Vereinbarung treffen.<br />
Die aktuelle Situation ist für die Betroffenen sehr anstrengend,<br />
teilweise bis zum Grad gesundheitlicher Beeinträchtigung.<br />
Menschen dürfen an dieser Stelle nicht<br />
zur Verhandlungsmasse werden. Wenn wir der Meinung<br />
sind, wir teilen gemeinsame Werte und die Menschen<br />
stehen im Mittelpunkt, dann müssen wir alle ein Interesse<br />
daran haben, möglichst frühzeitig eine Vereinbarung<br />
zu erzielen, damit die Betroffenen auch wissen, dass sie<br />
in den jeweiligen Ländern bleiben können und dass sie<br />
sich auf uns verlassen können.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien<br />
werden beginnen, sobald die Leitlinien stehen und<br />
das Verhandlungsmandat erteilt ist. Niemand kennt den<br />
genauen Zeitpunkt, aber wir gehen von Juni oder Juli aus.<br />
Wir können davon ausgehen, dass die britische Regierung<br />
nicht soft verhandeln wird. Sie wird – das ist<br />
legitim – jede Gelegenheit nutzen, um ihre Position zu<br />
stärken. Wir müssen darauf achten, dass die Verhandlungsposition<br />
der Europäischen Union stark ist und stark<br />
bleibt. Ich empfand es als sehr vorbildlich – hier wurde<br />
bereits Stärke bewiesen –, dass weder EU-Institutionen<br />
noch Mitgliedstaaten im Vorfeld Vorverhandlungen aufgenommen<br />
haben. Je geschlossener wir auftreten, umso<br />
größer ist die Schlagkraft. Es ist sehr wichtig, dass die<br />
Verhandlungsführung allein bei der EU-Kommission, allein<br />
bei Michel Barnier liegen wird.<br />
hat sich durch die Brexit-Entscheidung bereits selbst bestraft<br />
und ins Abseits gestellt.<br />
(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] – Axel<br />
Schäfer [Bochum] [SPD]: Genau!)<br />
Bereits dies ist das abschreckende Beispiel, das anderen<br />
Mitgliedstaaten den Appetit auf einen Exit völlig verdirbt.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der SPD)<br />
Mit Großbritannien werden wir auch zukünftig freundschaftlich<br />
verbunden sein. Deshalb dürfen wir Großbritannien<br />
auch nicht schlechter behandeln als jedes andere<br />
Land, das eine Zusammenarbeit mit der EU anstrebt.<br />
Und es gibt sie noch, die Britenhasser, die Großbritannien<br />
schnell und schmerzhaft aus der EU rausschmeißen<br />
wollen. Glaubt denn jemand, dass François Hollande<br />
seine Meinung geändert hat, der nach dem Referendum<br />
davon sprach: „Ich will britisches Blut sehen“? Auf der<br />
anderen Seite dürfen wir Großbritannien keine Zugeständnisse<br />
machen, die wir anderen Nicht-EU-Ländern<br />
auch nicht zubilligen. Beispiel: Mit der Schweiz hat die<br />
EU viele bilaterale Abkommen geschlossen. Obwohl<br />
sich die Schweiz zur Übernahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
verpflichtet hat, ist sie im Banken- und Dienstleistungsbereich<br />
leider nur zu circa 20 Prozent beteiligt<br />
und hat hier keinen vollen Zugang zum Binnenmarkt.<br />
Wie soll es da möglich sein, dem Vereinigten Königreich<br />
den vollen Zugang zum Banken- und Dienstleistungsbereich<br />
zu geben, wenn es das europäische Recht und die<br />
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes nicht<br />
akzeptieren will?<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
Vizepräsidentin Michaela Noll:<br />
Herr Kollege.<br />
Detlef Seif (CDU/CSU):<br />
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.<br />
Meine Damen und Herren, viel Arbeit liegt vor uns.<br />
Viele Fragen sind zu klären. Ein großer gordischer Knoten<br />
ist zu lösen. Wenn alle ein echtes Interesse an einer<br />
guten und engen Beziehung zwischen dem Vereinigten<br />
Königreich und der Europäischen Union haben, dann bin<br />
ich davon überzeugt, dass die Verhandlungen zu einem<br />
positiven Ausgang gebracht werden können.<br />
Vielen Dank.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
(C)<br />
(D)<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD)<br />
In diesen Tagen wird viel darüber gesprochen, dass<br />
man Großbritannien in den Verhandlungen zeigen müsse,<br />
dass sich ein Austritt nicht lohne. Es dürften keine Anreize<br />
für andere Länder geschaffen werden. Aber das Land<br />
Vizepräsidentin Michaela Noll:<br />
Vielen Dank, Herr Kollege Seif. – Als nächster Redner<br />
hat das Wort Alexander Ulrich von der Fraktion Die<br />
Linke.<br />
(Beifall bei der LINKEN)