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Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

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so ergeben sich auch Antworten auf die mögliche Objektbiografie der Perle<br />

im Markt von Nairobi. Im folgenden Kapitel richte ich dann die Aufmerksamkeit<br />

allein auf Gablonz und die Geschichte seiner Perlenproduktion.<br />

Böhmische Perlen sind in internationalen Sammlerkreisen unter den<br />

Namen Bohemian oder Russian beads bekannt. Die gleichen Perlen mit<br />

nordamerikanischer Provenienz werden als Hudson-Bay-Company beads<br />

bezeichnet und als Ambassador beads, wenn sie in Afrika gefunden werden.<br />

Dabei handelt es sich meist um blaue, an den Enden zum Loch hin facettierte<br />

Glasperlen. Sie wurden im 19. Jh. in der Gablonzer Region hergestellt und<br />

global vermarktet. Bis zum Ende des 20. Jh. geben sie durch ihr Vorkommen<br />

an den Orten ihres erstmaligen Gebrauchs Zeugnis von längst vergangenen,<br />

z.T. aber auch bis in die Gegenwart vitalen Handelsbeziehungen. In<br />

den 1980er Jahren werden die Böhmischen Perlen zu begehrten Sammlerperlen.<br />

Allen voran US-amerikanische Sammler sind im Zuge einer großen<br />

‚Indianer-Euphorie’ bereit, hohe Preise für Russian beads oder Hudson-Bay-<br />

Company beads zu zahlen. Als die Preise auf dem US-Markt immer höhere<br />

Regionen erreichen, wird es auch attraktiv, gleichartige Perlen aus anderen<br />

Weltteilen in die USA zu handeln. Das Gleiche gilt für die meisten Typen<br />

historischer Handelsperlen. Zitat eines deutschen Kunsthändlers 1997:<br />

„Heute ist Afrika fast ganz leer gekauft, erst West- und Südafrika, Anfang der<br />

90er gingen dann die Hausahändler nach Äthiopien, heute findest Du nur noch<br />

schwer wirklich gute Perlen.“<br />

Gerade im Fall der Böhmischen Perlen, die im 19. Jh. über amerikanische<br />

Händler global vertrieben werden, kann man davon sprechen, dass sich am<br />

Ende des 20. Jh., also nach mehr als 100 Jahren, die Handelsströme umkehren.<br />

Werden sie im 19. Jh. über Neuengland in alle Welt gehandelt, so<br />

wandern sie aus aller Welt in US-amerikanische Sammlungen.<br />

Vor der großen Sammelwelle für Glasperlen in den 1980er Jahre gab es<br />

einige spezifische Regionen, in denen Böhmischen Perle gehäuft vorkamen.<br />

Meine Hypothese ist, dass die Böhmischen Perlen dort, wo sie bis in die<br />

1980er vorkommen, die Endpunkte wichtiger Handelsströme des 19. Jh.<br />

markieren. Es mag dabei als Kuriosum erscheinen, dass ausgerechnet dort,<br />

wo heute ein Großteil der noch existierenden Böhmischen Perlen in privaten<br />

Sammlungen verwahrt wird, nämlich an der amerikanischen Ostküste, einst<br />

einer der Knotenpunkte ihres Handels lag, von dem aus sie in alle Welt<br />

gingen.<br />

Bekannt wurden die Böhmischen Perlen als Tauschware im nordamerikanischen<br />

Fellhandel des frühen 19. Jh. Allein schon dieses Teilstück der<br />

sich mehrfach verzweigenden Spur führt zu einigen der interessantesten<br />

Stationen der Seefahrts- und Handelsgeschichte des 19. Jh. Bereits dieser<br />

vergleichsweise gut belegte Handelsstrom von Gablonz nach Alaska<br />

umfasst jeweils aus unterschiedlichen Richtungen die halbe Welt. Die ersten

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