Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
(A)<br />
(B)<br />
fang letzten Jahres habe ich mir einmal die Arbeit der<br />
Eisenbahnunfalluntersuchung hieb- und stichfest vom<br />
Verkehrsministerium zusammenstellen lassen. Ernüchterndes<br />
Ergebnis: Eine schnelle Unfallaufklärung ist<br />
nur graue Theorie. Zwischen April 2008 und November<br />
2015 wurden 69 zu untersuchende Unfälle mit einem<br />
Abschlussbericht versehen, aber 76 Unfälle aus diesen<br />
sieben Jahren sind 2016 immer noch in Bearbeitung gewesen.<br />
Also mehr als die Hälfte aller Fälle sind nicht abgearbeitet<br />
gewesen. Mehr als die Hälfte! Das muss man<br />
sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.<br />
Meine Feststellung von damals bleibt dieselbe: Die<br />
aktuelle Arbeit in der Eisenbahnunfalluntersuchung ist<br />
hochgradig ineffizient. Die Abschlussberichte lassen zu<br />
lange auf sich warten, und die Ergebnisse sind häufig<br />
nicht so, dass man wirklich Konsequenzen daraus ziehen<br />
kann, weil die wirklichen Unfallursachen viel zu spät<br />
aufgeklärt werden.<br />
Wir wollten schon damals die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
vom Verkehrsministerium lösen, damit die<br />
Stelle wirklich unabhängig arbeiten kann. Wir wollen<br />
auch, dass das Personal deutlich aufgestockt wird. Bei<br />
der Ausgliederung der Eisenbahnunfalluntersuchung im<br />
Jahr 2008 hatte die Behörde noch 50 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, jetzt nur noch 21 Personen. Wenn wir<br />
hier nicht deutlich nachsteuern, schleppen wir das Personalproblem<br />
in die neue Struktur mit hinein und dann wird<br />
das nichts mehr mit einer schnellen Unfallaufklärung bei<br />
den Bahnen.<br />
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf hat sich nun einigen<br />
unserer Kritikpunkte tatsächlich angenommen und<br />
damit im Kern unsere grüne Kritik an der bisherigen Form<br />
der Eisenbahnunfalluntersuchung bestätigt. Eine Organisationsuntersuchung<br />
zur Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
hat nun schwarz auf weiß benannt, was wir schon lange<br />
sagen: Die bisherige Zuordnung der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle<br />
beim Bundesverkehrsministerium<br />
hat Effizienzverluste zur Folge, fördert im Zweifel sogar<br />
Mauscheleien und damit unnötig Misstrauen bei den ansonsten<br />
guten Abschlussberichten, wenn sie denn auch<br />
tatsächlich vorliegen. Wir Grüne wollen uns daher nicht<br />
dem Anliegen des Gesetzentwurfes verweigern, die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
tatsächlich unabhängig zu<br />
organisieren und so einer selbstständigen Behörde zu<br />
übertragen. Wir stimmen daher dem Anliegen zu.<br />
Mit dem Gesetzentwurf kommen wir zwar einen<br />
Schritt weiter; aber unsere Grundkritik bleibt. Die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
braucht mehr Personal, sodass<br />
wieder ein schlagkräftiges Team zu schnelleren Ergebnissen<br />
und Abschlussberichten kommen kann. Nur so<br />
kann die Bahnindustrie schnell Fehlentwicklungen aufnehmen,<br />
schnell Schlussfolgerungen bei der Fahrzeugherstellung<br />
ziehen, und nur so ist die Sicherheit der Fahrgäste<br />
im Bahnverkehr bestmöglich gewährleistet. Das<br />
wird eine Aufgabe für die Zukunft bleiben, die die Große<br />
Koalition aus CDU/CSU und SPD wohl nicht mehr in<br />
dieser Legislaturperiode erledigen wird. Wir Grüne haben<br />
weiter ein Auge darauf; spätestens in der nächsten<br />
Legislaturperiode wollen wir auch das Personalproblem<br />
endlich beheben.<br />
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
für Verkehr und digitale Infrastruktur: Die Eisenbahn<br />
ist – bezogen auf die Transportleistung – eines<br />
der sichersten Verkehrsmittel. Absolute Sicherheit gibt<br />
es auch dort nicht, sodass seit jeher Unfälle und Ereignisse,<br />
die zu einem Unfall hätten führen können, untersucht<br />
und ausgewertet wurden, um die Betriebsprozesse<br />
einschließlich des Baus und der Instandhaltung von Anlagen<br />
und Fahrzeugen sowie die Betriebsvorschriften zu<br />
verbessern.<br />
Dies ist zunächst Aufgabe der Eisenbahnunternehmen<br />
im Rahmen ihrer Betreiberverantwortung und ihres Sicherheitsmanagementsystems<br />
gemäß § 4 Allgemeines<br />
Eisenbahngesetz. Seit 1994 wurde die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
von den Eisenbahnaufsichtsbehörden<br />
vorgenommen. Mit der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 29. April 2004<br />
über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur<br />
Änderung der Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung<br />
von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der<br />
Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität<br />
der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten<br />
für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung<br />
– Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit<br />
– wurde erstmals die Forderung gestellt, bestimmte<br />
Unfälle unabhängig von der Eisenbahnaufsicht<br />
durch eine funktional unabhängige Stelle zu untersuchen.<br />
Diese Vorgabe wurde mit dem Fünften Gesetz zur Änderung<br />
eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 16. April<br />
2007 im Allgemeinen Eisenbahngesetz umgesetzt. Dabei<br />
wurde in einem Organisationserlass die Leitung der<br />
Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes, EUB,<br />
im seinerzeitigen BMVBS verankert und als operative<br />
Stelle die funktional unabhängige Untersuchungszentrale<br />
beim Eisenbahn-Bundesamt, EBA, geschaffen. Außerdem<br />
wurden vier Untersuchungsbezirke in Berlin, Essen,<br />
Karlsruhe und München eingerichtet, um eventuelle Unfallstellen<br />
schneller als von einem Standort aus erreichen<br />
zu können.<br />
Eine Organisationsuntersuchung im Jahr 2015 hat<br />
erwiesen, dass es sinnvoller ist, die Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
des Bundes einer selbstständigen Behörde<br />
zu übertragen. In diesem Zusammenhang wurde auch<br />
die Zusammenfassung der Unfalluntersuchung für Eisenbahn,<br />
Luftfahrt und Schifffahrt in einer gemeinsamen<br />
Bundesstelle geprüft. Es hat sich jedoch gezeigt, dass<br />
hierdurch keine Synergieeffekte erzielt werden, sodass<br />
diese Alternative nicht weiter verfolgt wurde.<br />
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden durch<br />
Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des<br />
Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes die Bundesstelle<br />
für Eisenbahn-Unfalluntersuchung als selbstständige<br />
Bundesoberbehörde eingerichtet, ihre Aufgaben<br />
und Befugnisse beschrieben sowie Mitwirkungspflichten<br />
der Eisenbahnen bei der Eisenbahnunfalluntersuchung<br />
und Datenschutzregelungen festgelegt. Die Aufgaben<br />
und Befugnisse der für die Strafverfolgung und Ahndung<br />
von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden sowie<br />
der für Gefahrenabwehr zuständigen Eisenbahnaufsichtsbehörden<br />
bleiben unberührt. Im Rahmen des Gesetzentwurfs<br />
werden Vorschriften des Kapitels V der Richtlinie<br />
(C)<br />
(D)