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Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22891<br />

Bundesminister Sigmar Gabriel<br />

(A)<br />

(B)<br />

Die Demonstranten, die den Puls Europas zeigen, sind<br />

übrigens unsere stärksten Verbündeten.<br />

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem<br />

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Großbritannien war jahrzehntelang Teil und wichtiger<br />

Akteur dieser großen Gemeinschaft. Die gemeinsame<br />

Geschichte mit uns Deutschen – keine einfache, oft eine<br />

schmerzvolle – verbindet. Heute sind wir Partner in einem<br />

friedlichen Europa mit gemeinsamen Interessen und<br />

Werten. Unzählige Deutsche studieren und arbeiten in<br />

Großbritannien. Junge Briten leben bei uns, beleben die<br />

Kulturszene, führen Unternehmen und gründen Start-ups.<br />

Ich glaube, dass wir trotz aller Auseinandersetzungen<br />

rund um den Brexit sicherstellen müssen, dass diese gewachsene<br />

Freundschaft zwischen den Menschen unserer<br />

Länder durch die jetzt anstehenden Verhandlungen nicht<br />

gefährdet wird. Wir müssen Freunde bleiben. Auch wenn<br />

sich dieser Spruch bei privaten Trennungsgeschichten,<br />

die es ja manchmal gibt, nicht immer realisieren lässt: Ich<br />

glaube, dass das eine gute Überschrift für das ist, was wir<br />

anstreben sollten: Wir sollten Freunde bleiben, vielleicht<br />

mit Ausnahme des Fußballplatzes.<br />

Die Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich,<br />

die die Europäische Union für uns führen wird,<br />

werden nicht einfach. Sicherlich kennt der eine oder<br />

andere den Spruch, dass es zuerst schwer werden wird,<br />

bevor es wieder leichter wird. Das trifft auch auf diese<br />

Verhandlungen zu. Sie werden zuerst schwer werden,<br />

bevor sie wieder leichter werden. Sosehr der Austritt<br />

Großbritanniens aus der EU auch falsch ist, sosehr er<br />

dem Vereinigten Königreich, wie ich glaube, am Ende<br />

mehr schaden wird als uns – man darf keine Zweifel daran<br />

haben, dass er auch uns schadet –, so wenig Interesse<br />

haben wir aber, die Verhandlungen so zu führen, dass am<br />

Ende ein völlig zerrüttetes oder verfeindetes Verhältnis<br />

zwischen uns entsteht.<br />

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie<br />

bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

GRÜNEN)<br />

Für die Bundesregierung ist allerdings klar: Die wichtigste<br />

Bedingung bei den Verhandlungen über den Austritt<br />

des Vereinigten Königreichs ist die Wahrung der<br />

Interessen der Bürgerinnen und Bürger der verbleibenden<br />

27 Mitgliedstaaten, des Zusammenhalts sowie der<br />

wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen der<br />

Mitgliedstaaten und übrigens auch der Interessen der Institutionen<br />

der Europäischen Union. Bei all dem gibt es<br />

keinen Britenrabatt.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/<br />

DIE GRÜNEN)<br />

Viel Detailarbeit wird nötig sein. Wir sollten den Austrittsprozess<br />

aber selbstbewusst und ohne Schaden für die<br />

27 verbleibenden Mitgliedstaaten betreiben.<br />

Man braucht klare Leitlinien dafür. Für mich gibt es<br />

vier Aspekte, die wir berücksichtigen müssen.<br />

Erstens werden wir immer besondere Beziehungen<br />

zum Vereinigten Königreich haben, schon wegen der<br />

Bedeutung unserer Zusammenarbeit in der Außenpolitik,<br />

bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus,<br />

bei Forschung und Entwicklung sowie insbesondere bei<br />

unseren sicherheitspolitischen Aufgaben.<br />

Zweitens hat der Brexit ein großes Gefühl der Unsicherheit<br />

für unsere Wirtschaft, vor allen Dingen aber<br />

auch für mehr als 3 Millionen EU-Bürger geschaffen, die<br />

im Vereinigten Königreich leben, davon 300 000 Deutsche.<br />

Wir werden deshalb vor allen Dingen am Anfang<br />

dafür sorgen müssen, dass sie durch den Brexit möglichst<br />

keine Nachteile erleiden. Das Motto von EU-Chefverhandler<br />

Michel Barnier lautet deshalb zu Recht: Citizens<br />

first, Bürgerinnen und Bürger zuerst! So wichtig die<br />

wirtschaftlichen Beziehungen sind: Zuallererst müssen<br />

der Rechtsstatus und die Interessen der Bürgerinnen und<br />

Bürger Europas in Großbritannien gesichert werden.<br />

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie<br />

bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

GRÜNEN)<br />

Ebenso müssen wir die Finanzierung von EU-Programmen<br />

sicherstellen, wie zum Beispiel des Europäischen<br />

Sozialfonds oder des Investitionsplans von Kommissionspräsident<br />

Juncker. Dafür erwarten wir, dass das<br />

Vereinigte Königreich seine eingegangenen Verpflichtungen<br />

einhält.<br />

Drittens ist klar, dass eine Partnerschaft außerhalb der<br />

Europäischen Union, wie sie das Vereinigte Königreich<br />

anstrebt, zwingend weniger als eine Mitgliedschaft in der<br />

Europäischen Union sein muss.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />

Ein Freihandelsabkommen – und sei es noch so weitgehend<br />

und innovativ – ist zwangsläufig weniger handelsfreundlich<br />

als der barrierefreie Binnenmarkt. Wir haben<br />

es immer wieder zu Recht betont: Der Binnenmarkt ist<br />

kein À-la-carte-Menü, seine vier Freiheiten sind unteilbar,<br />

und hierzu gehört die Personenfreizügigkeit, die Europa<br />

ausmacht. Das hat auch London verstanden.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/<br />

DIE GRÜNEN)<br />

Viertens muss unseren britischen Partnern klar sein: Je<br />

enger unsere Partnerschaft sein soll, desto mehr gemeinsame<br />

Spielregeln brauchen wir. Das gilt nicht nur für<br />

gleiche Standards bei Wettbewerb, Beihilfe und Arbeitnehmerschutzregeln,<br />

sondern auch für andere Bereiche<br />

wie beispielsweise Umwelt- und Datenschutz.<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es jetzt<br />

weiter? Wir müssen zunächst den Rahmen für die Verhandlungen<br />

abstecken. Das werden wir durch die Leitlinie<br />

des Europäischen Rates tun. Übrigens: Der Austrittsprozess<br />

ist eine „EU only“-Angelegenheit. Der sich<br />

anschließende Verhandlungsprozess über die Frage des<br />

zukünftigen Verhältnisses betrifft dann ein gemischtes<br />

Abkommen, das der Deutsche <strong>Bundestag</strong> und der Bundesrat<br />

ratifizieren müssen.<br />

Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir jedenfalls,<br />

auch wenn wir bei den Austrittsverhandlungen nicht unmittelbar<br />

eine Rolle spielen – das habe ich gestern auch<br />

(C)<br />

(D)

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