Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23045<br />
(A)<br />
(B)<br />
hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum<br />
Vertrag von Lissabon (Grundsätze der<br />
Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung)<br />
(Tagesordnungspunkt 26)<br />
Thomas Bareiß (CDU/CSU): Die Europäische Union<br />
hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen<br />
die Treibhausgasemissionen in Europa um mindestens<br />
40 Prozent reduziert werden, die Energieeffizienz soll<br />
um bis zu 30 Prozent gesteigert werden, und die erneuerbaren<br />
Energien auf einen Mindestanteil von 27 Prozent<br />
am europäischen Stromverbrauch ausgebaut werden.<br />
Diese Ziele machen deutlich: Unsere Energieversorgung<br />
wird sich auch auf europäischer Ebene radikal wandeln.<br />
Volatile erneuerbare Erzeugung wird zunehmen,<br />
konventionelle Kraftwerke kommen weniger zum Einsatz,<br />
Energieeffizienz muss angereizt und Instrumente<br />
zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrsund<br />
Wärmesektor müssen entwickelt werden. Uns sind<br />
diese Herausforderungen aus der Umsetzung der deutschen<br />
Energiewende teils gut bekannt.<br />
Mit dem Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“<br />
hat die Europäische Kommission ein umfassendes<br />
und teils komplexes Rechts- und Regelungspaket<br />
vorgelegt, das diese Herausforderungen adressiert. Die<br />
ambitionierten Ziele werden mit einem konkreten regulatorischen<br />
Rahmen für die ganze EU hinterlegt, um so<br />
gemeinsam den Wandel unserer Energieversorgung zu<br />
meistern. Das ist zu begrüßen; denn die Energie- und<br />
Stromversorgung macht an den Staatsgrenzen nicht halt.<br />
Der europäische Energiebinnenmarkt ist eine große<br />
Errungenschaft der Europäischen Union. Eine rein nationale<br />
Energieversorgung ist kaum noch denkbar. Der<br />
gemeinsame Binnenmarkt sichert unsere Energieversorgung<br />
und sorgt für ausreichend Wettbewerb. Das kommt<br />
den Verbrauchern in Form von wirtschaftlichen Energiepreisen<br />
zugute. Diesen Binnenmarkt weiterzuentwickeln,<br />
ist richtig, und sieben Jahre nach Verabschiedung<br />
des dritten Energiebinnenmarktpakets auch notwendig.<br />
Die Grundausrichtung des europäischen Marktdesigns,<br />
die von der Kommission vorgeschlagen wird,<br />
findet sich bereits in unserer energiepolitischen Gesetzgebung<br />
wieder, wie zum Beispiel die freie Preisbildung,<br />
der Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen und die schrittweise<br />
Heranführung der erneuerbaren Energien an den<br />
Markt.<br />
Ebene bisher erfolgreich, auch mit unseren europäischen<br />
Partnern, geregelt werden konnten.<br />
Besonders hervorheben möchte ich die neuen Verfahren<br />
zur Festlegung von Gebotszonen. Deutschland hat<br />
bisher eine Preiszone. Bislang kann diese nur mit unserer<br />
Zustimmung aufgeteilt werden. Zukünftig soll die<br />
EU-Kommission die Entscheidungskompetenz erhalten.<br />
Das geht aus unserer Sicht zu weit. Gerade als Bundespolitiker<br />
ist es unsere Pflicht, zu gewährleisten, dass innerhalb<br />
Deutschlands ähnliche Lebens- und Wettbewerbsbedingungen<br />
herrschen. Eine Aufteilung Deutschlands in<br />
zwei oder mehrere Strompreiszonen würde dies massiv<br />
konterkarieren. In Süddeutschland würden die Strompreise<br />
erheblich steigen. Im Norden würden erhebliche<br />
Überkapazitäten am Strommarkt entstehen. Die Kompetenz<br />
zum Erhalt der Strompreiszonen muss daher in der<br />
Hand der Nationalstaaten bleiben. Nur so gibt es auch<br />
ausreichend Anreize für einen schnellen Netzausbau innerhalb<br />
unseres Landes.<br />
Die primäre Aufgabe der ACER ist es, die Arbeit der<br />
nationalen Energieregulierungsbehörden zu ergänzen<br />
und zu koordinieren. Sie soll bewusst nicht die Arbeit der<br />
nationalen Regulierer übernehmen. Aus unserer Sicht<br />
hat sich die Arbeitsteilung bisher bewährt, und wir halten<br />
es für unangebracht, die Zuständigkeiten von ACER,<br />
teils ohne Zustimmung des Parlaments und des Rats, zu<br />
erweitern. Daher verstoßen bestimmte Regelungen der<br />
ACER-Verordnung klar gegen das Subsidiaritätsprinzip.<br />
Hinzu kommt, dass der Einfluss großer Mitgliedstaaten<br />
innerhalb von ACER geschwächt werden soll. Hervorzuheben<br />
ist das Abstimmungsverfahren. Zwar gilt<br />
bisher auch, dass jedes Mitgliedsland eine Stimme hat.<br />
Aber zukünftig sollen Entscheidungen mit einfacher<br />
Mehrheit getroffen werden. Bisher brauchte man dazu<br />
eine Zweidrittelmehrheit. Notwendig ist daher aus unserer<br />
Sicht eine Stimmgewichtung der Mitgliedstaaten wie<br />
im Rat; große Mitgliedstaaten brauchen ein entsprechendes<br />
Stimmgewicht.<br />
Mit der Subsidiaritätsrüge wollen wir klarmachen,<br />
dass Kompetenzerweiterungen und Verhältnismäßigkeit<br />
bei energiepolitischen Vorhaben der EU gewahrt<br />
bleiben müssen. Das bedeutet nicht, dass wir eine energiepolitische<br />
Weiterentwicklung auf europäischer Ebene<br />
verhindern wollen. Im Gegenteil: Die EU muss den<br />
Binnenmarkt weiter vertiefen. Es bedarf jedoch einer<br />
gemeinsamen europäischen Energiepolitik mit den Nationalstaaten.<br />
(C)<br />
(D)<br />
Auch die ACER, die Agentur für die Zusammenarbeit<br />
der Energieregulierungsbehörden, hat seit ihrer Gründung<br />
im Jahre 2009 durchaus gute und wertvolle Arbeit<br />
bei der Koordinierung der nationalen Energieregulierungsbehörden<br />
geleistet.<br />
Problematisch ist jedoch, dass in zwei zentralen<br />
Rechtsakten des Winterpakets – die Elektrizitätsbinnenmarktverordnung<br />
und die ACER-Verordnung – eine<br />
Fülle von Kompetenzerweiterungen vorgesehen sind, die<br />
nicht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit<br />
vereinbar sind. Es werden Sachverhalte<br />
auf die europäische Ebene gezogen, die auf nationaler<br />
Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Im vergangenen<br />
November hat die Europäische Kommission umfassende<br />
Legislativvorschläge veröffentlicht, die als „Winterpaket“<br />
unter dem Namen „Saubere Energie für alle Europäer“<br />
bekannt geworden sind. Dieses Paket ist sehr umfassend.<br />
Dabei ist nicht alles in dem Paket falsch; das<br />
auszudrücken, ist nicht die Intention des vorliegenden<br />
Antrags. Aber bei manchen Punkten geht die Europäische<br />
Kommission schlicht zu weit. Sie sind mit essenziellen<br />
EU-Grundprinzipen nicht mehr vereinbar. Bestimmte<br />
Teile des Pakets verstoßen gegen das Prinzip der<br />
Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Daher haben