Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22957<br />
Jürgen Coße<br />
(A)<br />
(B)<br />
hielten. Lassen Sie uns ihm und seiner Regierung jetzt<br />
und auch weiterhin eine Chance geben.<br />
Eine Chance hat die Regierung aber nur, wenn sie<br />
über ein gut ausgebildetes Militär verfügt. Dafür vermittelt<br />
EUTM Somalia Spezialwissen, hauptsächlich an<br />
Offiziere. Der Lehrplan umfasst unter anderem zivil-militärische<br />
Zusammenarbeit, humanitäres Völkerrecht und<br />
Menschenrechte. Damit wird ein Grundstein für eine Armee<br />
gelegt, die Zivilisten schützen kann.<br />
Zweifellos gibt es bei der Ausbildung einiges zu verbessern.<br />
Das tut die EU aber auch. 2016 beschloss die<br />
EU, die Ausbildung stärker stammübergreifend auszurichten.<br />
Bereits Anfang dieses Jahres hat die Mission die<br />
Ausbildung einer stammübergreifenden Infanteriekompanie<br />
abgeschlossen. Diese Fortschritte können sich sehen<br />
lassen, auch wenn sie klein sind.<br />
Trotzdem macht sich heute keiner meiner Kolleginnen<br />
und Kollegen in diesem Haus die Entscheidung leicht.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Wer gegen den Antrag stimmt, muss eine Frage beantworten:<br />
Was ist denn die Alternative? Wenn wir uns nicht<br />
in Somalia engagieren, überlassen wir das Land auf jeden<br />
Fall den Terroristen von al-Schabab. Das kann niemand<br />
in diesem Hause ernsthaft wollen.<br />
Sicherlich: Die Parole „Afrikanische Lösungen für afrikanische<br />
Probleme“ ist ein gutes Ziel. Es zu erreichen,<br />
liegt auch im europäischen Interesse. Aber so weit sind<br />
wir noch nicht. Noch gibt es eine geteilte Verantwortung<br />
bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten auf unserem<br />
Nachbarkontinent. Was nicht nationalstaatlich<br />
gelöst werden kann, wird auf Ebene der afrikanischen<br />
Regional organisationen oder der Afrikanischen Union<br />
gehoben, und es wird versucht, eine Lösung anzustreben.<br />
Erst danach kommen die Vereinten Nationen und die Europäische<br />
Union ins Spiel.<br />
Im <strong>Bundestag</strong>, liebe Kolleginnen und Kollegen, reden<br />
wir häufig über Krisen und Konflikte in Afrika, die bislang<br />
noch nicht gelöst worden sind. Aber es gibt auch<br />
Erfolge. Über diese sollten wir vielleicht öfter reden. Erst<br />
Anfang des Jahres gelang es der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
ECOWAS, in Gambia einen letztlich<br />
friedlichen Machtwechsel durchzusetzen. Auch die<br />
Afrikanische Union macht Fortschritte. Für den neuen<br />
Generalsekretär der Afrikanischen Union stehen Sicherheit<br />
und Frieden ganz oben auf der Agenda. Er hat sich<br />
in Somalia ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. Auf<br />
jeden Fall müssen wir anerkennen, welche Entwicklung<br />
die afrikanische Sicherheitsarchitektur bereits genommen<br />
hat. Die Afrikanische Union gibt es erst seit 15 Jahren.<br />
Ihre Vorgängerin, die Organisation für Afrikanische<br />
Einheit, stand noch klar unter dem Prinzip der Nichteinmischung.<br />
Interventionen, wie sie die Afrikanische Union<br />
heute vornimmt, wären damals undenkbar gewesen.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir etwas<br />
umfassender zurückblicken, sehen wir: Die afrikanische<br />
Sicherheitsarchitektur ist auf dem Weg nach vorne, auch<br />
wenn es langsam vorangeht. Bis das Ziel „Afrikanische<br />
Lösungen für afrikanische Probleme“ erreicht ist, wird<br />
allerdings noch viel Wasser Nil, Kongo und Niger hinunterfließen.<br />
Bis es so weit ist, sollten wir uns nicht verweigern,<br />
wenn wir helfen können. Genau deswegen stimmt<br />
die SPD diesem Antrag zu.<br />
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)<br />
Vizepräsidentin Claudia Roth:<br />
Vielen Dank, Herr Kollege Coße. – Nächste Rednerin:<br />
Sevim Dağdelen für die Linke.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):<br />
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und<br />
Kollegen! Wir haben in der gerade vorangegangenen Debatte<br />
über die Hungersnot im Südsudan gesprochen. Hier<br />
kann man eigentlich nahtlos anschließen. Somalia steht<br />
nämlich am Abgrund. Die Menschen in Somalia stehen<br />
vor einer humanitären Katastrophe. 6,2 Millionen Menschen<br />
hungern, davon allein 300 000 Kinder. Wenn nicht<br />
schnell Hilfe ankommt, werden Tausende Menschen<br />
sterben. Das Welternährungsprogramm berichtet davon,<br />
dass massiv Mittel fehlen, um auch nur die nötigste humanitäre<br />
Hilfe in Somalia zu leisten.<br />
Die Bundesregierung hat im letzten Jahr 38 Millionen<br />
Euro ausgegeben. Ende Februar 2017 hat sie zusätzlich<br />
16,5 Millionen Euro bereitgestellt. Das begrüßen wir<br />
ausdrücklich. Das ist gut. Aber es ist nur ein Tropfen auf<br />
den heißen Stein. Sie stellen den Hungernden in Somalia<br />
damit pro Kopf 2,66 Euro zur Verfügung. Tausende Menschenleben,<br />
die gerettet werden könnten, werden so nicht<br />
gerettet. Den Vereinten Nationen, sagt der Sondergesandte<br />
von UN-Generalsekretär Guterres, Michael Keating,<br />
fehle es an Geld. Zitat:<br />
Das Vorbeugungsprogramm gegen Hunger braucht<br />
864 Millionen Dollar bis Juni, um 5,5 Millionen<br />
Menschen zu erreichen. 30 Prozent des versprochenen<br />
Geldes ist da.<br />
Da fragt man sich natürlich: Was tut man, was tut<br />
die Bundesregierung, um den Hungernden zu helfen,<br />
also einer existenziellen Krise entgegenzuwirken, und<br />
das notwendige Geld aufzutreiben? Warum ist die Bundesregierung<br />
nicht bereit, wenigstens die 8 Prozent, die<br />
Deutschland zum UN-Budget leistet, oder sogar 10 Prozent<br />
– das wäre angesichts der schwerwiegenden Situation<br />
mehr als angemessen – als Anteil zu übernehmen?<br />
Warum ist man dazu nicht bereit? Das wäre eigentlich<br />
angemessen angesichts der wirtschaftlichen Kraft, die<br />
wir haben, und entspräche dann 86 Millionen Dollar.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
In diese Richtung gehen Sie aber einfach nicht. Stattdessen<br />
soll die Ausbildungsmission für somalische Sicherheitskräfte<br />
durch die Bundeswehr fortgeführt werden.<br />
Für diese Mission sollen heute hier im <strong>Bundestag</strong><br />
4,1 Millionen Euro für ein Jahr bereitgestellt werden, also<br />
ein Viertel der Summe, die Sie hier zusätzlich für humanitäre<br />
Hilfe einsetzen wollen. Das geschieht, obwohl Sie<br />
noch nicht einmal sagen können, wie viele der von Ihnen<br />
ausgebildeten Soldaten desertiert oder beispielsweise<br />
(C)<br />
(D)