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Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

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Böhmische Perle so einzigartig bzw. wie lässt sich ihr Erfolg als globales<br />

Handelsgut erklären? Es sind zum einen die Material- und Formeigenschaften<br />

des Produkts: Die nordböhmischen Glashütten, allen voran die kleinen<br />

Komposithütten, produzieren Anfang des 19.Jh. Gläser in einer Qualität, die<br />

zu den besten der Zeit gehört. Nicht umsonst sind unter den Hauptabnehmern<br />

der nordböhmischen Glasindustrie in Deutschland, die für den Schliff<br />

von Edelsteinen bekannten Orte Idar und Oberstein. Hier liegt eine der<br />

grundlegenden Erklärungen für den Erfolg der Böhmischen Perle: Die<br />

Qualität des Glases bot zusammen mit dem handwerklich gekonnten Schliff<br />

(der wiederum auf starke Einflüsse aus Idar und Oberstein zurückgeht) ein<br />

Produkt, das große Ähnlichkeit mit echten Edelsteinen aufweist. Aufgrund<br />

der angewandten Produktionstechniken kann auf jeder Stufe der Produktion<br />

eine immer weiter fortschreitende Mechanisierung (des Ziehens, Sprengens,<br />

Sortierens, Schleifens, Anfädelns etc.) erreicht werden, die zusammen mit<br />

einer sehr flexiblen Kooperation der einzelnen unabhängigen Betriebe zu<br />

einer größtmöglichen Optimierung der Produktionskosten führt. Am Ende<br />

steht ein Produkt, das in seiner Farbigkeit und Gestalt den Geschmack auf<br />

vielen Märkten entspricht und gleichzeitig konkurrenzlos günstig hergestellt<br />

werden kann.<br />

Das dickwandige Kreidekristallglas Südböhmens eignet sich wie kein<br />

anderes Glas für den Glasschnitt und -schliff. Der berühmte böhmische<br />

Graveur Caspar Lehmann, der am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag arbeitet,<br />

verhilft mit seinen handwerklich meisterhaften Arbeiten Anfang des 17. Jh.<br />

dem Produkt ‚geschliffenes Glas’ zu seinem Durchbruch. Bald schon<br />

arbeiten zahlreiche Graveure vor allem in Südböhmen und graviertes<br />

böhmisches Glas wird zu einem international gefragten Exportartikel. Es<br />

verdrängt bald das bis dahin führende emaillierte Glas. Mit der Entwicklung<br />

neuer Glassorten im letzten Viertel des 17. Jh. drängen böhmische Erzeugnisse<br />

die bis dahin führenden venezianischen zurück. Südböhmen und die<br />

benachbarte Oberpfalz sind auch im 19. Jh. Zentren des Glasschliffs – allein<br />

in der Oberpfalz sind zeitweise über 400 Schleifmühlen in Betrieb. Die<br />

Vermutung liegt also nahe, dass auch hier facettierte Perlen hergestellt<br />

wurden. Lange Zeit ging auch ich davon aus, dass die facettierten Perlen,<br />

wie ich sie aus Afrika kannte, sowohl aus Böhmen, Venedig, als auch aus<br />

Ostbayern stammen könnten. Die Befassung mit der Technik der Fertigung<br />

facettierter Perlen und ihrer Geschichte macht deutlich, dass vermutlich im<br />

19. Jh. der überwiegende Teil dieser Perlen aus Böhmen stammt.<br />

In der Zeit vom Ende des 18. bis Ende des 19. Jh. sind von Hand facettierte<br />

Perlen ein Produkt, das in keiner vergleichbaren Ware ein Surrogat<br />

hat. Im Folgenden will ich der Frage nachgehen, warum Böhmen eine<br />

derartige Vormachtstellung in der Produktion dieser Perlen erringen kann,<br />

so dass die Bezeichnung Böhmische Perle sogar zum Synonym für facettier-

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