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Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

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239<br />

Der Umgang mit Sachen grenzt den Händler gegenüber dem Geschäftsmann<br />

ab. Doch gibt es über diese eher technisch, numerischen Grenzen<br />

(Gewinnerzielungsabsicht und keine wesentliche Modifizierung der Ware)<br />

hinaus auch Charakteristika, die einen Händler in Bezug auf Handlungsorientierungen<br />

auszeichnen? Was hat es z.B. mit Begriffen wie Händlerethik<br />

oder Kaufmannsehre auf sich? Auf welche handlungsleitenden Orientierungen<br />

sich Perlenhändler beziehen klang bei den vorgestellten Akteuren schon<br />

an einigen Punkten an. Zentral ist dabei die Bedeutung von spezifischen<br />

Gruppen, wie der Bohra etc. Im Folgenden soll zunächst allgemein der<br />

Rolle von Händlerminderheiten nachgegangen werden, um dann speziell zur<br />

Bedeutung der indischen Händlerminoritäten zu gelangen.<br />

10.1.1 Händlerminderheit202 Folgt man der Spur der Perlen, so spielen vor allem zwei Händlerminoritäten<br />

eine wichtige Rolle: Jüdische Händler im historischen europäischen<br />

Perlenhandel und bis heute indische Händler in Ostafrika. Jüdische Händler<br />

in Gablonz waren deutschsprachige Böhmen und österreichische und später<br />

tschechoslowakische Staatsbürger. Vor allem aber waren sie Gablonzer und<br />

hatten als Exporteure, Lieferanten oder Produzenten an der Erfolgsgeschichte<br />

der Gablonzer Industrie Anteil. Als Fremde, die Reichsdeutschen, in<br />

Gablonz die Macht übernahmen, durften sie all dies nicht mehr sein. Ihre<br />

jüdische Abstammung wurde Anlass für Ausgrenzung, Vertreibung und<br />

Vernichtung. Mit der spezifischen Rolle jüdischer Händler befasste sich<br />

bereits die frühe deutsche Sozialforschung des ausgehenden 19. und<br />

beginnenden 20. Jhs. (etwa Max Weber, Sombart und Simmel). Auf diese<br />

grundlegenden Arbeiten aufbauend beschäftigen sich die Sozialwissenschaften<br />

bis heute mit der Rolle von Händlerminoritäten.<br />

Handlungsorientierungen, die sich als tragfähig für eine bäuerliche Existenz<br />

erweisen, müssen sich in vielen Punkten als untauglich für eine<br />

Existenz als Händler erweisen. Man führe sich bloß die einander entgegenstehenden<br />

Grundsätze vor Augen: die bäuerliche Solidität, Sesshaftigkeit<br />

und die Betonung langfristiger Sicherheit, die notwendig sind, um auch in<br />

schlechten Jahren durchzuhalten und die damit kollidierende, für einen<br />

Händler aber notwendige Flexibilität und Bereitschaft, Grenzen zu überwinden.<br />

Bilden sich in bäuerlichen Gesellschaften marktwirtschaftliche<br />

Strukturen, so geht dies in der Regel mit dem Entstehen, bzw. der Zuwanderung<br />

eigenständiger Händlergruppen einher. Der Handel mit Glasperlen,<br />

Hand nimmt. Er bleibt hinter seiner Theke oder am Schreibtisch und lässt sich die Ware von<br />

den Lieferanten präsentieren. Verkauft er aber Ware, so nimmt er das Stück in den meisten<br />

Fällen selbst in die Hand, liest den Preis ab und tippt diesen in die Kasse ein. Hier agiert er<br />

als Händler, der aus der eigenen Hand eine Ware an den Kunden weitergibt.<br />

202 Der Begriff trading-minority geht auf Wertheim (1964) zurück.

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