Deutscher Bundestag
2nCLeRm
2nCLeRm
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
22896<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017<br />
Cem Özdemir<br />
(A)<br />
(B)<br />
Europa lohnt sich, Europa ist gut für die Bürger. Das darf<br />
uns ruhig etwas wert sein.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der SPD)<br />
Aber ich will mich auch an den Kollegen Dehm wenden,<br />
weil ich mit Bedauern gehört habe, dass auch die<br />
Kollegen der Linkspartei leider immer wieder in dieses<br />
nationale Horn stoßen.<br />
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)<br />
Was war denn der Grund dafür, dass die britische Wirtschaft<br />
heute so dasteht, wie sie dasteht? Es war doch<br />
nicht die Europäische Union, die gesagt hat: Ihr müsst<br />
euch deindustrialisieren.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Es war die Entscheidung der britischen Premierministerin<br />
Margaret Thatcher, die einseitig auf den Finanzstandort<br />
London gesetzt hat. Man muss zur Ehrlichkeit dazu<br />
sagen: Die sozialdemokratischen Nachfolger haben es<br />
auch nicht viel anders gemacht. Das war doch der Grund,<br />
warum Großbritannien so dasteht, wie es dasteht.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Die Politik, dass man die Verantwortung für nationales<br />
Versagen immer in Brüssel ablegt, muss endlich einmal<br />
ein Ende haben.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der CDU/CSU und der SPD)<br />
An die Kollegen der Linkspartei gerichtet – nicht<br />
an alle, aber an manche –: Der Linkspopulismus gegen<br />
Europa ist mir nicht sympathischer als der Rechtspopulismus<br />
in Europa. Wir brauchen gar keinen Populismus<br />
gegen Europa.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der CDU/CSU und der SPD)<br />
Wir brauchen endlich Mut, Ehrlichkeit und die Bereitschaft,<br />
sich für Europa einzusetzen.<br />
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das sagt<br />
der Richtige!)<br />
Wir müssen deutlich machen, dass wir das Mandat<br />
nicht aus der Hand geben. Ich bin froh, dass alle Rednerinnen<br />
und Redner bis jetzt deutlich gemacht haben, dass<br />
es dabei auch um die vier Grundfreiheiten geht. Den freien<br />
Verkehr für Personen und Waren, für Dienstleistungen<br />
und für Kapital gibt es nur im Paket. Es kann nicht sein,<br />
dass man sich das herauspickt, was man gerne hätte, und<br />
auf den Rest verzichtet. So haben wir in der Europäischen<br />
Union nicht gewettet. Deshalb muss die Bundesregierung<br />
dafür sorgen, dass am Ende drei Dinge Bestand<br />
haben: Der Zusammenhalt der Europäischen Union, die<br />
Integrität des Binnenmarktes und die Einheitlichkeit des<br />
Europarechts stehen nicht zur Verhandlung. Die gibt es<br />
nur im Paket. Die müssen wir erhalten.<br />
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-<br />
SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und<br />
der SPD)<br />
Wir müssen auf der einen Seite deutlich machen, was<br />
passiert, wenn man sich für den Exit entscheidet. Der<br />
erste Staatsgast, den US-Präsident Trump empfangen<br />
hat, war bezeichnenderweise Theresa May. Jeder, der<br />
in Europa mit Exit-Fantasien herumläuft, sollte sich gut<br />
überlegen, wer einen dann erwartet und was einen dann<br />
erwartet.<br />
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN, bei der CDU/CSU und der SPD)<br />
Auf der anderen Seite muss einem auch klar sein: Wenn<br />
ich als Mitglied der Europäischen Union ins Weiße Haus<br />
gehe, wenn ich als Mitglied der Europäischen Union<br />
nach China gehe, dann vertrete ich den größten Binnenmarkt<br />
der Welt, dann habe ich doch viel mehr zu sagen,<br />
als wenn ich als Einzelner hingehe. Deshalb bin ich froh,<br />
dass wir hier als Konsens haben: Wir verhandeln nicht<br />
nur als Deutschland, wenn wir irgendwohin gehen, sondern<br />
wir sind auch immer als Europäer unterwegs. Wenn<br />
es alle so machen in Europa, dann schaffen wir gemeinsam<br />
mehr.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der CDU/CSU und der SPD)<br />
Ich will noch einmal sagen, dass es jetzt nicht darum<br />
geht, verbrannte Erde zu hinterlassen. Wir brauchen<br />
freundschaftliche Beziehungen zu Großbritannien. Sie<br />
haben vieles aufgezählt, was wir von den Briten gelernt<br />
haben, sei es die parlamentarische Demokratie, seien es<br />
andere Dinge, in denen sie heute noch eng mit uns zusammenarbeiten.<br />
Ich hätte mir noch den britischen Humor,<br />
ich denke da beispielsweise an Monty Python, gewünscht.<br />
Davon könnten wir Deutsche auch noch etwas<br />
gebrauchen. Das würde uns in der Europäischen Union<br />
durchaus guttun, insbesondere uns in Deutschland.<br />
Wir werden in vielen Feldern zusammenarbeiten. Aber<br />
der entscheidende Unterschied ist jetzt auch klar: Wir,<br />
die EU der 27, haben uns dafür entschieden, unsere Interessen<br />
zusammen zu vertreten. London kämpft ab jetzt<br />
alleine. Wir schauen nach vorne und sind uns hoffentlich<br />
einig darin, dass ein Land alleine die globalen Herausforderungen<br />
von der Bekämpfung des Terrorismus bis zum<br />
Klimawandel nicht bewältigen kann. Wir sind stärker,<br />
wenn wir uns als Europäische Union zusammentun: auch<br />
bei der Bekämpfung von Fluchtursachen, auch bei dem<br />
Thema, dass wir die Welt in einen Zustand verwandeln<br />
wollen, dass die Menschen dort, wo sie leben, menschenwürdig<br />
leben können. Das kann keiner allein, aber wenn<br />
wir 27 uns zusammentun, macht es einen Unterschied,<br />
meine Kolleginnen und Kollegen.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der SPD)<br />
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der immer<br />
wieder in Großbritannien genannt wurde, nämlich das<br />
Thema Migration. Ich will daran erinnern, dass die Freizügigkeit<br />
im Jahre 2004, als die osteuropäischen Länder<br />
Mitglied der Europäischen Union geworden sind, durch<br />
die Bundesrepublik Deutschland für sieben Jahre ausgesetzt<br />
wurde. Die Briten sind damals einen anderen Weg<br />
gegangen, ganz bewusst. Viele vergessen das heute. Das<br />
(C)<br />
(D)