MPI Gutachten Vorratsdatenspeicherung - Bundesministerium der ...
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2. Rechtspolitische Diskurse zu Zusammenhängen zwischen <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong>,<br />
Aufklärung und Sicherheit<br />
Die Debatten über den Zusammenhang zwischen Ermittlungseffizienz und auf Vorrat gespeicherten<br />
Telekommunikationsdaten sind <strong>der</strong>zeit durch die nachdrückliche Betonung <strong>der</strong> Bedeutung<br />
von Vorratsdaten für die Aufklärung spezifischer Delikte einerseits sowie ebenso<br />
deutliche Hinweise auf eine fehlende Datengrundlage für die Behauptung von Aufklärungsrelevanz<br />
an<strong>der</strong>erseits gekennzeichnet. Hieraus resultieren Missverständnisse, vor allem aber<br />
Misstrauen. Als Beispiel (und stellvertretend für die laufenden rechtspolitischen Auseinan<strong>der</strong>setzungen)<br />
kann die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Nie<strong>der</strong>sächsischen Landtag aus<br />
dem Jahr 2010 herangezogen werden. Die Kleine Anfrage befasste sich mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> und suchte vor allem Auskunft zum Einfluss des Wegfalls<br />
<strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> nach <strong>der</strong> Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom<br />
März 2010 auf Ermittlungseffizienz und die Aufklärungsquoten. In <strong>der</strong> Antwort wird zunächst<br />
und als Einleitung ausgeführt, dass die Vorhaltung von Telekommunikationsverkehrsdaten<br />
über einen gewissen Mindestzeitraum insbeson<strong>der</strong>e für die Strafverfolgung und<br />
für die Abwehr erheblicher Gefahren im Bereich des Terrorismus und <strong>der</strong> organisierten Kriminalität<br />
sowie in Deliktsfel<strong>der</strong>n wie <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>pornografie von essenzieller Bedeutung sei.<br />
Dies ist nichts an<strong>der</strong>es als die allgemeine Begründung <strong>der</strong> europäischen Richtlinie<br />
2006/24/EG und <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> <strong>Vorratsdatenspeicherung</strong> in das deutsche Recht Ende<br />
2007. Betont wird in den im Wesentlichen gleich lautenden Begründungen, dass konspirativ<br />
vorgehende Tätergruppen sich zunehmend <strong>der</strong> neuen Informations-/Kommunikationstechnologien<br />
bedienten, ein Argument, das seit Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre die Debatten um die mit Organisierter<br />
Kriminalität zusammenhängenden Risiken und Ermittlungsprobleme kennzeichnet<br />
150 , jedoch im Kern nichts an<strong>der</strong>es besagt, als dass Personen, die in kriminellen Netzwerken<br />
und illegalen Märkten operieren, das Mobiltelefon, das Internet, Verschlüsselungstechniken<br />
in <strong>der</strong> Übertragung von Daten, eben die mo<strong>der</strong>ne Infrastruktur <strong>der</strong> Kommunikation<br />
nutzen. Etwas An<strong>der</strong>es wäre auch völlig überraschend. Dass <strong>der</strong> Drogenhandel im Kilobereich<br />
detailliert via E-Mail-Verkehr abgestimmt und Kin<strong>der</strong>pornografie über Chatrooms im<br />
Internet weiter gegeben werde, besagt deshalb nur, dass heute gerade im Zusammenhang mit<br />
auf wirtschaftlichen (und an<strong>der</strong>s motivierten) Transaktionen beruhen<strong>der</strong> Kriminalität zusätzliche<br />
Informationen entstehen, die für die Aufklärung genutzt werden können. Dass deshalb<br />
aber <strong>der</strong> Zugriff auf Verkehrsdaten <strong>der</strong> Telekommunikation o<strong>der</strong> auf die IP-Adressen für die<br />
Aufklärung von Straftaten unabdingbar sei, ist damit nicht gesagt.<br />
In <strong>der</strong> Antwort auf die Kleine Anfrage im nie<strong>der</strong>sächsischen Parlament werden dann spezifische<br />
Delikte aufgegriffen, für die ein beson<strong>der</strong>er Bedarf an auf Vorrat gespeicherten Verkehrsdaten<br />
geltend gemacht wird. Beson<strong>der</strong>e Bedeutung wird selbstverständlich <strong>der</strong> Vorrats-<br />
____________<br />
150 Albrecht, H.-J.: Organisierte Kriminalität - Theoretische Erklärungen und empirische Befunde. In: Albrecht,<br />
H.-J., Dencker, F. u. a. (Hrsg.): Organisierte Kriminalität und Verfassungsstaat. Deutsche Sektion <strong>der</strong><br />
Internationalen Juristen-Kommission. Rechtsstaat in <strong>der</strong> Bewährung. Bd. 33, Heidelberg 1998, S. 1-40.