MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
172<br />
für den bestimmte Daten verloren sind, nicht kennen würden. Aus ihrer Perspektive als Eil-<br />
bzw. Ermittlungsrichter und damit als richterliches Kontrollorgan stünden Fragen <strong>der</strong> Begründetheit,<br />
gegebenenfalls auch Begründbarkeit von Abfrageanträgen und -beschlüssen unter<br />
erschwerten ermittlungspraktischen Rahmenbedingungen, (weiterhin) im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Allgemein sind die befragten Richter <strong>der</strong> Auffassung, dass die antragstellenden Staatsanwaltschaften<br />
ihre Praxis offenbar sehr schnell an die neue Rechtslage angepasst und ihre Anträge<br />
entsprechend umgestellt hätten. Bei <strong>der</strong> Abfrage von Verkehrsdaten nach § 100g StPO werde<br />
nunmehr einheitlich auf § 96 TKG anstatt auf § 113a TKG verweisen. Hier sei lediglich ein<br />
Textbaustein angepasst worden. Das sei rechtlich zulässig und nicht zu beanstanden.<br />
Von spürbaren Auswirkungen berichten die Richter hingegen mit Blick auf ihre Erfahrungen<br />
als erkennende Richter. Hier fehle oft ein wichtiges Element zur Überführung von Tätern,<br />
bringt ein Richter die einhellig geäußerte Meinung auf den Punkt. Erkenntnisse, die mithilfe<br />
<strong>der</strong> retrograden Daten erlangt werden konnten und die in vielen Fällen auch zielführend waren,<br />
stünden nicht mehr zur Verfügung, sodass verschiedene Taten nicht mehr aufgeklärt<br />
werden könnten. In Anbetracht des kurzen Zeitraumes seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
können die Richter bislang allerdings nur von relativ wenigen konkreten Fällen<br />
berichten, in denen die retrograden Daten zur Klärung des Falles definitiv gefehlt hatten. Sie<br />
weisen jedoch darauf hin, dass unbekannt bleibe, in welchen Fällen die gespeicherten Daten<br />
möglicherweise zum Ziel geführt hätten. An<strong>der</strong>erseits wisse man auch nicht, wie viele Daten<br />
in den entsprechenden Fällen tatsächlich noch hätte erlangen können, wenn die <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong><br />
nicht weggefallen wäre.<br />
3.2. Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Antrags- und Anordnungspraxis<br />
Die Antragspraxis <strong>der</strong> Ermittlungsbehörden hat sich seit dem Wegfall <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong><br />
nach <strong>der</strong> Beobachtung <strong>der</strong> befragten Richter nur bedingt verän<strong>der</strong>t. Ein Richter berichtet,<br />
dass in seinem Tätigkeitsbereich die Anzahl <strong>der</strong> Anträge nach § 100a StPO zugenommen<br />
habe. Hinsichtlich <strong>der</strong> von dem Wegfall <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> unmittelbar<br />
betroffenen Verkehrsdatenabfrage nach § 100g StPO ergibt sich ein uneinheitliches Bild:<br />
während ein Richter berichtet, in seinem Tätigkeitsbereich würden mindestens gleich viele<br />
Anträge nach § 100g StPO wie vor dem BVerfG-Urteil vom März 2010 bearbeitet werden,<br />
berichten zwei an<strong>der</strong>e von einem Rückgang <strong>der</strong> Anträge nach § 100g StPO. Ein weiterer Kollege<br />
beobachtet freilich eine deutliche Zunahme <strong>der</strong> Eilanträge. Sofern von einem generellen<br />
Anstieg <strong>der</strong> Antragszahlen in Bereich des § 100g StPO berichtet wird, sei dies wahrscheinlich<br />
auf den schon längerfristig erkennbaren Trend zurückzuführen, dass viele Straftäter mittlerweise<br />
immer mehr Handys besäßen. Ein Zusammenhang mit dem Wegfall <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong><br />
könne daraus eher nicht hergestellt werden. Vielmehr habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts,<br />
jedenfalls kurzfristig, eher zu einem Rückgang <strong>der</strong> Anträge nach<br />
§ 100g StPO geführt. Ein Richter beziffert den Rückgang in seinem Arbeitsbereich sogar mit<br />
fast 100%. Ansonsten seien hinsichtlich <strong>der</strong> Abfragepraxis <strong>der</strong> Ermittlungsbehörden keine<br />
Verän<strong>der</strong>ungen zu beobachten.