06.10.2013 Aufrufe

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

248<br />

schwer machen Kredite zu verweigern wie gewährte Kredite später einzutreiben.<br />

Das, was gerade integraler Kern seines Tun ist, nämlich dass er die<br />

Ware nicht verändert, dass er nichts Sichtbares oder Greifbares schafft,<br />

droht ihm dann zum Verhängnis zu werden. Man braucht gar keine Gesellschaft<br />

mit bäuerlicher Subsistenz als Beispiel zu nehmen, sondern der Blick<br />

auf die eigenen Moralvorstellungen genügt, um aufzuzeigen, wie suspekt in<br />

den meisten Gesellschaften Arbeit und Arbeitsverdienst sind, die nicht<br />

produktiv in dem Sinn sind, dass sie materielle Güter schaffen. Der, der ein<br />

Ding weder produziert, noch irgendwie verändert, vielleicht nicht einmal<br />

transportiert, hat es fast überall schwer zu rechtfertigen, dass seine immateriellen<br />

Leistungen einen zu vergütenden Wert darstellen.<br />

10.1.2 Exkurs: jüdische Händler im Glasperlenhandel<br />

„Die Antwort auf die Frage, warum so viele Juden im Diamantenhandel tätig<br />

sind, ist die gleiche wie die auf die Frage, warum es so viele jüdische Violinvirtuosen<br />

gibt, aber keine Pianisten. – Eine Violine können sie auf der Flucht<br />

überall mit hin nehmen“ (Der Vorsitzende des Verbands der Diamantenhändler<br />

in Antwerpen). 218<br />

Jüdische Händler haben in der gesamten Neuzeit eine bedeutende Rolle<br />

innerhalb des globalen Handels gespielt. Das gilt wohl auch für den Handel<br />

mit Glasperlen. Dies wurde mir aber erst zu einem Zeitpunkt bewusst, als<br />

ich schon recht tief in die Materie eingedrungen war. Während meiner<br />

gesamten ersten Studien und Erhebungen war ich nicht oder nur am Rande<br />

auf die Gruppe der jüdische Minderheit gestoßen. Am Perlenhandel im<br />

heutigen Afrika sind wohl keine Juden beteiligt; ebenso spielen sie in der<br />

heutigen Perlenproduktion in Tschechien oder in Deutschland keine Rolle.<br />

Bei der Lektüre der Klassiker Sombart, Simmel und Weber, die sich mit<br />

der Entstehung und den Bedingungen des modernen Kapitalismus und in<br />

diesem Kontext auch mit dem Handel befassen, wird klar, dass sie aus<br />

ihrem zeitgenössischen Kontext heraus gar nicht umhin kamen, die bedeutende<br />

Rolle der jüdischen Minderheiten für den Handel zu sehen – jüdisches<br />

Leben und Handeln war deutlich und stark präsent. Ebenso selbstverständlich<br />

ist es, im heutigen Ostafrika nach der Rolle indischer Händler zu fragen.<br />

Ihre Präsenz ist so offensichtlich, das man gar nicht umhin kommt, zumindest<br />

auch in diese Richtung zu denken und zu fragen. Wenn es um jüdische<br />

Händler im heutigen Deutschland und Europa geht, ist das anders. Für<br />

meine Generation und selbst für die heute überlebenden Gablonzer hat die<br />

Shoah mit den jüdischen Händlern auch das Bewusstsein um ihre Rolle im<br />

Wirtschaftsleben zerstört. Diese bittere Konsequenz des Völkermordes ist<br />

218 Der Vorsitzende des Diamond High Council in Antwerpen in einem Radio-Interview des<br />

Deutschlandfunks vom 27.08.02.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!