06.10.2013 Aufrufe

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

Dokument_1.pdf (9487 KB) - OPUS Bayreuth - Universität Bayreuth

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

447<br />

betrachten, dann wird parallel zur Entwicklungslinie der Techniken ein<br />

kontinuierliches Streben zu homogeneren Produkten erkennbar. Die<br />

Wertschätzung des Einzigartigen, des Ausgefallenen, ist ein Phänomen<br />

jüngerer westlicher Entwicklung. Die Wertschätzung individueller Perlenkreationen,<br />

wie sie etwa Peter Zindulka, der letzte im Fichtelgebirge tätige<br />

Perlenmacher, in Warmensteinach schafft, ist eine Facette des Luxus<br />

innerhalb westlicher Konsumorientierungen. 605 Blickt man zurück auf die<br />

Paterla des Fichtelgebirges, zeigt sich sowohl auf Seiten der Handwerker<br />

wie auch der Konsumenten, ein Streben nach gleichförmigen Produkten.<br />

Das handwerkliche Können eines Paterlmachers zeigt sich darin, dass er<br />

große Mengen weitgehend homogener Paterla fertigen kann. Die verschiedenen<br />

Techniken, die in der Produktion der Böhmischen Perlen zusammenkommen,<br />

spiegeln eben dieses fortgesetzte Streben nach Techniken, die<br />

homogene Formen ermöglichen, wieder. Perlen zeigen in der Entwicklung<br />

der technikabhängigen Form ein Streben nach Gleichförmigkeit; das<br />

Künstliche oder Artifizielle, das man schätzte, war und ist z.T. bis in die<br />

Gegenwart nicht ihr individueller Charakter, sondern das, was wir heute als<br />

Standardisierung bezeichnen würden. Die Technik des Ziehens von<br />

Glasröhren, die Grundtechnik in der Produktionskette einer Böhmischen<br />

Perle, gestattet die Erzeugung einer großen Zahl Perlen mit gleichmäßiger<br />

Lochung und Wandstärke. Diese Art der Perlen ist also schon deutlich<br />

gleichförmiger als die aus dem Hafen gewickelten Paterla. Durch Formen<br />

des Glasbatzens vor dem Ausziehen lassen sich gleichmäßige, symmetrisch<br />

geformte Außenkanten schaffen – eine Technik, die erst im 17. Jh. aufkommt<br />

und unter anderem mit der Böhmischen Perle als Produkt die<br />

globalen Märkte erobert. Es ist ein Streben nach glatter, symmetrischer<br />

Form, das den Weg hin zur Moderne begleitet und sich auch in der Böhmischen<br />

Perle ausdrückt. Dieses Streben nach glatten Kanten, fort von den<br />

runden, gewachsenen Formen natürlicher Produkte, findet weiteren<br />

Ausdruck in der Verzierung der Perlen durch den Facettenschliff, wie man<br />

ihn auch im Schliff von Edelsteinen findet. Man muss sich dabei vor Augen<br />

führen, dass der Schliff von Facettierungen bei Edelsteinen eine Entwicklung<br />

der Neuzeit ist. Der typische geschliffene Edelstein, wie er im Diamanten<br />

mit Brillantschliff schon zum Symbol geworden ist, wird erst Anfang<br />

des 20. Jh. aus dem so genannten Altschliff entwickelt. Betrachtet man etwa<br />

die Edelsteine in mittelalterlichen Kronen, so bemerkt man, dass keiner der<br />

605 Zindulka fertigt Lampenperlen in kleinen Auflagen bzw. als Unikate, die er dann in eigenen<br />

Schmuckkreationen verarbeitet. Gelernt hat der gebürtige Tscheche sein Handwerk bei<br />

Gablonzern in Weidenberg. Ohne weiteres kann man in ihm den letzten Erben der Gablonzer<br />

Tradition im Fichtelgebirge sehen. Doch arbeitet er als einzelner Kunsthandwerker, der<br />

nicht mehr in die Struktur einer von einer ganz spezifischen Kultur geprägten Industrie, wie<br />

es die Gablonzer Industrie war, eingebunden ist.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!