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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />

(A)<br />

(B)<br />

wir uns in der Koalition für eine Subsidiaritätsrüge entschieden.<br />

Das Paket umfasst Regelungen beispielsweise zur<br />

Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, der Energieeffizienz-Richtlinie,<br />

der ACER-Verordnung und der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung.<br />

Dadurch soll der<br />

EU-Energierahmen neu gestaltet werden und an neue<br />

Gegebenheiten, beispielsweise an einen zunehmenden<br />

Anteil erneuerbarer Energien, angepasst werden. Die<br />

Energiewende in Europa und in Deutschland wird dadurch<br />

entscheidend mitbestimmt.<br />

Ich will betonen. Die grundlegende Intention dahinter<br />

ist gut und richtig. Wir wollen und wir müssen die<br />

Energiewende weiter gestalten, auch grenzübergreifend<br />

und in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern.<br />

Es macht durchaus Sinn, manches auf EU-Ebene<br />

zu regeln, länderübergreifende Kooperationen zu verbessern,<br />

Koordinierungen effizienter zu gestalten, grenzüberschreitend<br />

stärker zusammenzuarbeiten. Da liegt<br />

noch viel Arbeit vor uns. Aber insbesondere die Regelungen<br />

der ACER-Verordnung und der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung<br />

des Winterpakets schießen über das<br />

Ziel hinaus.<br />

Subsidiarität kommt aus dem Lateinischen und bedeutet<br />

sinngemäß „zurücktreten“ oder „nachrangig sein“.<br />

Politisch bedeutet das in der EU, Regelungen auf der<br />

Ebene vorzunehmen, auf der es sinnvoll ist – in Brüssel,<br />

in Berlin oder oft doch vor Ort in einer Kommune. Im<br />

Lissabon-Vertrag sind in Artikel 5 EUV die Prinzipien<br />

der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit als unverrückbare<br />

Grundsätze festgelegt. Unter Absatz 3 heißt es:<br />

„Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den<br />

Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit<br />

fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in<br />

Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten<br />

weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler<br />

Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern<br />

vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf<br />

Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“ In Absatz 4<br />

heißt es: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal<br />

nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche<br />

Maß hinaus.“ Sowohl in der ACER- als auch<br />

der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung haben wir erhebliche<br />

Bedenken bezüglich dieser Grundprinzipien.<br />

Exemplarisch greife ich einzelne Punkte heraus.<br />

Vor dem Hintergrund des Artikels 5 EUV ist es nicht<br />

zu erklären, dass die Europäische Kommission durch die<br />

Elektrizitätsbinnenmarktverordnung die alleinige Entscheidungskompetenz<br />

für die Frage des Gebotszonenzuschnitts<br />

innerhalb eines Mitgliedstaates erhalten solle.<br />

Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass die Kommission<br />

darüber entscheiden kann, dass die Strompreise im<br />

Süden Deutschlands stark steigen würden.<br />

Vor dem Hintergrund des Artikels 5 EUV ist es nicht<br />

zu erklären, dass durch die Elektrizitätsbinnenmarktverordnung<br />

ganze Themenfelder in sogenannte delegierte<br />

Rechtsakte übertragen werden können sollen. In einem<br />

damit verbundenen Verfahren ist keine Zustimmung der<br />

Mitgliedstaaten mehr vorgesehen. Das ist politisch sehr<br />

fragwürdig, da dadurch ganze Themenbereiche mit großer<br />

politischer Relevanz betroffen wären, aber auf Beamtenebene<br />

entschieden würden. Das ist unangemessen.<br />

Es ist weiterhin nicht zu erklären, dass die EU-Kommission<br />

durch die ACER-Verordnung unter bestimmten<br />

Bedingungen zusätzliche Entscheidungskompetenzen<br />

an die ACER-Behörde übertragen können soll. Bisher<br />

konnten nur Aufgaben übertragen werden, die keine<br />

Entscheidungskompetenz umfassen. Es ist die alleinige<br />

Aufgabe des Unionsgesetzgebers, zu entscheiden, wer<br />

welche Entscheidungsbefugnisse wahrnimmt! Auch die<br />

geplante Abschwächung der Mehrheitsverhältnisse im<br />

Regulierungs- wie im Verwaltungsrat der ACER ist nicht<br />

gerechtfertigt.<br />

Damit sind nur einige Punkte genannt.<br />

Vor allem bei den im Antrag angesprochenen Punkten<br />

sind wir davon überzeugt, dass die Ziele der Maßnahmen<br />

gut auf nationalstaatlicher Ebene und nicht besser<br />

auf EU-Ebene geregelt werden können. Daher lehnen wir<br />

die Vorschläge ab.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren der Europäischen<br />

Kommission, wir wollen mit Ihnen zusammen die Europäische<br />

Union verbessern und weiterentwickeln, auch<br />

im Bereich der Energiepolitik. Aber an dieser Stelle<br />

schießen Sie über das Ziel weit hinaus. Die Prinzipien<br />

der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind keine<br />

leeren Worthülsen und dürfen es nie werden. Nur mit<br />

diesen Grundprinzipien kann dieses so vielfältige Europa<br />

politisch funktionieren.<br />

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die richtige<br />

Balance zu finden. Bei den in unserem Antrag genannten<br />

Punkten ist sie nicht gewahrt. Wir werden auch bei den<br />

anderen Vorhaben des Winterpakets genau hinschauen,<br />

wie es darum steht.<br />

Johann Saathoff (SPD): Wie wir alle in den letzten<br />

Jahren mehr und mehr erfahren haben, wird über die<br />

deutsche Energiepolitik zunehmend auf europäischer<br />

Ebene entschieden. Bei den EEGs, dem KWKG, dem<br />

Strommarktgesetz und bei vielen anderen Vorhaben geht<br />

nichts mehr ohne den Stempel aus Brüssel.<br />

Außer für die Energiepolitik bin ich in meiner Fraktion<br />

auch für Fischereipolitik zuständig. Die europäische<br />

Fischerei ist seit über 30 Jahren vollständig vergemeinschaftet.<br />

Als die Gemeinsame Fischereipolitik vor<br />

wenigen Jahren reformiert wurde, kam es zu enormen<br />

Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Europäischen<br />

Parlament, dem Rat und der Kommission. Die Situation<br />

stellte sich damals genauso wie heute dar: Die Kommission<br />

versucht, mittels delegierter Rechtsakte, also ohne<br />

Beteiligung von Rat und Parlament, Kompetenzen an<br />

sich zu ziehen. Sie darf das nach dem Lissabon-Vertrag<br />

bei nicht-wesentlichen Teilen eines Gesetzgebungsaktes<br />

tun.<br />

Wir hatten nun einige Wochen Zeit, die ACER-Verordnung<br />

und die Strommarkt-Verordnung zu lesen; denn<br />

nur um diese beiden Verordnungsentwürfe geht es heute.<br />

(C)<br />

(D)

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