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Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

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421<br />

begegnen dem, indem sie nicht nur auf einen Bereich bäuerlicher Wirtschaft<br />

setzen, sondern in mehreren Bereichen aktiv sind. Aus der Perspektive des<br />

Bauern gesehen, kann die Paterlfertigung Risiken in der Landwirtschaft<br />

abfangen. Dies ist aber von untergeordneter Bedeutung. Im Zentrum der<br />

ökonomischen Strategien der Haushalte steht die Landwirtschaft, die mit<br />

ihrer großen Vielfalt an Bereichen immer die Subsistenz gewährleistet.<br />

Diese Vielfalt bäuerlicher Subsistenz wird ergänzt durch das Sammeln von<br />

Waldfrüchten, das im Fichtelgebirge eine große Bedeutung hat. Im Zusammenwirken<br />

dieser vielfältigen Ausrichtungen ist zwar die Subsistenz<br />

grundlegend gewährleistet, größere Überschüsse können aber kaum erzielt<br />

werden. Kapitalaufbau oder Luxuskonsum sind nur äußerst begrenzt<br />

möglich. Die Bauern des Hohen Fichtelgebirges begegnen dem mit einer<br />

Beschränkung auf einfache Bedürfnisse und indem sie zusätzliche Einkommen<br />

in den Paterlhütten, Forsten und in der Heimindustrie suchen. Innerhalb<br />

einer Strategie ausgedehnter Diversifizierung kommt der Paterlfertigung<br />

damit eine herausragende Rolle im Leben der Menschen zu.<br />

Die Überlegung, dass die Bauern und hier eben auch die Perlenarbeiter<br />

nur so viel arbeiten, wie sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse brauchen<br />

und dadurch z.B. technischen Innovationen gegenüber zurückhaltend sind,<br />

solange diese rein auf ökonomische Gewinnmaximierung ausgerichtet sind,<br />

ist durchaus nicht neu in der Ethnologie. In seiner in den 1920er Jahren<br />

entwickelten „Theory of Peasant Economy“ schreibt Chayanov, dass<br />

bäuerliche Landwirtschaften sogar bei einer nominal negativen Bilanz<br />

überleben. Möglich wird dies, da die entscheidende Wirtschaftseinheit nicht<br />

der einzelne Betrieb, sondern der Haushalt ist. Diese bäuerlichen Haushalte<br />

(Chayanov spricht von family farms) streben danach, ihr Gesamteinkommen<br />

zu maximieren. Profit oder marginale Produktion sind dagegen für sich<br />

selbst keine Ziele. Sie versuchen nicht die Erträge zu maximieren, sondern<br />

in bestmöglicher Weise die bestehenden Bedürfnisse zu befriedigen. Hier<br />

zeigt sich eine grundlegende Differenz in den Handlungsorientierungen<br />

(Chayanov spricht von operational logic) der bäuerlichen Haushalte oder<br />

der Paterlmacher im hier vorgestellten Beispiel zu einer rein kapitalistischen<br />

Orientierung. 555<br />

Sahlins zeigt in seiner Theorie der Domestic Mode of Production, 556 dass<br />

die häusliche Produktionsweise von Subsistenz und Autarkie bestimmt ist.<br />

Spätere Arbeiten vor allem der Bielefelder Schule 557 führen den Ansatz von<br />

Sahlins fort, betonen aber, dass Subsistenzproduktion nicht gleichzusetzen<br />

ist mit Autarkie, sondern dass sie vielmehr stets eine Teilstruktur innerhalb<br />

eines Wirtschaftssystems ist. Im Fall der Paterlmacher im Fichtelgebirge<br />

555 Chayanov 1923.<br />

556 Sahlins 1972.<br />

557 Vgl. Evers 1987 und Bierschenk 2002.

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