MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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trugsserien fortsetzen. Einige Gesprächspartner äußerten die Vermutung, dass professionellen<br />
Tätern inzwischen bereits bekannt sei, bei welchen Anbietern nichts gespeichert wird, und<br />
dieses Wissen gezielt für Straftaten genutzt werde. Einige Provi<strong>der</strong> würden teilweise sogar<br />
damit werben, keine Daten zu speichern. Des Weiteren würden entsprechende Informationen<br />
über Foren verbreitet.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> aktuellen Speicherpraxis ergeben sich nach den Schil<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> betreffenden<br />
Beamten auch spezifische Probleme im präventiven Anwendungsbereich <strong>der</strong> Verkehrsdatenabfrage.<br />
Als konkrete Beispiele werden etwa Erpressungen und Amokandrohungen benannt,<br />
die typischerweise per Telefon o<strong>der</strong> im Internet ausgelöst werden. Hier sei die Ermittlung <strong>der</strong><br />
Urheber in <strong>der</strong> Regel unmöglich geworden, da die ermittlungsrelevanten Informationen nicht<br />
o<strong>der</strong> nur unzureichend gespeichert würden. Als weiteres Beispiel wird auf Fälle mit akuter<br />
Suizidgefahr hingewiesen. Dort seien zur Ermittlung des Standortes regelmäßig Geodaten<br />
notwendig. Neben Echtzeitdaten zur Ermittlung des aktuellen Aufenthaltsortes betreffe das<br />
auch retrograde Standortdaten, etwa wenn es – bei abgeschaltetem Handy – um die Identifizierung<br />
möglicher Aufenthaltsorte auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> zuletzt eingeloggten Funkzelle gehe.<br />
Ohne Hinweise auf zumindest eine konkrete Funkzelle sei <strong>der</strong> Standort faktisch kaum<br />
ermittelbar. Retrograde Geodaten seien darüber hinaus von Bedeutung, weil eine Funkzellenabfrage<br />
in Echtzeit oft nicht möglich sei, da <strong>der</strong> Anbieter diese Informationen oft nicht speichere.<br />
Gleiches gelte sinngemäß für Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltes vermisster<br />
Personen. Im Beispielsfall 11 sei die Suche nach einem vermissten Mädchen, das sich mutmaßlich<br />
mit einem pädophilen Täter getroffen hatte, erfolglos geblieben, weil zwar die relevanten<br />
IP-Adressen ermittelt worden seien, <strong>der</strong> Provi<strong>der</strong> sich aber geweigert habe, diese nach<br />
den Bestandsdaten aufzulösen. Ein Interviewpartner formuliert die Situation in solchen Fallkonstellation<br />
drastisch wie folgt: „Wir können lediglich bei dem jeweiligen Unternehmen<br />
anrufen und fragen, ob es bereit ist […] das Leben seines Kunden zu retten o<strong>der</strong> nicht. Wenn<br />
<strong>der</strong> Provi<strong>der</strong> dazu nicht bereit ist und die Herausgabe <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Daten ablehnt,<br />
kommen wir auf diesem Weg nicht weiter“ (siehe auch Beispiel 8).<br />
1.2.3.2. Echtzeit- und zukunftsgerichtete Daten<br />
Gerade <strong>der</strong> präventive Bereich wie auch gemischt präventiv-repressive Einsatzlagen (vgl.<br />
Beispiel 9) werden an erster Stelle als Beispiel für Situationen genannt, in denen – anstelle<br />
o<strong>der</strong> neben retrograden – Echtzeitdaten wichtig seien. Diesbezüglich haben die Interviewpartner<br />
in <strong>der</strong> großen Mehrheit bislang keine unmittelbaren Auswirkungen durch das Urteil<br />
vom 2.3.2010 zu vermelden. Ein Gesprächspartner verweist jedoch auf eine indirekte Auswirkung.<br />
Durch den Wegfall <strong>der</strong> retrograden Daten sei ein wichtiges Element für die Vorbereitung<br />
aller Echtzeitmaßnahmen, auch <strong>der</strong> Datenabfrage in Echtzeit, entfallen. Damit könne<br />
das Ziel einer Echtzeitmaßnahme oft gar nicht bestimmt werden.<br />
Darüber hinaus werden einige Probleme aufgezeigt, die in keinen unmittelbaren Zusammenhang<br />
mit dem BVerfG-Urteil aufweisen. Dies betrifft vor allem technisch bedingte Einschränkungen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Standortabfrage in Echtzeit. § 100g Abs. 1 S. 3 StPO sei